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Tiere töten bzw sind wir die Guten?

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  • Tiere töten bzw sind wir die Guten?

    Es ist nun schon ein viertel Jahrhundert her, da hatte ich bei meinem Metzger zum Osterfest ein Zicklein bestellt. Als ich das Fleisch abholen wollte, sahen mich die Metzgersfrau und ihre Mitarbeiterin kopfschüttelnd mit ärgerlich-entsetzten Augen an. Natürlich gehöre das Töten von Tieren mit zu ihrem Beruf, aber als ihr Mann diese kleine Ziege, die einerseits ängstlich, andererseits neugierig umherschauend mit kindlicher Meckerstimme munter vorwärtstrabte, am Strick durch die Metzgerei führte, da wurde ihr, der Metzgerin, doch weh ums Herz. Mein Hauptinteresse war, ob es mir gelingen möge, das Rückgrat einschließlich der Rippen so zu entfernen, daß die Haut nicht verletzt würde, damit ich schließlich, Schenkelfleisch püriert, die Innereien kurz in Butter geschwenkt in die Farce gedrückt, einen Rollbraten zustande bekäme, der jetzt nur noch eine krosse Bauchhaut bei gleichzeitig rosaner Rückenmuskulatur aufweisen müsse.

    Es fällt mir nicht schwer, mir vorzustellen, wie jemand sagt: da eß ich nicht mit. Viel schwerer fällt es mir zu akzeptieren, daß mir das so wenig ausmacht.
    Über das Töten von Tieren hatte ich vor einiger Zeit folgendes geschrieben:

    "Ein Tier zu töten, weil man es essen will, ist immer beeindruckend. Je nach Tierart unterscheiden sich meine Empfindungen. So bin ich z.B. recht emotionslos, wenn ich lebende Muscheln in einen kochenden Sud gebe, da gilt meine Hauptsorge nur, deren Verenden nicht zu lange zu übersehen, weil das Muschelfleisch sonst an Zartheit verliert. Auch bei Austern mache ich mir, überraschenderweise, kaum Gedanken, daß sie ja eigentlich noch leben, während ich sie mit schlürfendem Unterdruck einschlunde.
    Eine Idee schwieriger wird es bei Wirbeltieren. Einem Huhn die Rübe abzuhacken, da bin ich dabei, erstens ist es so blöd, zweitens teilweise so bösartig zu seinen Artgenossen. Beim Kaninchenschlachten war ich nur dabei, kaum Emotion, selbst wollt ichs nur ungern machen, wegen des Felles. Schwein - war ich oft dabei, tut mir immer etwas weh, weil es ja ahnt, was passiert, und oft so schrecklich quiekt, daß einem der Appetit vergeht; dennoch, ein Schwein könnt' ich schlachten. Mit dem Gewehr auf ein Reh bzw ein anderes Wild zu schießen, nein, das ist nichts für mich, ausnehmen und zerlegen, geht gut. Fische zu töten fällt mir auch schwer, ich wickel sie in ein Tuch und hau ihnen mit einem Kantholz eins auf die Mütze, das geht schon, aber ungern, vor allem Karpfen, weil die einen so vorwurfsvoll anglotzen. Bei uns gibt es einen Supermarkt, der von Russlanddeutschen geführt wird; die haben dort so einen Drahtkessel, da kommt der Karpfen hinein, und dann läßt man Strom durch den Draht, bis der Karpfen nicht mehr zuckt, da sieht man nicht gerne zu. Am schlimmsten war es, als ich am heiligen Abend mit so einem Dreipfünder, wir hatten Besuch aus Schlesien, nach Hause kam und dieses Biest wieder anfing, klare Lebenszeichen zu entwickeln und dann das Kantholz mit erheblichem Widerwillen meinerseits nochmals zum Einsatz kam.
    Ob ich ein Lamm schlachten könnte, das weiß ich nicht; ich hielt erst vor wenigen Tagen, Louis ist mein Zeuge, ein Frischgeborenes in den Armen: Emotion ambivalent. Frösche, die halten nicht still, aber geht irgendwie; mit der Schere ins Maul, dann oberhalb der Augen abschneiden und mit einer Knopfsonde ins nun freiliegende Rückenmark fahren.
    Hummer müssen in meine Küche auch gelegentlich ihr Leben lassen. Da ich kein Barbar bin, schmeiße ich sie in keinem Falle ins kochende Wasser; dazu jedoch kein Wort mehr, da illegal."

    Ich hatte neulich diesen Text einem Kampfveganer zu lesen gegeben. Er meinte schließlich, ihm gefalle, unabhängig von dieser Rotzigkeit, die ehrliche Art, mit der ich um eine Rechtfertigung bemüht sei.

    Und nun meine Frage an alle Mitforisten: sind wir hier, die wir für Fleisch - Industrialisierung und Massentierhaltung nur Verachtung übrig haben, allein deshalb die "Guten" ?
    Mit kulinarischen Grüßen
    schlaraffenland

  • #2
    Ein guter Text basierend auf guten Gedanken aber als konsequent handelndes Individuum äußerst doppeldeutig in der Interpretation.

    Der vegane Ansatz ist einfach ebenso wie der carnivore.

    Entweder wir überlasse die Tiere sich selbst oder aber wir fressen sie mit allen Konsequenzen.

    Für mich ein ganz oder gar nicht Thema mit einer persönlichen Tendenz zum Ganz.

    Gute Nacht

    Passepartout
    Zuletzt geändert von passepartout; 27.11.2015, 07:56.

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    • #3
      Zitat von Schlaraffenland
      .... abholen wollte, sahen mich die Metzgersfrau und ihre Mitarbeiterin kopfschüttelnd mit ärgerlich-entsetzten Augen an. Natürlich gehöre das Töten von Tieren mit zu ihrem Beruf, aber als ihr Mann diese kleine Ziege, die einerseits ängstlich, andererseits neugierig umherschauend mit kindlicher Meckerstimme munter vorwärtstrabte, am Strick durch die Metzgerei führte, da wurde ihr, der Metzgerin, doch weh ums Herz. ....
      Kaum vorstellbar und auf jeden Fall sehr merkwürdig. Welche Tiere tötet denn diese Metzgerei sonst? Nur alte Bullen und böse Keiler, die man ohne Scham schlachten und Essen darf?
      Da hat wohl jemand seinen Beruf verfehlt.
      mfg Hannes Buchner

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      • #4
        Zitat von Schlaraffenland
        Und nun meine Frage an alle Mitforisten: sind wir hier, die wir für Fleisch - Industrialisierung und Massentierhaltung nur Verachtung übrig haben, allein deshalb die "Guten" ?
        Schwere Kost zum Wochenende, lieber Schlaraffe!

        Zu Ihrer Frage: Ein klares Nein!

        Aber ich möchte genenrell den Verzehr von Fleisch für mich nicht werten. Das Fleischessen hat zum Leben der Menschheit immer dazugehört. Ich nutze das Angebot unserer Metzger wie selbstverständlich, ohne mir diese Gedanken zu machen oder gar ein schlechtes Gewissen zu haben.

        Keines der von Ihnen genannten Tiere könnte ich selber töten, dafür gibt es Profis, die diesen Job machen. Ich stelle bei mir selbst nur fest, dass ich immer weniger Fleisch esse, aber das hat eher gesundheitliche als ethische Gründe.

        Könnte eine spannde Diskussion werden.

        Schönen Gruß, Merlan

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        • #5
          Schwieriges Thema, lieber Schlaraffe. Als Hobbyangler bin ich damit vertraut Tiere zu töten, auch wenn es "nur" Fische sind. Aber wie Sie sagen, so ein Karpfen oder Hecht ist Eindrucksvoller, als eine kleine Bachforelle. Für mich kommt es da auch auf die Art und Weise des Tötens an. Wenn ich mir vorstelle, wie die Fische in Asien oder Nordamerika getötet werden, muss ich sagen, töte ich einen Fisch lieber waidgerecht und mit Respekt selbst.

          Ansonsten haben mich in den letzten Jahren die vegetarischen Gerichte oft mehr beeindruckt, als das x-te Filet Rossini. Wenn ich an die Pasta in der Kellerwirtschaft, die Gemüsesuppen von Douce Steiner, oder die Karottenvariation im Opus V denke, frage ich mich oft, warum ich mir diese immer gleichen sous vide gegarten Rehrücken noch antue...

          LG
          M

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          • #6
            Für mich ist das kein ganz oder gar nicht Thema. Ich kenne Leute, die täglich zweimal Fleisch essen. Täglich. Gemüse auf dem Teller wird liegengelassen. Das ist das eine Extrem. Veganismus ist das andere Extrem. Dazwischen gibt es die Vegetarier, die Milch trinken und Eier essen, aber auch die, die Eier essen, aber keine Milchprodukte zu sich nehmen, Teilzeitvegetarier, usw. Ich persönlich esse Fleisch und Fisch fast nur noch im Restaurant, höchstens einmal alle zwei oder drei oder vier Wochen zu Hause. Wie bei merlan hat das bei mir eher gesundheitliche Gründe. Auch im Restaurant schätze ich zunehmend die vegetarischen Gerichte. Letztlich hat ja auch fast jede Saison ihre Highlights - gerade sind es Steinpilze, Pfifferlinge, wunderbare Kartoffeln, Äpfel, Rosenkohl, Wirsing, Kürbis, usw. Daraus kann man viel machen.

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            • #7
              Lieber Schlaraffe, herzlichen Dank für den schönen Thread !

              Wir hatten uns ja hierüber unlängts im kleineren Forenkreis unterhalten. Interessant finde ich, daß die wunderbarste Frau der Welt, die ich vor nunmehr dreieinhalb Jahren kennenlernen durfte, seinerzeit zumindest fast einmal täglich (jawohl, ein elternhäusliches Relikt) Fleisch aß, es hatte ihr bis dahin zumindest äußerlich sicher nicht geschadet. Ich hielt das für nicht besonders gesund und versuchte das mit allenfalls sanftem Druck zu vermitteln. Es kam irgendwann die Zeit einer Geburt und die Figur sollte natürlich bestmöglich in das bald danach anstehende Hochzeitskleid passen. Das war vor eineinhalb/zwei Jahren, vielleicht der Auslöser zum fleischfreien Essen. Inzwischen ist die Gattin Vegetarierin (kein Fleisch, keine Eier, sonst fast alles), primär aus Gesundheitsbewußtsein (nicht gesundheitlichen), aber auch vor dem Hintergrund der Kenntnisse über zeitgenössische Tierhaltung. Leider wird sie, wenn im Rahmen des Fleischverzichts eine rege Unterhaltung entsteht, schnell fälschlicherweise als Veganerin gesehen, was natürlich nicht richtig ist. Bei entsprechender Qualität und hervorragender und schonender Zubereitung, also hier und da mal in *** probiert sie dennoch, was die Carnivorenfraktion ihr natürlich gern als inkonsequent bescheinigt. Der Veganismus, der zweifelsohne momentan etwas en vogue ist und in der Tat "das andere Extrem" ist, bietet gerade deshalb natürlich den Nährboden für eine Diskussion, die an ihren Gründen nur vorbeilaufen kann.

              Ich selbst bin als zunehmender Nichtcarnivore kaum erkennbar, da ich mich doch selten, aber ab und zu einen Fleischexzeß (=brasilianisches Restaurant oder Dan Morgan Produkte auf dem heimischen Grill) hingebe.
              Ich verfalle aber immer mehr der Schmackhaftigkeit vegetarischer Gerichte, die ich zuhause genießen darf. Auch ich bin ein also "Inkonsequenter", der sich einerseits zumindest etwas bewußter als früher ernährt, andererseits die Prosperität der Agrarwirtschaft nicht unkritisch sehen will.

              Apropos, "Fleisch macht Krebs" halte ich für etwas kurz gefaßt. Ich lasse mich wissenschaftlich gern eines Besseren belehren, aber in Zusammenschau des aktuellen Kenntnisstandes kommt die karzinogene Wirkung aus meiner Sicht vermutlich zu einem nicht unerheblichen Teil von den Futtermitteln, deren Inhaltsstoffe zum Teil im Fleisch erhalten bleiben oder dieses verändern.

              Wundersam ist allein, daß diese Erkenntnis der WHO aktuell so viel Beachtung findet.
              - Bereits 2007 erging aufgrund damaliger Studienlage die Empfehlung der WHO, den Fleischkonsum auf 500g pro Woche zu beschränken. Im Vordergrund stand damals vielleicht mehr das daraus resultierende Übergewicht als sicherer karzinogener Faktor.
              - 2008 erschien eine äußerst beachtenswerte Dokumentation "Le monde selon Monsanto" (dt. Titel "Monsanto, mit Gift und Genen") von Marie-Monique Robin auf Arte und auf DVD. Der Film hätte eigentlich in Kinos gehört, Schulklassenbesuche inklusive. Bemerkenswert finde ich nun nicht allein den wirtschaftspolitischen Aspekt, als vielmehr die gesundheitlichen Auswirkungen.
              Neben dem Film im Allgemeinen empfehle ich den Wikipedia-Eintrag zu dem Film, insbesondere die Passage über die Ergebnisse Arpad Pusztais´.
              - lt. Deutscher Gesellschaft für Ernährung liegt (im Gegensatz zur WHO mit 500g) die Obergrenze für den wöchentlichen Verzehr bei 600g. Das schaffen eben mal die Damen, der Durchschnittsverbauch bei Männern ist 1 kg (!) pro Woche.
              Und dabei sind jetzt mal ethische Aspekte, z.B. Hinsichtlich Tierhaltung usw., ganz unbesehen...
              Ich denke, weniger ist mehr und bei weniger kann mann auch in entsprechend bessere Qualität (Haltung usw.)investieren.

              Und was hat das mit Schlaraffes Threaderöffnung zu tun ? Es geht um das Bewußtsein darüber, was man ißt. Woher es kommt. Und daß man einfach mehr Respekt davor hat, wie man mit Essen umgeht, einschließlich der "Produktion" und Zubereitung. Das ist eines jeden Verantwortung.

              MkG, S.
              Zuletzt geändert von Sphérico; 09.11.2015, 11:50. Grund: Änderung

              Kommentar


              • #8
                Zitat von Sphérico

                Und was hat das mit Schlaraffes Threaderöffnung zu tun ? Es geht um das Bewußtsein darüber, was man ißt. Woher es kommt. Und daß man einfach mehr Respekt davor hat, wie man mit Essen umgeht, einschließlich der "Produktion" und Zubereitung. Das ist eines jeden Verantwortung.

                MkG, S.
                Das ist sehr schön zusammngefasst genau das was ich auch denke und fühle.
                Ich esse gerne Fleisch. Aber viel bewusster wie früher. Eben auch mit Verstand.
                Ich esse gerne auch vegetarisch. Aber auch das bewusst.

                Die Einstellung Ihrer Frau bewundere ich. Leider wird bei uns immer alles zum Dogma hochstilisiert.
                Wo machbar essen auch meine Frau und ich gerne mal ein vegetarisches Menü. Warum auch nicht.


                Gruß!
                J.F.

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                • #9
                  Ich sehe es so, das neben dem ethischen Aspekt des Tötens auch andere Aspekte beim Verzehr von Lebensmitteln eine Rolle spielen. Etwa die Arbeitsbedingungen bei deren Ernte, der ökologische Fussabdruck und letztendlich das Thema der Abfälle. Insofern bin ich gegen jede Richtung, auf etwas zu verzichten. Wenn ich zudem die hochgradig verarbeiteten Produkte sehe, die Veganer als Ersatz kaufen, kann ich diese nur als unnatürlich einstufen.

                  Ich will weder auf Fisch, noch auf Fleisch verzichten, esse aber außer meinem Wurstbrot am Morgen an den meisten Tagen der Woche kein Fleisch. Außerdem verzichte ich so gut es geht auf industriell hochgradig verarbeitete Produkte, was mir eigentlich noch wichtiger ist. Meine Maxime ist: was ich mit Genuss esse, kann ich auch ethisch rechtfertigen. Weil ich weiß, das bestimmte Produkte unter ethisch problematischeren Bedingungen entstehen, als andere, versuche ich diese noch bewusster zu essen.

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                  • #10
                    "Hummer müssen in meine Küche auch gelegentlich ihr Leben lassen. Da ich kein Barbar bin, schmeiße ich sie in keinem Falle ins kochende Wasser; dazu jedoch kein Wort mehr, da illegal."

                    Im Spiegel Nr 52 vom 19.12.2015 findet man unter der Überschrift "Leiser Tod im Topf" einen Artikel über das Hummertöten. Ein Zoologieprof aus Belfast glaubt nicht an die Theorie, daß das Nervensystem der Hummer zu primitiv sei, um leidensfähig zu sein. Einige Versuche dienen ihm dazu als Indizien. In jedem Fall vermutet er, daß das kochende Wasser, in das die Hummer geworfen werden, bis zu einer Minute braucht, um durch die Panzerschichten bis ins Innere des Hummers zu gelangen, um dort die womöglich entscheidenden Ganglien auszuschalten. Und in Privathaushalten, bei ungenügender Hitze, zu kleinen Töpfen, dem Abkühlen des Wassers nach Hummereinlage, verzögere sich der Hummertod noch weiter.
                    Mein möge also eher ein großes Kochmesser .... Dies gilt als schnellerer Tod, erfordere allerdings eine gewisse Kaltblütigkeit.

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                    • #11
                      Hatte ich auch gelesen und an diesen Thread gedacht...
                      Da es aber in meiner unmittelbaren Umgebung ohnehin keinen lebenden Hummer gibt, muß ich auf TK-Ware (z.B. OttoGourmet) zurückgreifen. (der landet an den Feiertagen dann womöglich mit Eigelbraviolo auf Trüffelrahmspinat oder in Tagliatelle mit Champagnersauce)...

                      MkG, S.

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                      • #12
                        Mein möge also eher ein großes Kochmesser .... Dies gilt als schnellerer Tod, erfordere allerdings eine gewisse Kaltblütigkeit.
                        Von außen betrachtet sicherlich mit etwas Übewindung verbunden, für das Tier aber letztlich doch der deutlich "angenehmere" Tod, so denke ich.

                        Wobei ich mir selbst die Frage auch kaum stellen muss, da es auch hier keine lebenden Hummer zu kaufen gibt.

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