Zum Jahresende werden wieder von Zeitschriften und Gourmet-Führern die besten Restaurants bewertet. Und immer häufiger werden auch Servicemitarbeiter gelobt. Da finden sich dann smarte Gestalten, viel eher Conférenciers als Bedienungen, souveräne und elegante Menschen, nahezu Event-Manager, denen es zuverlässig gelingt, den richtigen Ton zu finden und noch zuverlässiger, nervösen, latent aggressiven, selbstunsicheren und unguten Gästen den Bauch zu pinseln.
Sicherlich nicht geeignet als Mrs. FeelGood ist da
Frau Brenner,
die seit den siebziger Jahren im Adler in Rosenberg berät und bedient. Sie hat schon im Adler serviert, als am Sonntag zum Mittagessen hauptsächlich der Zwiebelrostbraten gefragt war, dazu ein oder zwei Halbe, für die Kinder Spätzle mit Soß. Frau Brenner ist mit dem Adler „großgeworden“, hat miterlebt, wie sich die bodenständige Küche verfeinert hat, wie neben Trollinger auch edlere Flaschen eingelagert wurden; und sie hat bei diesen Veränderungen gerne mitgewirkt. Mit den zunehmend besseren Bewertungen – und hier muß gesagt werden, daß der Michelin seinen größten Patzer, einen nahezu historischen Fehler, begangen hat, dem Adler den verdienten zweiten Stern vorzuenthalten - gewann das Lokal auch neue Gäste.
Viele Jahre, bevor eine allgemeine carte-blanche-Diskussion einsetzte, hatte J.Bauer schon ein einheitliches Menü auf der Karte, das nur tischweise serviert werden konnte. Und was mußte sich da die gute Frau Brenner nicht alles anhören. Aber ich will lieber das da aus der Karte … und ich will jenes … warum muß den der ganze Tisch … und wenn ich mich jetzt an den anderen Tisch setze, kann ich dann … Dieselben Parvenüs, die es in den Gourmetkathedralen andächtig mit sich geschehen ließen, gebärdeten sich hier mutiger. „Hildegard Brenner blieb, verbreitete seit 1974 ihren bodenständigen Service-Charme, der von manchen Gästen nicht verstanden, von den meisten geliebt wurde.“, formuliert es treffend W. Fassbender.
Ein Ehepaar mit Kind, etwa vier oder fünf Jahre alt, hatte an einem Tisch Platz genommen. Frau Brenner begrüßt die Familie, die Speisekarten werden verteilt, man wägt ab, trifft Entscheidungen und schließlich wird das Ausgewählte abgefragt. Dabei kommt es noch zu einigen letzten Beratungen, auch das Kind wird befragt. Und so sehr das Mädchen es liebt, als kleine Prinzessin behandelt zu werden, auch wenn es natürlich im Innersten spürt, daß der ganze Überschwang, das Lob, das Entzücktsein nur ein Spiel ist, so sehr gefällt es ihr auch, von Frau Brenner gleichberechtigt angesprochen zu werden, auch ihre Wünsche werden ernst genommen; die Fragen, die ihr gestellt werden kann sie auch leicht beantworten.
Für die Wartezeiten zwischen den Gängen ist sie wohlgerüstet. In einem kleinen Rucksack hat sie, neben Malbuch und Farbstiften, auch einen hübschen Satz bunter Miniaturbauklötzchen dabei, und immer neue Bauwerke entstehen nun zwischen Tellern und Gläsern. Nun soll nur noch das Dessert, auf das sich das Kind naturgemäß besonders freut, aufgetischt werden, aber der Nachtisch kommt nicht, er kommt eine halbe Stunde nicht, und er kommt auch eine dreiviertel Stunde nicht. Schließlich siegt der Bewegungsdrang des Mädchens über die neuesten architektonische Wunderwerke – längst hatten sich die Eltern mit als Baumeister betätigt- sie klettert hinter dem Tisch hervor, um, nun zum Pferdchen und gleichzeitig Reiterin geworden, durch die Gaststube zu traben, nicht jauchzend oder übermütig trampelnd, aber in eindeutigen Hüpfbewegungen, mit den Händchen die die Zügel haltend. Dabei kommt sie aber Frau Brenner, die, Platten tragend gerade die Küche verläßt, in die Quere; und wie nun der Vater versucht, das Mädchen mit schmeichelnden Worten wieder einzufangen, geschieht es, daß es zu einem Blickkontakt zwischen ihm und Frau Brenner kommt. Kaum merklich schüttelt sie den Kopf und aus ihrer Miene läßt sich ablesen: es ist gut, ich hab das Mädchen doch beobachtet, wie es sich fröhlich und interessiert auf das Essen eingelassen hat, daß es gerade nicht weitergeht, ist doch unsere Schuld, laßt sie hüfen, traben, selbst galoppieren …
Diese Art der Empathie läßt sich nicht erlernen (und schon gar nicht in Montag/Dienstag-Seminaren eintrainieren). Bei Frau Brenner fühlt man sich gut aufgehoben, in sicheren Händen. Nie würden sie einem gegen ihren Willen etwas empfehlen. Sie bedient gerne. Sie ist eine verläßliche Mittlerin, die berichtigte Anliegen und nicht überzogene Wünsche im Sinne des Gastes in der Küche vorträgt.
Gäbe es den Titel „meilleur ouvrier“ bei uns, Frau Brenner hätte ihn längst verdient. Stolz kann sie auf ein großartiges Lebenswerk blicken.
Höchste Anerkennung aus dem Schlaraffenland
Sicherlich nicht geeignet als Mrs. FeelGood ist da
Frau Brenner,
die seit den siebziger Jahren im Adler in Rosenberg berät und bedient. Sie hat schon im Adler serviert, als am Sonntag zum Mittagessen hauptsächlich der Zwiebelrostbraten gefragt war, dazu ein oder zwei Halbe, für die Kinder Spätzle mit Soß. Frau Brenner ist mit dem Adler „großgeworden“, hat miterlebt, wie sich die bodenständige Küche verfeinert hat, wie neben Trollinger auch edlere Flaschen eingelagert wurden; und sie hat bei diesen Veränderungen gerne mitgewirkt. Mit den zunehmend besseren Bewertungen – und hier muß gesagt werden, daß der Michelin seinen größten Patzer, einen nahezu historischen Fehler, begangen hat, dem Adler den verdienten zweiten Stern vorzuenthalten - gewann das Lokal auch neue Gäste.
Viele Jahre, bevor eine allgemeine carte-blanche-Diskussion einsetzte, hatte J.Bauer schon ein einheitliches Menü auf der Karte, das nur tischweise serviert werden konnte. Und was mußte sich da die gute Frau Brenner nicht alles anhören. Aber ich will lieber das da aus der Karte … und ich will jenes … warum muß den der ganze Tisch … und wenn ich mich jetzt an den anderen Tisch setze, kann ich dann … Dieselben Parvenüs, die es in den Gourmetkathedralen andächtig mit sich geschehen ließen, gebärdeten sich hier mutiger. „Hildegard Brenner blieb, verbreitete seit 1974 ihren bodenständigen Service-Charme, der von manchen Gästen nicht verstanden, von den meisten geliebt wurde.“, formuliert es treffend W. Fassbender.
Ein Ehepaar mit Kind, etwa vier oder fünf Jahre alt, hatte an einem Tisch Platz genommen. Frau Brenner begrüßt die Familie, die Speisekarten werden verteilt, man wägt ab, trifft Entscheidungen und schließlich wird das Ausgewählte abgefragt. Dabei kommt es noch zu einigen letzten Beratungen, auch das Kind wird befragt. Und so sehr das Mädchen es liebt, als kleine Prinzessin behandelt zu werden, auch wenn es natürlich im Innersten spürt, daß der ganze Überschwang, das Lob, das Entzücktsein nur ein Spiel ist, so sehr gefällt es ihr auch, von Frau Brenner gleichberechtigt angesprochen zu werden, auch ihre Wünsche werden ernst genommen; die Fragen, die ihr gestellt werden kann sie auch leicht beantworten.
Für die Wartezeiten zwischen den Gängen ist sie wohlgerüstet. In einem kleinen Rucksack hat sie, neben Malbuch und Farbstiften, auch einen hübschen Satz bunter Miniaturbauklötzchen dabei, und immer neue Bauwerke entstehen nun zwischen Tellern und Gläsern. Nun soll nur noch das Dessert, auf das sich das Kind naturgemäß besonders freut, aufgetischt werden, aber der Nachtisch kommt nicht, er kommt eine halbe Stunde nicht, und er kommt auch eine dreiviertel Stunde nicht. Schließlich siegt der Bewegungsdrang des Mädchens über die neuesten architektonische Wunderwerke – längst hatten sich die Eltern mit als Baumeister betätigt- sie klettert hinter dem Tisch hervor, um, nun zum Pferdchen und gleichzeitig Reiterin geworden, durch die Gaststube zu traben, nicht jauchzend oder übermütig trampelnd, aber in eindeutigen Hüpfbewegungen, mit den Händchen die die Zügel haltend. Dabei kommt sie aber Frau Brenner, die, Platten tragend gerade die Küche verläßt, in die Quere; und wie nun der Vater versucht, das Mädchen mit schmeichelnden Worten wieder einzufangen, geschieht es, daß es zu einem Blickkontakt zwischen ihm und Frau Brenner kommt. Kaum merklich schüttelt sie den Kopf und aus ihrer Miene läßt sich ablesen: es ist gut, ich hab das Mädchen doch beobachtet, wie es sich fröhlich und interessiert auf das Essen eingelassen hat, daß es gerade nicht weitergeht, ist doch unsere Schuld, laßt sie hüfen, traben, selbst galoppieren …
Diese Art der Empathie läßt sich nicht erlernen (und schon gar nicht in Montag/Dienstag-Seminaren eintrainieren). Bei Frau Brenner fühlt man sich gut aufgehoben, in sicheren Händen. Nie würden sie einem gegen ihren Willen etwas empfehlen. Sie bedient gerne. Sie ist eine verläßliche Mittlerin, die berichtigte Anliegen und nicht überzogene Wünsche im Sinne des Gastes in der Küche vorträgt.
Gäbe es den Titel „meilleur ouvrier“ bei uns, Frau Brenner hätte ihn längst verdient. Stolz kann sie auf ein großartiges Lebenswerk blicken.
Höchste Anerkennung aus dem Schlaraffenland
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