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Ikarus feat. El Celler de Can Roca | 07.2010

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  • Ikarus feat. El Celler de Can Roca | 07.2010

    Aus einer günstigen Situation heraus konnte ich den 1 Juli – Premierenabend – für meinen Roca-Besuch im Hangar 7 anpeilen. Die relativ kurzfristige Reservation (- 1 Woche) ging mit Ach und Krach noch mal gut – Das Lokal war um 20:00 vollstens besetzt. Das Restaurant hat einen leichten „Make-over“ bekommen. Die Tische wurden mit neuen Füßen versehen und sind nunmehr Tischdecken frei –es wird auf der Leder-Oberfläche getafelt.
    Die Katalanen Jordi und Joan Roca haben ein prägnantes 9 Gang Menü zusammengestellt, welches für € 140,-- zu haben ist. Dazu stellten Josep Roca und das Sommerlier-Team des Ikarus eine mehr als lohnenswerte Weinreise durch Spanien für € 90,-- zusammen.
    Etwas trockener Cava wird als Aperitif gereicht. Die Snacks vorweg stimmen gekonnt auf das Menü ein. Es wird ein Bonsai-Olivenbäumchen gereicht. Darauf hängen 3 karamellisierte Oliven, gefüllt mit Anchovis, etwas weniger Süß und etwas mehr Fischgeschmack hätte der Idee keinen Abbruch getan. Dito der Kakao- (schwarzer) Sesam-Cracker gut – allerdings zu Zucker-lastig. Am besten gefiel da die geeiste Campari-Pomelo Sphäre welche eine Küchen-technische Meisterleistung darstellt.
    Es folgen 3 kleine Roca-Tapas zur Einstimmung: Auf einem kleinem Holzstück ein butterweicher Torron von der Entenstopfleber welcher toll mit nussigen Aromen und jenen der Leber spielt, somit die Süße genau richtig dosiert. Weiteres ein Bonbon von der Taube welches mich ein wenig an „Werthers Echte“ erinnert und zu guter Letzt in einer Schale etwas Consommé, oben auf ein souffliertes Brioche und Tupfer von Trüffelmayonnaise. Insgesamt ein gelungener Akkord, auch wenn die sehr dominante Mayonnaise zur Überlagerung der anderen Aromen tendiert.

    Das eigentliche Menü beginnt:

    Gillardeau Austern mit geliertem Cava, Apfel, Ananas, Ingwer und Zitrone

    Es wird ein Glas mit Stückchen von Auster auf einem Apfel-Ananas-Püree mit kandierten Stückchen von Ingwer und Zitronen-„Kaviar“ sowie einem Austernblatt gereicht. Aufgegossen wird mit geliertem Cava aus einer Halbflasche. Das Gericht ist Beispiel-gebend für die folgenden Gänge: Bei den Gebrüdern Roca werden „leise Töne“ angeschlagen – Kammermusik vom Feinsten, Präzision pur!
    Haben Sie schon mal versucht, Schaumwein so zu gelieren, dass er dickflüssig wird? Geht schon, aber wahrscheinlich verliert das ganze seine Perlage und somit die Spritzigkeit. Wenn man nun zu hören bekommt, dass die Roca’s für ihre Variante einen Cava Grundwein gelieren und nachträglich Cava-mäßig vergären lassen, bekommt man eine gewisse Ehrfurcht vor dem betriebenen Aufwand.

    Gänsestopfleber und Feigen

    Die Gänsestopfleber kommt puristisch bedeckt von einem hauchdünnen Sherry-Gelee, jedoch wunderbar leicht, da auf etwas frischer Feige drapiert. Die genau richtige Menge an Frisée-Salat entfaltet im Akkord ungeahnte Wirkung und eröffnet der Leber eine weitere Aromen-Facette.

    Calamari mit Kartoffelpüree und geräuchertem Paprika

    Dieser Gang ist von allen am Ehesten als „Eye-catcher“ bzw. „ein bisschen Show muss auch sein“ zu bezeichnen. Erneut wird ein Glas gereicht, gefüllt mit Rauch und etwas Süß-Paprika-Pulver. Über dieses Glas ist eine straff gezogenes Stück Klarsichtfolie gespannt, im vorderen Drittel jener – welches zum Gast schaut – ein kleines Loch ausgeschnitten. Rückwertig auf der Folie finden sich einige Calamari-Ringe sowie ein geräuchertes Kartoffelpüree welches mit rautenförmig geschnittenen Calamar-Mosaik-Stückchen belegt ist, um im ersten Moment die Meeresfrucht selber zu suggerieren. Essen sie nun mit Ihren zwei! Gourmet-Löffeln von dem Püree, so üben Sie unweigerlich Druck auf die Folie aus was Ihnen folglich dosiert den Paprika-Rauch ins Gesicht bläst. Ein erster Ansatz der aufzeigt, dass die Gebrüder Roca neben dem Geschmackssinn gesteigerten Wert auf die Einbindung des Geruchssinns in das Essens-Erlebnis legen.

    Seezunge mit fünf mediterranen Aromen

    Understatement pur bei diesem Gericht. Reduktion auf das Wesentliche! Ein Stück perfekt gegarte Seezunge (Niedertemperatur; Man sagt, die Roca’s hätten die Garung im Wasserbad gewissermaßen begründet?!) mit „Grillstreifen“ und dazu 5 ausgezeichnete Emulsionen von
    1. Fenchel
    2. Bergamotte
    3. Orange
    4. Pinienkern
    5. Olive

    Für mich ist im Nachhinein betrachtet dieses Gericht sinnbildlicher Ausdruck des Roca-Küchenstils – soweit es mir erlaubt ist, dies so festzustellen. Einfach nur perfekt!

    Konfitierter Bacalao mit Gnocchi und Kohl

    Im Teller finden sich Stückchen von Stockfisch, eckige Gnocchi die etwas klein ausgefallen sind und Pak Choi, dazu wird bei Tisch noch ein Bacalao-Sud angegossen. Unaufregend, aber wiederum präzise.

    Rindertatar mit Senfperlen und soufflierten Kartoffeln

    Das Tartar erinnert optisch an ein Lineal – rechteckig und in die Länge gezogen aufgebaut. Perfekt gewürzt würd es oben auf liegend unterstützt von krokanten „Kartoffelkissen“, gewissermaßen 2 übereinandergelegte Kartoffelscheibchen die wohl frittiert wurden und so in der Mitte einen Hohlraum bildeten sowie weiters den minimalst gelierten Senfperlen. Auch hier gibt es für mich nicht viel mehr zu sagen als: Geschmacklich 1A.

    Lammhals bei niedriger Temperatur gegart mit Erbsenpüree und Minzgelée


    Eine wunderbar schmeckende Scheibe vom Lammhals im eigenen Bratensaft wird gekonnt Kontrastiert von einer Kartoffel-Ziegenkäse-Espuma sowie einem luftigen Erbsenpüree und Minze-Gelee-Kegeln. Letztere Komponenten können bekanntermaßen gut miteinander. Insgesamt ein rundes Geschmacksbild, großartig begleitet vom dazu gereichten Rotwein – einem 05er Gratallops von Sarah Pérez und Rene Barbier aus dem Priorat.

    Angepasstes Dessert vom Parfum Miracle

    Das erste Dessert von Jordi Roca lud zur Spekulation ein. Mir war zwar geläufig, das es wohl irgendwo, irgendwie ein Parfum namens „Miracle“ geben muss, jedoch war mir dessen Geruch nicht „bewusst“. Serviert wurde nun im Teller ein Veilchen-Eis, Lychee-Stückchen, Zucker-Krokant und Blüten… Alles zusammen formte einen ätherischen Duft. Die Auflösung kam mit dem abräumen des Tellers, als der Kellner einen Papier-Kegel aus seinem Jackett zauberte und ihn mit dem Parfum besprühte. Nun setzte sich das Bild vollends zusammen – in der Tat ist es gelungen, den Geruch in Komponenten zu zerlegen und durch das essen wieder zusammenzufügen – faszinierende Idee!

    Milch Dessert

    Der letzte Gang des Abends bestand primär aus Topfen und Guave. Aus dem Frischkäse und Milch wurde zum einen Zuckerwatte gesponnen welche eine Milchcreme überlagerte. Dazwischen gewissermaßen als Raumteiler elastische Scheiben von Guave-Eis. Erfrischen und Substanzreich.

    Weder Käse (vor dem Dessert) noch Petit fours konnten mich locken. Ich begnügte mich mit einem Kaffee als letzten Akt vor der Rechnungslegung.

    Fazit:
    Das Ikarus Team war wieder einmal in Hochform, sowohl Küche als Service bestätigten ihr Weltklasse-Niveau. Das Menü der Gebrüder Roca zeichnet sich für mich vor allem durch seine starke Kontinuität aus. Es gibt zwar keinen „herausragenden“ Gang, jedoch auch keinen Ausrutscher nach unten. Besonders Spass gemacht hat diesmal die Weinbegleitung. Allen voran sei der zum Tatar gereichte Venus la Universal 2004 von Monsant, Sarah Pérez genannt – einfach nur ein Traum-Wein!
    Bravo!
    bon appetit...
    twitter.com/cisfotografie

  • #2
    Vielen Dank für Ihren Bericht, werter André. Das klingt alles großartig und faszinierend. (Und, verzeihen Sie die kleine Anschleimerei, auch dieser Bericht vermittelt mir wieder den Eindruck, dass es bestimmt großen Spaß macht, mit Ihnen Essen zu gehen.)

    Beste Grüße,
    Q.

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    • #3
      Danke Andre!

      Wir sind gerade heftig am überlegen, ob wir uns das auch "antun" wollen.
      Ihr Bericht spornt uns an, schnell eine Entscheidung zu treffen.

      Erscheint mir eine geniale Mischung aus Molekular-Küche und perkekt umgesetzter modern-klassischer Küche zu sein.


      Gruß!

      Kommentar


      • #4
        Lieber hochgeschätzter andrecis,

        vielen Dank für den wieder schönen Bericht. Da bekommt man wieder Lust aufs Ikarus im Juli...
        ...o.k., zugegeben, hatte schon reserviert für übernächsten Samstag
        Aber schade offenbar, daß ich mit dem Auto nach dem Essen weiter muß. Vielleicht nehme ich einfach eine Flasche von dem o.g. Wein mit :cheers:

        Ebenso hatten wir für September (Sergio Hermann) reserviert.

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        • #5
          Ich fasse es nicht. Halbe Stunde eine Seite getippt (mich noch dazu auf einem fremden Apfel gequält) über meinen heutigen Besuch als Ergänzung zu andrecis, um geschmackliche und technische Details bemüht...und alles weg, weil ich warum auch immer beim Absenden plötzlich nicht mehr angemeldet gewesen sei. Danke Software, da bekommt man auch Lust auf Forumsferien !!!
          :heulen::heulen:
          Im Moment keine Motivation alles nochmals zu schreiben (Gruß vom Hamster aus dem gleichnamigen Rad) bleibt das Fazit: Ikarus lohnt sich, mindestens als Entscheidungshilfe. Große Küche aus Girona.
          Zuletzt geändert von Sphérico; 17.07.2010, 19:44.

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          • #6
            Zitat von Sphérico
            Ich fasse es nicht. Halbe Stunde eine Seite getippt (mich noch dazu auf einem fremden Apfel gequält) über meinen heutigen Besuch als Ergänzung zu andrecis, um geschmackliche und technische Details bemüht...und alles weg, weil ich warum auch immer beim Absenden plötzlich nicht mehr angemeldet gewesen sei. Danke Software, da bekommt man auch Lust auf Forumsferien !!!
            :heulen::heulen:
            Im Moment keine Motivation alles nochmals zu schreiben (Gruß vom Hamster aus dem gleichnamigen Rad) bleibt das Fazit: Ikarus lohnt sich, mindestens als Entscheidungshilfe. Große Küche aus Girona.

            :heulen: Ich kenn das und fühle mit Ihnen...
            Fazit: Im Textverarbeitungsprogramm vorschreiben, alle 2 min speichern, copy-paste und danach formatieren....
            bon appetit...
            twitter.com/cisfotografie

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