Hallo zusammen,
wir waren vor einer Weile bei Heinz Reitbauer jr. Essen – und es war grandios!
Hier der Bericht, wegen des großen Umfangs um ein paar Absätze gekürzt. Ich denke, die "Message" kommt auch so rüber...
Den ganzen Text und Fotos gibt es wie immer unter sternefresser.de
Viel Spaß und Grüße
b.
Mit Spitzenrestaurants verhält es sich in mancher Hinsicht wie mit Musikformationen: es gibt jene, da wurden von einem finanzkräftigen "Producer" keine Mühen und Kosten gescheut, um eine talentierte Truppe zusammenzustellen, die dann oftmals auch eine exzellente Perfomance hinlegt und das Publikum zu begeistern weiß. Und dann gibt es jene, die sind im Laufe vieler Jahre oder gar Jahrzehnte gewachsen und gereift und haben sich ihren Spitzenstatus ganz allmählich erarbeitet.
Wir möchten hier gar nicht das Eine gegen das Andere ausspielen, aber mehr Flair hat – in der Musik wie auch in der Kulinarik – zweifellos die zweite Variante. Zum Beispiel das Steirereck in Wien. Heinz Reitbauer senior und seine Frau Margarete haben es einst gegründet und nach ihren Vorstellungen geführt: als Gourmetrestaurant, bei dem auch der so genannte Normalbürger keine Berührungsängste haben musste. Der bodenständig wirkende Name und ein günstiges Mittagsmenü unterstrichen den Gedanken, die gehobene Küche gewissermaßen zu "demokratisieren". Damals befand sich das Restaurant noch etwas abseits, in der Nähe des grünen Praters. 2005 zog das Steirereck dann in das elegante Gebäude (vormals eine Milchtrinkhalle) im gediegenen Wiener Stadtpark.
Dieser Standortechsel war ein Glücksfall für das Restaurant, passen Umgebung, Architektur und Interieur doch geradezu perfekt zu der zwischen Tradition und Moderne oszillierenden Küche von Heinz Reitbauer junior, der die Geschicke im Laufe der Jahre schrittweise von seinem Vater übernahm.
Ein Besuch im Steirereck, soviel können wir vorwegschicken, ist ein Gesamterlebnis. Das beginnt mit der grandiosen Lage, dem Entrée und der herzlichen Begrüßung durch Birgit Reitbauer, eine Gastgeberin, die an Charme, Witz und Eleganz ihresgleichen sucht. Es setzt sich fort im großzügigen Speisesaal, dessen dezente, geschmackvolle Einrichtung eine seltene Klasse hat, dabei aber keineswegs jene Art weihevoller Aura verströmt, die einen sich in manchen Restaurants unwohl fühlen lässt. Und es findet natürlich seinen Höhepunkt in den köstlichen Kreationen der Reitbauer-Küche, die wiederum von einer ansteckend gut gelaunten und humorvollen Servicecrew aufgetragen werden.
Eine weitere Besonderheit des Hauses besteht in den kleinen "Steckbriefen" die zu jedem Gericht auf den Tisch gestellt und in Stichworten über Zutaten und Zubereitungen informieren. Dies ist grundsätzlich sehr schön und hilfreich, nur fragen wir uns, ob es nicht sinnvoller wäre, sie nach oder während des jeweiligen Gangs einzusetzen – denn vorweg gereicht, verraten sie schon sehr viel und nehmen unter Umständen Spannung und Überraschung. In jedem Fall erfreut sich diese Idee der Reitbauers inzwischen auch über Österreichs Grenzen hinweg großer Beliebtheit. Wir haben seit unserem Besuch im Steirereck bereits viermal fast identische Kärtchen vor uns auf den Tischen gesehen.
Das Menü startet fast vegetarisch mit eingelegter Salzgurke mit Mönchsbart, Senf und Kapern. Der würzigen, knackigen Gurke wird durch eine leicht gelierte Rindersuppe eine dezente Umami-Note zur Seite gestellt: in Verbindung mit dem pfeffrigen Senf-Rahm und dem leicht erdigen Mönchsbart entsteht ein sehr vollmundiges Geschmacksbild, das vielleicht einen Tick zu säurelastig ausfällt. Dennoch ist es für uns ein abwechslungsreicher und spannender Auftakt.
Der lauwarme Artischockensalat mit Kräutern ist dann makellos: ein vollkommenes vegetarisches Gericht. Die Zusammenstellung mutet simpel an, besteht das Ganze doch lediglich aus 3x Artischocken (in Würzsud gekocht; mit Thymian geröstet; als Nage) mit einem kleinen Salat aus Kräutern Blüten – aber gerade die Feinheit der aromatischen Abstufungen macht dieses Gericht trotz seiner Mildheit so spannend.
Mit dem ersten Fischgang folgt eine veritable Götterspeise: Beim Mariazeller Saibling mit gelber Rübe, Pollen & Rahm kommt zunächst das rohe Produkt auf den Tisch – und wird dort auch gegart! Man übergießt ihn mit 90 Grad heißem Bienenwachs und lässt die Filets darin garziehen. Anschließend wandert der Rahmen mit dem inzwischen ausgehärteten Wachs auf dem Silikon-Boden zurück in die Küche, der Fisch wird dort vorsichtig entnommen und angerichtet (das rare Bienenwachs wird übrigens stets wieder geklärt und ca. 30-40 Mal verwendet).
Die spektakuläre Präsentation bei Tisch wäre natürlich nichts, wenn das fertige Gericht nicht ebenbürtig schmecken würde – aber das tut es: das insgesamt feinfruchtige, leicht süßliche und wunderbar süffige Geschmacksbild aus Saibling und Rüben bekommt durch mit Cayenne und Limette gewürzten Sauerrahm sowie “Caviar-Pollen“ mit Quitten-Essig einen notwendigen Säure-Konterpart. Am besten schmeckt es, wenn man sämtliche Komponenten zusammen auf die Gabel nimmt. Genau so gehen wir nach Herzenslust vor – und vergessen vor lauter Gier, den Teller zu fotografieren. Allein das will etwas heißen…
Bei den Steinpilzen mit Meeres-Kopfsalat & marinierter Gänseleber handelt es sich um ein reduziertes, aber umso pointierteres Gänseleber-Gericht, das ähnlich einer aktuellen Version von Christian Bau die Foie Gras in einen dezent asiatischen Kontext stellt. Der häufig allzu süße Charakter von Gänselebergerichten wird hier durch die Verwendung von Steinpilzen, Algen und nussigen Aromen in einen würzigen Umami-Ansatz verwandelt. Damit gewinnt Reitbauer der altbekannten Foie ganz neue Seiten ab – überaus gelungen, nur etwas mehr hätte es sein dürfen…
Weit weniger komplex leider der Zuckermais mit rosa Bianca Melanzanie, Polenta, Hanf & Vogelmiere. Das Kärtchen zum Gang verrät zwar, wie aufwändig hier gearbeitet wurde, doch leider macht sich am Gaumen vor allem der süße Mais bemerkbar, der alles andere fast völlig überlagert. Das schmeckt nicht schlecht, nur eben recht eindimensional. Schade.
Hochfein die Flusskrebse mit Pastinaken-Milchrahmstrudel & Limetten. Das Eigenaroma der lauwarmen Krebse kommt durch das Marinieren im eigenen Fond sehr schön zur Geltung und wird insbesondere durch die Limette noch weiter nach vorne gebracht. Der Milchrahmstrudel bringt etwas "Biss" und leichte Süße ins Spiel, muss aber dezent portioniert werden, um die Krebse nicht in den Hintergrund zu drängen. Ein Gericht, das im positiven Sinne gefällig ist.
Mit den Gegrillten Lauchherzen mit Eierschwammerl, Pflaumen, Amaranth & Senfkohl wird es noch einmal vegetarisch und liefert erneut ein spannendes Resultat: Lauch und Pflaumen gewinnen durch das Grillen über Holzkohle an aromatischer Dichte, der Amaranth steuert Textur und der marinierte Senfkohl als "natürlicher Geschmacksverstärker" Würze und Säure bei. Dass die kleinen Pfifferlinge in dieser Geschmackstiefe beinahe untergehen, fällt nicht weiter ins Gewicht – das Gericht schmeckt ausgewogen und komplex.
Nicht weniger spannend der Waller mit Moschuskürbis, Saturn-Pfirsich und Malabar Spinat. Vor allem der Akkord aus sanft-würzigem Waller und Pfirsich gefällt uns gut, Pinienkerne und Süßkartoffel greifen Süße und Nussigkeit der Hauptkomponenten auf und verhelfen dem puren Wohlgeschmack zu weiterer Aromentiefe. Nur der Spinat geht doch arg unter und müsste für unseren Geschmack wesentlich stärker portioniert werden, um gegen die kräftigen Komponenten auf dem Tellerbestehen zu können. Nur deshalb schrammt dieser Gang haarscharf an der Götterspeise vorbei.
Mit einer solchen startet dann aber der "fleischige" Abschnitt des Menüs...
...Rehherz mit Purple-Haze-Karotte, Radieschen & Schwarznessel versetzt uns auf Anhieb in Begeisterung, nicht nur wegen des ungewöhnlichen Produkts, sondern vor allem wegen des Geschmacks: das confierte Herz butterzart und von milden Wiladroma, dazu ein sanft unterstreichender Fond sowie feinherb aromatisierte Karotte und ganz dezent fruchtig aromatisierte (durch den roten Kampot-Pfeffer) Radieschen. Alles gleichwohl nur Beigaben, die das Herz als Star des Tellers rahmen. Sensationell.
Bei den Fleischgängen jagte ein Highlight das Nächste, denn weiter geht es mit Gebratener Taube mit Petersilie, Amaranth, Hirse & Sesam. Hier steht ganz klar die Brust der im Ganzen gebratenen Taube mit knuspriger Hirse im Zentrum. Ein mit Taubenklein, Gänseleber & Champignon gefüllter Butterteig kommt zwar als echte Aromabombe daher und hätte in einem anderen Kontext allem anderen die Schau gestohlen, hier aber kann er es mit dem schieren Wohlgeschmack des puren Taubenfleischs nicht aufnehmen.
Als finaler Fleischgang erreicht uns die leicht geräucherte, gegrillte Kalbsleber mit Süßholz, Trauben und Rettich. Hier läuft es genau umgekehrt zur Taube: Der Klassiker Leber/Trauben bekommt hier durch eine gebackende Beigabe, nämlich ein gebratenes "Erdäpfel-Rettich-Kipferl" mit gerösteten Haselnüssen, Kerbel, Petersilie und Estragon den nötigen Kick. Exzellent.
Nach diesem Feuerwerk an Aromen und Kombinationen sind wir trotz einsetzender Sättigung sehr gespannt auf den süßen Abschnitt des Menüs...
Das Pré-Dessert besteht aus Johannisbeer-Schnee mit gebeizter Wassermelone & Pomelo – und ist schlichtweg grandios! Die Frische und Leichtigkeit der Melone mit der geschmacklichen Dichte schwarzer Johannisbeeren und der Süße der Pomelo zu kombinieren erweist sich als Geniestreich. Ein köstlicher Muntermacher...
... dem mit Himbeeren mit Pandan, weißer Schokolade & Kokos ein weiterer Knaller folgt. Pandan (hier im warmen Boden und dem Eis verarbeitet), so lehrt uns das Begleitkärtchen, nennt man die Blätter der Schraubenpalme. Deren intensives, leicht nussiges Aroma ergibt mit den gefüllten Himbeeren und dem marinierten Eiskraut einen klassischen Akkord, der dennoch ungewöhnlich schmeckt: Die Kombi aus Frucht, Pandan/Vanille und Kokos ist spannend-exotisch und wohlig-vertraut zugleich. Für uns ein seltenes Götterdessert.
Da hat es das letzte Dessert natürlich schwer...
... aber Mispeln, Veilchen & Frittaten schlagen sich glänzend: knusprige Frittaten, mit einer Mispel-Veilchen-Marmelade sowie gemahlenen kandierten Veilchen gefüllt und ähnlich einem Strudel serviert, begeistert uns durch einen üppigen, fruchtig-süßen Geschmack. Der dazu gereichte "Salat" aus Erdbeerminze, Zitronenverbene und Veilchenblüten nimmt dem Gebäckstück die Schwere, das hervorragende Mispelkern-Eis steuert Frische und Cremigkeit bei.
An dieser Stelle folgt der zweite Auftritt des "Herren der Kräuter (und Brote)" Andreas Djordjevic, der uns nun eine große Variation von Kräutern zur Verwendung in frisch aufgebrühten Tees vorstellt. Vor dem Menu begeisterte er uns bereits mit einer der größten und reizvollsten Brotauswahlen, die wir jemals erlebt haben. Und obwohl wir normalerweise auf Backwaren zum Dinner gut verzichten können, fanden wir unter den kredenzten Sorten diesmal sogar eine Götterspeise: das hausgemachte "Plunzn"- oder auch Blutwurst-Brot.
Wir haben es Eingangs bereits beschrieben: ein Essen im Steirereck ist ein Gesmterlebnis das seinesgleichen sucht und vielleicht am ehesten mit unseren Besuchen im Alinea 2007 und 2008 vergleichbar ist – hier wie da stellte sich bei uns eine Glückseligkeit ein, die noch für Stunden anhalten sollte.
Fazit: Im Lauf eines Jahres besuchen wir viele tolle Restaurants, genießen eine Menge exzellenter Menüs und werden von beeindruckenden Service-Brigaden umsorgt – all das wurde uns auch im Steirereck zuteil, ergänzt um jenes unbeschreibliche Quentchen Glück, das diesen Besuch sehr weit oben in unsere ewige Bestenliste eingehen lässt.
wir waren vor einer Weile bei Heinz Reitbauer jr. Essen – und es war grandios!
Hier der Bericht, wegen des großen Umfangs um ein paar Absätze gekürzt. Ich denke, die "Message" kommt auch so rüber...
Den ganzen Text und Fotos gibt es wie immer unter sternefresser.de
Viel Spaß und Grüße
b.
Mit Spitzenrestaurants verhält es sich in mancher Hinsicht wie mit Musikformationen: es gibt jene, da wurden von einem finanzkräftigen "Producer" keine Mühen und Kosten gescheut, um eine talentierte Truppe zusammenzustellen, die dann oftmals auch eine exzellente Perfomance hinlegt und das Publikum zu begeistern weiß. Und dann gibt es jene, die sind im Laufe vieler Jahre oder gar Jahrzehnte gewachsen und gereift und haben sich ihren Spitzenstatus ganz allmählich erarbeitet.
Wir möchten hier gar nicht das Eine gegen das Andere ausspielen, aber mehr Flair hat – in der Musik wie auch in der Kulinarik – zweifellos die zweite Variante. Zum Beispiel das Steirereck in Wien. Heinz Reitbauer senior und seine Frau Margarete haben es einst gegründet und nach ihren Vorstellungen geführt: als Gourmetrestaurant, bei dem auch der so genannte Normalbürger keine Berührungsängste haben musste. Der bodenständig wirkende Name und ein günstiges Mittagsmenü unterstrichen den Gedanken, die gehobene Küche gewissermaßen zu "demokratisieren". Damals befand sich das Restaurant noch etwas abseits, in der Nähe des grünen Praters. 2005 zog das Steirereck dann in das elegante Gebäude (vormals eine Milchtrinkhalle) im gediegenen Wiener Stadtpark.
Dieser Standortechsel war ein Glücksfall für das Restaurant, passen Umgebung, Architektur und Interieur doch geradezu perfekt zu der zwischen Tradition und Moderne oszillierenden Küche von Heinz Reitbauer junior, der die Geschicke im Laufe der Jahre schrittweise von seinem Vater übernahm.
Ein Besuch im Steirereck, soviel können wir vorwegschicken, ist ein Gesamterlebnis. Das beginnt mit der grandiosen Lage, dem Entrée und der herzlichen Begrüßung durch Birgit Reitbauer, eine Gastgeberin, die an Charme, Witz und Eleganz ihresgleichen sucht. Es setzt sich fort im großzügigen Speisesaal, dessen dezente, geschmackvolle Einrichtung eine seltene Klasse hat, dabei aber keineswegs jene Art weihevoller Aura verströmt, die einen sich in manchen Restaurants unwohl fühlen lässt. Und es findet natürlich seinen Höhepunkt in den köstlichen Kreationen der Reitbauer-Küche, die wiederum von einer ansteckend gut gelaunten und humorvollen Servicecrew aufgetragen werden.
Eine weitere Besonderheit des Hauses besteht in den kleinen "Steckbriefen" die zu jedem Gericht auf den Tisch gestellt und in Stichworten über Zutaten und Zubereitungen informieren. Dies ist grundsätzlich sehr schön und hilfreich, nur fragen wir uns, ob es nicht sinnvoller wäre, sie nach oder während des jeweiligen Gangs einzusetzen – denn vorweg gereicht, verraten sie schon sehr viel und nehmen unter Umständen Spannung und Überraschung. In jedem Fall erfreut sich diese Idee der Reitbauers inzwischen auch über Österreichs Grenzen hinweg großer Beliebtheit. Wir haben seit unserem Besuch im Steirereck bereits viermal fast identische Kärtchen vor uns auf den Tischen gesehen.
Das Menü startet fast vegetarisch mit eingelegter Salzgurke mit Mönchsbart, Senf und Kapern. Der würzigen, knackigen Gurke wird durch eine leicht gelierte Rindersuppe eine dezente Umami-Note zur Seite gestellt: in Verbindung mit dem pfeffrigen Senf-Rahm und dem leicht erdigen Mönchsbart entsteht ein sehr vollmundiges Geschmacksbild, das vielleicht einen Tick zu säurelastig ausfällt. Dennoch ist es für uns ein abwechslungsreicher und spannender Auftakt.
Der lauwarme Artischockensalat mit Kräutern ist dann makellos: ein vollkommenes vegetarisches Gericht. Die Zusammenstellung mutet simpel an, besteht das Ganze doch lediglich aus 3x Artischocken (in Würzsud gekocht; mit Thymian geröstet; als Nage) mit einem kleinen Salat aus Kräutern Blüten – aber gerade die Feinheit der aromatischen Abstufungen macht dieses Gericht trotz seiner Mildheit so spannend.
Mit dem ersten Fischgang folgt eine veritable Götterspeise: Beim Mariazeller Saibling mit gelber Rübe, Pollen & Rahm kommt zunächst das rohe Produkt auf den Tisch – und wird dort auch gegart! Man übergießt ihn mit 90 Grad heißem Bienenwachs und lässt die Filets darin garziehen. Anschließend wandert der Rahmen mit dem inzwischen ausgehärteten Wachs auf dem Silikon-Boden zurück in die Küche, der Fisch wird dort vorsichtig entnommen und angerichtet (das rare Bienenwachs wird übrigens stets wieder geklärt und ca. 30-40 Mal verwendet).
Die spektakuläre Präsentation bei Tisch wäre natürlich nichts, wenn das fertige Gericht nicht ebenbürtig schmecken würde – aber das tut es: das insgesamt feinfruchtige, leicht süßliche und wunderbar süffige Geschmacksbild aus Saibling und Rüben bekommt durch mit Cayenne und Limette gewürzten Sauerrahm sowie “Caviar-Pollen“ mit Quitten-Essig einen notwendigen Säure-Konterpart. Am besten schmeckt es, wenn man sämtliche Komponenten zusammen auf die Gabel nimmt. Genau so gehen wir nach Herzenslust vor – und vergessen vor lauter Gier, den Teller zu fotografieren. Allein das will etwas heißen…
Bei den Steinpilzen mit Meeres-Kopfsalat & marinierter Gänseleber handelt es sich um ein reduziertes, aber umso pointierteres Gänseleber-Gericht, das ähnlich einer aktuellen Version von Christian Bau die Foie Gras in einen dezent asiatischen Kontext stellt. Der häufig allzu süße Charakter von Gänselebergerichten wird hier durch die Verwendung von Steinpilzen, Algen und nussigen Aromen in einen würzigen Umami-Ansatz verwandelt. Damit gewinnt Reitbauer der altbekannten Foie ganz neue Seiten ab – überaus gelungen, nur etwas mehr hätte es sein dürfen…
Weit weniger komplex leider der Zuckermais mit rosa Bianca Melanzanie, Polenta, Hanf & Vogelmiere. Das Kärtchen zum Gang verrät zwar, wie aufwändig hier gearbeitet wurde, doch leider macht sich am Gaumen vor allem der süße Mais bemerkbar, der alles andere fast völlig überlagert. Das schmeckt nicht schlecht, nur eben recht eindimensional. Schade.
Hochfein die Flusskrebse mit Pastinaken-Milchrahmstrudel & Limetten. Das Eigenaroma der lauwarmen Krebse kommt durch das Marinieren im eigenen Fond sehr schön zur Geltung und wird insbesondere durch die Limette noch weiter nach vorne gebracht. Der Milchrahmstrudel bringt etwas "Biss" und leichte Süße ins Spiel, muss aber dezent portioniert werden, um die Krebse nicht in den Hintergrund zu drängen. Ein Gericht, das im positiven Sinne gefällig ist.
Mit den Gegrillten Lauchherzen mit Eierschwammerl, Pflaumen, Amaranth & Senfkohl wird es noch einmal vegetarisch und liefert erneut ein spannendes Resultat: Lauch und Pflaumen gewinnen durch das Grillen über Holzkohle an aromatischer Dichte, der Amaranth steuert Textur und der marinierte Senfkohl als "natürlicher Geschmacksverstärker" Würze und Säure bei. Dass die kleinen Pfifferlinge in dieser Geschmackstiefe beinahe untergehen, fällt nicht weiter ins Gewicht – das Gericht schmeckt ausgewogen und komplex.
Nicht weniger spannend der Waller mit Moschuskürbis, Saturn-Pfirsich und Malabar Spinat. Vor allem der Akkord aus sanft-würzigem Waller und Pfirsich gefällt uns gut, Pinienkerne und Süßkartoffel greifen Süße und Nussigkeit der Hauptkomponenten auf und verhelfen dem puren Wohlgeschmack zu weiterer Aromentiefe. Nur der Spinat geht doch arg unter und müsste für unseren Geschmack wesentlich stärker portioniert werden, um gegen die kräftigen Komponenten auf dem Tellerbestehen zu können. Nur deshalb schrammt dieser Gang haarscharf an der Götterspeise vorbei.
Mit einer solchen startet dann aber der "fleischige" Abschnitt des Menüs...
...Rehherz mit Purple-Haze-Karotte, Radieschen & Schwarznessel versetzt uns auf Anhieb in Begeisterung, nicht nur wegen des ungewöhnlichen Produkts, sondern vor allem wegen des Geschmacks: das confierte Herz butterzart und von milden Wiladroma, dazu ein sanft unterstreichender Fond sowie feinherb aromatisierte Karotte und ganz dezent fruchtig aromatisierte (durch den roten Kampot-Pfeffer) Radieschen. Alles gleichwohl nur Beigaben, die das Herz als Star des Tellers rahmen. Sensationell.
Bei den Fleischgängen jagte ein Highlight das Nächste, denn weiter geht es mit Gebratener Taube mit Petersilie, Amaranth, Hirse & Sesam. Hier steht ganz klar die Brust der im Ganzen gebratenen Taube mit knuspriger Hirse im Zentrum. Ein mit Taubenklein, Gänseleber & Champignon gefüllter Butterteig kommt zwar als echte Aromabombe daher und hätte in einem anderen Kontext allem anderen die Schau gestohlen, hier aber kann er es mit dem schieren Wohlgeschmack des puren Taubenfleischs nicht aufnehmen.
Als finaler Fleischgang erreicht uns die leicht geräucherte, gegrillte Kalbsleber mit Süßholz, Trauben und Rettich. Hier läuft es genau umgekehrt zur Taube: Der Klassiker Leber/Trauben bekommt hier durch eine gebackende Beigabe, nämlich ein gebratenes "Erdäpfel-Rettich-Kipferl" mit gerösteten Haselnüssen, Kerbel, Petersilie und Estragon den nötigen Kick. Exzellent.
Nach diesem Feuerwerk an Aromen und Kombinationen sind wir trotz einsetzender Sättigung sehr gespannt auf den süßen Abschnitt des Menüs...
Das Pré-Dessert besteht aus Johannisbeer-Schnee mit gebeizter Wassermelone & Pomelo – und ist schlichtweg grandios! Die Frische und Leichtigkeit der Melone mit der geschmacklichen Dichte schwarzer Johannisbeeren und der Süße der Pomelo zu kombinieren erweist sich als Geniestreich. Ein köstlicher Muntermacher...
... dem mit Himbeeren mit Pandan, weißer Schokolade & Kokos ein weiterer Knaller folgt. Pandan (hier im warmen Boden und dem Eis verarbeitet), so lehrt uns das Begleitkärtchen, nennt man die Blätter der Schraubenpalme. Deren intensives, leicht nussiges Aroma ergibt mit den gefüllten Himbeeren und dem marinierten Eiskraut einen klassischen Akkord, der dennoch ungewöhnlich schmeckt: Die Kombi aus Frucht, Pandan/Vanille und Kokos ist spannend-exotisch und wohlig-vertraut zugleich. Für uns ein seltenes Götterdessert.
Da hat es das letzte Dessert natürlich schwer...
... aber Mispeln, Veilchen & Frittaten schlagen sich glänzend: knusprige Frittaten, mit einer Mispel-Veilchen-Marmelade sowie gemahlenen kandierten Veilchen gefüllt und ähnlich einem Strudel serviert, begeistert uns durch einen üppigen, fruchtig-süßen Geschmack. Der dazu gereichte "Salat" aus Erdbeerminze, Zitronenverbene und Veilchenblüten nimmt dem Gebäckstück die Schwere, das hervorragende Mispelkern-Eis steuert Frische und Cremigkeit bei.
An dieser Stelle folgt der zweite Auftritt des "Herren der Kräuter (und Brote)" Andreas Djordjevic, der uns nun eine große Variation von Kräutern zur Verwendung in frisch aufgebrühten Tees vorstellt. Vor dem Menu begeisterte er uns bereits mit einer der größten und reizvollsten Brotauswahlen, die wir jemals erlebt haben. Und obwohl wir normalerweise auf Backwaren zum Dinner gut verzichten können, fanden wir unter den kredenzten Sorten diesmal sogar eine Götterspeise: das hausgemachte "Plunzn"- oder auch Blutwurst-Brot.
Wir haben es Eingangs bereits beschrieben: ein Essen im Steirereck ist ein Gesmterlebnis das seinesgleichen sucht und vielleicht am ehesten mit unseren Besuchen im Alinea 2007 und 2008 vergleichbar ist – hier wie da stellte sich bei uns eine Glückseligkeit ein, die noch für Stunden anhalten sollte.
Fazit: Im Lauf eines Jahres besuchen wir viele tolle Restaurants, genießen eine Menge exzellenter Menüs und werden von beeindruckenden Service-Brigaden umsorgt – all das wurde uns auch im Steirereck zuteil, ergänzt um jenes unbeschreibliche Quentchen Glück, das diesen Besuch sehr weit oben in unsere ewige Bestenliste eingehen lässt.
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