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Konstantin Filippou*, Wien

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  • Konstantin Filippou*, Wien

    Wenn außerhalb von Österreich über Restaurants in Wien gesprochen wird, sind es im wesentlichen immer die gleichen Namen, die dabei fallen: Steirereck natürlich, Palais Coburg, vielleicht auch das Tian aufgrund seines Status als einziges besterntes vegetarisches Restaurant. Amador nicht zu vergessen, weil sich mit einem Dreisternekoch die Hoffnungen auf höchste Weihen in der Donaumetropole am ehesten verbinden.

    Über Konstantin Filippou, gebürtiger Grazer, Sohn eines griechischen Vaters und einer österreichischen Mutter, hingegen spricht man so gut wie nicht. Dabei ist sein Restaurant nicht nur mit einem Stern ausgezeichnet, sondern aktuell auch mit 18 Punkten im Gault Millau und 98 Punkten im à la Carte-Guide. Damit gehört Filippou nicht nur zur Wiener Spitze, sondern auch zur bundesweiten Top-Liga.

    Stationen in seiner Biografie weisen so illustre Namen wie die Obauers, das Steirereck, Gordon Ramsey und die Arzaks auf. Er gilt als Produktfetischist und Avantgardist, der beide Welten seiner Herkunft auf den Teller bringt. Gründe genug also, seine Küche kennenzulernen.

    Zugegeben kann ein Lunch bei ihm nur einen ersten Eindruck vermitteln, denn das Restaurant bietet einen täglich wechselnden Business-Lunch an, wahlweise zwei Gänge für 26 Euro bzw. 3 Gänge für 37 Euro sowie ein Wochendessert für 9 Euro. Das sind extrem günstige Preise – und um es vorweg zu nehmen, für das Gebotene ein veritabler Glücksgriff - auch wenn klar ist, dass abends natürlich andere Tarife aufgerufen werden und das Menü mit hochwertigeren Zutaten punktet.

    Aber auch mittags schickt Konstantin Filippou gleich drei Grüße vorweg. Zunächst ein Zweierlei von der Ente, eine gebackene Entenconfit-Praline, perfekt kross und würzig sowie eine Foie Gras-Praline mit Roter Bete und schwarzer Johannisbeere. Letzere punktet mit vielschichtigen Aromen zwischen süß, säuerlich und erdig.


    Amuse Bouche: Gebackene Entenconfit-Praline


    Amuse Bouche: Foie Gras, Rote Rübe, Johannisbeere

    Es folgt fabelhaftes Ciabatta-artiges, saftiges Brot mit Röstzwiebelbutter und als nächster Gruß ein Tartelette mit einer Röstzwiebelcreme. Ein köstlicher, süffiger Happen.


    Tartelette mit Röstzwiebelcreme

    Abschließender Gruß ist ein optisch faszinierend präsentierter Gang aus gelben Rüben, unter denen sich kleine Muscheln in einem jodigen, gehaltvollen Sud befinden. Sieht nicht nur gut aus, schmeckt auch ausgezeichnet.


    Muscheln mit eingelegten gelben Rüben

    Als der Service die erste Vorspeise serviert, glauben wir zunächst an einen Fehler, denn statt des erwarteten Tatars schickt die Küche einen Signature Dish aus dem Abendmenü, die Brandade vom Black Cod mit Grüll-Kaviar. Wir sind zwar irritiert, nehmen das Geschenk aber gerne an, nachdem uns versichert wird, dass dies schon seine Richtigkeit habe.
    Was in dem becherförmigen Gefäss unscheinbar aussieht, entpuppt sich als ungemein süffige, leichte Creme, die nichts von der sonst häufigen Stockfischpenetranz hat, sondern hochfein und elegant fischige Aromen mit dem exzellenten Kaviar des einzigen österreichischen Störkaviar-Produzenten Walter Grüll kombiniert. Ein Gang, bei dem man sich wünscht, dass das Löffeln kein Ende nehmen möge.


    Brandade. Black Cod. Grüll Kaviar.

    Der erste offizielle Gang des Business-Lunchs ist dann fein geschnittenes Rindertatar mit Champignons in diversen Texturen (roh, getrocknet, als Duxelles) und einer angegossenen Dashi. Das ist ausgezeichnet abgeschmeckt, klug kombiniert und bietet texturell viel Abwechslung.


    Rindertatar. Dashi. Champignon.

    Die Küche schickt einen weiteren Gang außerhalb des Menüs. Auf Rückfrage, warum wir in den Genuss dieser Extragänge kommen, meint der Service nur: „..damit Sie mehr probieren können...“. Nun denn.
    Ohne Frage allerdings bekommen wir, erneut in überzeugender Präsentation auf ausgemacht schönem Geschirr, ein Prachtexemplar eines Langostino oder eines Kaisergranats. So genau kann ich die nicht unterscheiden. In jedem Fall aber ist das Krustentier begleitet von einem geschmacksintensiven Ragout von Kalbszunge und Cochayuyo, einer festen Algenart. Erneut eine Kombination, die ungewöhnlich, aber dennoch leicht zugänglich ist und auf die die Attribute süffig und köstlich am besten zutreffen.


    Norwegischer Langostino. Kalbszunge. Cochayuyo. Zitrus.

    Im Menü geht es regulär weiter mit einem Hummerraviolo in einer Krustentierbisque mit verschiedenen Linsen. Der Nudelteig ist mir persönlich etwas zu dick, aber die Kombination geht natürlich sehr gut auf.


    Hummerraviolo. Krustentier. Linsen.

    Im Hauptgang gibt es an diesem Freitag Rehragout mit Grießknödeln und Kohl. Was sich an einem Frühsommertag, an dem man draußen isst, recht deftig liest, kommt überraschend fein an den Tisch. Denn das Fleisch ist sehr zart, offensichtlich separat gebraten, denn teilweise noch rosa, die Mini-Knödel sind fein mit Kürbiskernen abgeschmeckt und der Kohl kommt nur ganz dezent in Form einiger Rosenkohlblätter. Die Sauce trotzdem intensiv, wie sie nur nach langem Schmoren sein kann. Insgesamt ist dies deutlich eleganter als erwartet und ein Paradebeispiel für einen im besten Sinne bürgerlichen Gang, der ganz auf der Höhe der Zeit ist.


    Rehragout. Griesknödel. Kohl.

    Als Dessert gibt es in dieser Woche knusprigen Topfen, in diesem Fall also paniert und ausgebraten mit Vanilleeis, Rhababerragout und frischen Beeren. Das ist solide und gut ausgeführt. Man muss sich immer wieder vergegenwärtigen, dass das Dessert im Business Lunch 9 Euro kostet. Dafür ist es aller Ehren wert und man würde sich wünschen, dass andere Restaurants so etwas auch im regulären Menü entsprechend hinbekommen. Im Gesamtkontext dessen, was wir heute probieren durften, ist dies indes relativ konventionell und fällt ein wenig ab.


    Knuspriger Topfen. Vanille. Rhabarber.

    Es folgen noch einige handwerklich kunstvolle Petits Fours, die auch überraschend schmecken. Details habe ich mir allerdings nicht merken können.

    Dies war ein sehr überraschender Lunch. Ziehen wir die Extragänge ab, bleibt ein Mittagsmenü auf hohem Niveau zu mehr als attraktivem Preis. Schön, dass sich das Restaurant „Konstantin Filippou“ hier in eine Gruppe von hochklassigen Restaurants in Wien einreiht, die zum Mittag ein preiswertes, aber anspruchsvolles Menü anbieten.

    Dass wir unerwartet in den Genuss zweier Extragänge aus dem großen Degustationsmenü gekommen sind, hat uns die Möglichkeit gegeben, auch den elaborierteren Stil kennenzulernen. Dieser macht ebenfalls großes Vergnügen. Allen Gängen gemeinsam ist eine große Zugänglichkeit und eine bestechende Präsentation. An dieser Stelle muss das wunderschöne Geschirr erwähnt werden. Es bietet eine perfekte Bühne für die oft puristische, aber effektvolle Anrichteweise.

    Der Service agiert zwischen ausgesprochen herzlich bis zu leicht distanziert. Die Herren dürfen sich hier gerne bei den Damen etwas Lockerheit abschauen.

    Zum Konzept des Hauses gehört eine Weinkarte, die überwiegend mit biologischen, Natur- und Orangeweinen bestückt ist. Wer, wie wir, hiermit etwas Schwierigkeiten hat, dem sei dringend der Dialog mit dem Sommelier empfohlen, der zielsicher einen passenden Wein findet. Wir waren mit unserem Furmint vom Weingut Rosi Schuster vom Neusiedler See jedenfalls sehr zufrieden.

    Spätestens nach diesem Besuch, und nicht nur aufgrund der Extras, ist das Restaurant „Konstantin Filippou“ auch in unserem Wiener Radar fest verankert. Neben der formidablen Ästhetik der Gänge überzeugt die Küche vor allem mit Geschmack. Und der ist, Avantgarde hin oder her, nicht intellektuell verbrämt oder anstrengend, sondern ganz direkt und auf das Herz zielend.


    Bericht und sämtliche Bilder wie immer auch auf http://tischnotizen.de/konstantin-filippou-wien/
    Angehängte Dateien
    Zuletzt geändert von QWERTZ; 06.08.2017, 16:34.

  • #2
    sehr guter Bericht, der auch unseren Eindruck wiederspiegelt. "Frechheit" sind die zwei Extragänge, wir mussten diese im normalen Menue , das bekommt man Mittags auch, leider bezahlen. Hätten wir das nur mal gewusst
    Wir hatten als Wein eine Flasche Chardonnay von Ochs gewählt, das war durchgehend eine gute Empfehlung.

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    • #3
      Danke fuer den tollen Bericht! Habe es leider noch inmer nicht dort hin geschaft, doch ist auf der Liste der To Do's gerade nach oben gerückt!

      Das mit den Extragaengen ist allerdings mehr als verblüffend (und scheint mir auch nicht In ein Wien übliches Unikum zu sein, und ich habe die Mehrheit meiner Lebensjahre dort verbracht) und als oekonomisch beim attraktiven Preis des Mittagsmenues fuer das Restaurant schwierig.. was koennte das Teamdort bewogen haben, so grosszuegig zu sein?

      Ein verblueffter Gruss,
      Kuechenreise

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      • #4
        Zitat von kuechenreise
        was koennte das Teamdort bewogen haben, so grosszuegig zu sein?
        Ich habe wirklich keine Ahnung und war ebenso verblüfft. Ich habe unter meinem normalen Namen online und ohne jeden Kommentar reserviert. Außer, dass man die Gäste womöglich vorab googelt oder bei Facebook recherchiert und dabei gesehen hat, dass ich mich ein wenig mit Essen beschäftige, habe ich mir nichts anderes zusammen reimen können. Dass die "tischnotizen" schon bis Wien bekannt sind, bezweifle ich doch stark... Und auch dann wäre es mir unangenehm gewesen.
        Zuletzt geändert von thomashaj; 17.06.2017, 00:25.

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        • #5
          Naja, wenn jemand fotographiert und sich evtl. Notizen macht, braucht keiner mehr googlen... Das mag allein schon gereicht haben.
          Oder thomashaj ist einfach ein netter Typ, könnte auch ein Grund sein.

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          • #6
            Wie auch immer, Hauptsache es hat geschmeckt!

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            • #7
              Keine Notizen gemacht, Fotos wie jeder Tourist nur mit dem iPhone. Vielleicht liegt's wirklich nur daran, dass ich wohl ein netter Typ bin...
              Und geschmeckt hat es auf jeden Fall!

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              • #8
                Leider liegt unser Besuch bei Filippou ein Jahr zurück, und ich habe mir keine Notizen gemacht. Aber ich kann Thomashaj nur zustimmen. Ein Besuch lohnt sich immer, wenngleich meistens nur von dem zweifellos fabelhaften Steirereck oder Palais Coburg berichtet wird. Bei Filippou habe ich die besten Möhren meines Lebens gegessen! Und ich bin wahrlich kein Vegetarier!

                Die Stimmung und Atmosphäre ist sehr ungezwungen. Der Sommelier empfiehlt gern Orange-Weine. Aber das ist nicht unser Ding. Er hat uns freundlicherweise kostenlos einen Schluck eines Weines gegeben, den er hervorragend fand. Und der bestätigte erneut, dass wir keine Fans von Orange-Weinen werden. Aber dafür kann der Mann ja nicht, die Geschmäcker sind eben unterschiedlich und die Weinkarte weist genügend Alternativen auf.

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                • #9
                  Der nun verliehene zweite Stern für Konstantin Filippou war schon "schmeckbar", als wir vergangenes Jahr dort zu Mittag aßen. Er hat ihn sich mit seinen aromenkonzentrierten und avantgardistisch anmutenden Gerichten, die m.E. eine Verwandtschaft zu Tristan Brandts Kreationen im "Opus V" aufweisen, vollauf verdient. Herzlichen Glückwunsch!

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                  • #10
                    Mein Besuch liegt zwar zwei Jahre zurück, aber ich fand damals auch, dass er deutlich an den zwei Sternen kratzt. Mein bestes Möhrengericht ever, dabei stehe ich nicht sonderlich auf rein vegetarische Gerichte und wenn dann nur im Steirereck. Ich fand auch die Atmosphäre in seinem Restaurant sehr angenehm. Ein sehr freundlicher Sommelier, der mich für Orange Weine begeistern wollte, was wohl sein Steckenpferd war. Er ließ uns zwei kostenlos probieren, sehr freundlich! Die haben mich dann darin bestätigt (wenn der Sommelier schon Orange-Fan ist), dass dieser Wein-Typus nicht zu mir passt.
                    Danke, lieber Tobler, für den Vergleich zum Opus V. Ich war bislang leider nur in seinem Zweit-Restaurant, was aber auch durchaus empfehlenswert ist.

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                    • #11
                      Über den Verführungsversuch zum Orange-Wein, den der Sommelier bei uns ebenfalls vollzog, haben wir uns seinerzeit fast ein bisschen amüsiert (selbstredend ohne dabei despektierlich aufzutreten). Ist aber auch nicht mein Fall.

                      Den Besuch im "Opus V" sollten Sie trotzdem unbedingt anstreben, lieber Gourmet89!

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                      • #12
                        Ein Sommelier darf das ja gern versuchen, ist sein Job. Als er unsere Abneigung bemerkte, spendierte er uns einen Probeschluck. Meine Frau kommentierte, was sie meistens kommentiert (Orange-Weine können ja auch anders schmecken, nach Apfelmost z.B.): Wenn mein Mann nach Jahren einen Weißwein im Keller wiederfindet, schmeckt er so, oxidiert! Diese Weine sind ein Marketing-Gag in meinen Augen, völlig überflüssig. Vielleicht manchmal zu gewissen Speisen passend. Aber ich trinke das Glas zwischen den Gängen gern weiter und das ist dann nicht lecker.

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                        • #13
                          Zitat von Gourmet89
                          Diese Weine sind ein Marketing-Gag in meinen Augen, völlig überflüssig. Vielleicht manchmal zu gewissen Speisen passend. Aber ich trinke das Glas zwischen den Gängen gern weiter und das ist dann nicht lecker.
                          So ist es. Und Marketing-Gags haben in der gehobenen Gastronomie nun wirklich nichts zu suchen.

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                          • #14
                            Zitat von Tobler

                            So ist es. Und Marketing-Gags haben in der gehobenen Gastronomie nun wirklich nichts zu suchen.
                            Man muss nicht alles mögen, und gerade bei Orange- und "Natur"-weinen gibt es (noch) reichlich Ausfälle. Ich muss solche Weine auch nicht dauernd haben. Aber diese oft sehr durchdachten und immer öfter auch schlichtweg schmackhaften Weine mal eben so als Marketinggag abzutun verrät dann doch mehr über einen selber als über diese Weine und ihre Winzer.

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                            • #15
                              Um den Exkurs zum Thema Organe Wine noch etwas voran zu treiben: auch für mich ist ein Glas zum passenden Gericht durchaus ok. Mehr brauche ich nicht. Aber ich glaube auch, dass wir Orange Wine i.d.R. noch nicht wirklich kennen. Ich habe mir vor einigen Jahren zwei Flaschen 09er Amphore von Peter Jakob Kühn gekauft, Die erste habe ca. 2013 getrunken und sie hatte diesen typischen Most- bzw. Nasser Tontopf-Ton den viele Weine dieser Machart haben. Die zweite Flasche habe ich vor einigen Monaten probiert und der Wein war sehr viel näher an einem konventionellen Wein, hatte aber noch mehr Komplexität und vertrug die Luft sehr gut. Die Schlussfolgerung für mich: so wie klassische Weine auch, müssen die Orange Weine mit der Reife ihre Qualität unter Beweis stellen.

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