2006 war’s, als wir zuletzt nach Sulzburg fuhren und dort einen durchaus erfreulichen Abend im „Hirschen“ verlebten. Damals stand noch Patron Hans-Paul Steiner als Küchenchef am Herd – und zum Zeitpunkt unseres Besuchs unter dem erschütterten Eindruck der ätzenden und vor allem unsachlichen Gault Millau-Kritik, die mich dazu veranlasste, Chefredakteur Kohnke einen Protestbrief zu schreiben. Doch auch von den zwei Michelin-Sternen ist seit 2009 nur noch einer übrig. Keine leichten Jahre für die Familie Steiner. Es stand der Umbruch an.
Mittlerweile hat Tochter Douce das Zepter vom Vater übernommen, der aber noch mitzumischen scheint. (Bleibt dahingestellt, inwiefern das auch dem Wechsel zuträglich ist...) Virtuos spielt sie auf der PR-Klaviatur mithilfe eigener Kochbücher oder Magazinbeiträge, doch ihre Medienpräsenz ist gut dosiert und damit weit entfernt von etwa der penetranten Allgegenwärtigkeit eines Johann Lafer.
In der Küche agiert sie zusammen mit Udo Weiler, ihrem Mann – ein in der kulinarischen Landschaft der Bundesrepublik ungewöhnliches Team. Wir, die Gattin und ich, wollten herausfinden, ob der Generationenwechsel geklappt hat und buchten einen Tisch plus Übernachtung. Besonders gespannt war ich persönlich auf zwei Dinge, die ich im Vorfeld als Kritikpunkte vernommen hatte: einmal den Service, angeblich öfter schlecht gelaunt, am Rande von ungehobelt oder auch eisig bzw. inkompetent. Überdies hörte und las man wiederholt, dass die Kompositionen der Gerichte nicht immer ganz überzeugend zu sein scheinen, obwohl Douce Steiner nach eigener Aussage darauf sowie auf eine stimmige Gangabfolge besonderen Wert legt. Leichter, also auch butterärmer soll es jedenfalls zugehen, seit sie die kulinarische Hauptverantwortung trägt. So galt es herauszufinden, ob ihre Kreationen es von der französischen Klassik in die Moderne geschafft haben. Hier nun das Ergebnis:
Bevor es noch ein recht erfreulicher Abend werden sollte, waren leider zwei größere Hürden zu nehmen. Hürde 1: der uns zugewiesene Katzentisch am Eingang, an dem man (schlecht) auf einer Bank sitzt und fortwährend die Spülmaschine aus der Küche hört. Anstandslos wurde immerhin unserem Wunsch nach einem anderen Tisch entsprochen, der uns dann auch sehr behagte.
Hürde 2, man muss es leider deutlich sagen: der unsouveräne, weil wenig kenntnisreiche bis konfuse Versuch einer Weinberatung durch die Patronne, Madame Steiner. Bei all ihrer Herzlichkeit und dem Bemühen, den Gast zu umgarnen, waren wir doch erschüttert, wie unvorbereitet sie schien – und vor allem darüber, dass man sich in diesem Haus keine ausgebildete Fachkraft auf diesem Gebiet leistet. So war der Gast selbst gefordert und orderte zu den ersten Gängen einen (im Übrigen grandiosen)
2003 Sauvignon blanc trocken vom Weingut Burkart
und zum Hauptgang einen
2000 Spätburgunder Selektion „S“ trocken vom Weingut Schlumberger
und zwar jeweils eine halbe Flasche. Ein glasweiser Ausschank, geschweige denn das Angebot korrespondierender Weine, ist im „Hirschen“ nicht vorgesehen. Umso saftiger sind die Preise in der –*wenigstens ordentlich sortierten – Weinkarte, gerade hinsichtlich der halben Flaschen. Beides möge sich noch ändern...
Wir wählten schließlich das große „Menu Douce“, auf das wir in Form zweier Amuse bouches eingestimmt wurden:
Sardine auf Paprikagelee und Avocadocreme
geschmacklich (für einen Einstieg fast zu) intensiv, zumal sehr „fischig“
sowie
Tranche vom Lachs mit Kräuterkruste und Salicornesalat
schon fast ein „richtiges“ Gericht, als Komposition harmonisch und als „Gag“ auf einem heißen Stein im Teller serviert, was aber auch sinnvoll war, denn so wurde der Lachs nur zart gegart.
Herrlich, der erste Gang, ein Paukenschlag:
Rosa gebratene Taubenbrust und Gänseleberröllchen mit Granatapfel, drei Pfeffer
Eine echte „Douce Steiner“-Kreation, die sie damit die Tradition herausragender Foie-Gras-Gerichte im „Hirschen“ aufs Köstlichste fortführt. Auf einen Granatapfelsoßenspiegel waren die Röllchen und die prima gegarte Taubenbrust gebettet, als Dreingabe lag ein weiteres Röllchen aus Brickteig, gefüllt mit köstlicher dunkler Gänsefarce, obenauf. Ein Gericht zum Zweimalbestellen (was wir dann doch unterließen...)!
Besonders gespannt war ich auf das der französischen Klassik entlehnte
Eigelb mit Sellerie und weißen Albatrüffeln
– und wurde ein wenig enttäuscht. Geschmacklich prägnant zwar die Trüffeln, die man schon durch die Haube wahrnehmen konnte (ja: man serviert im „Hirschen“ immer noch mit Haube!) und freundlich der grüne Schaum von Selleriekraut, der das Eigelb überdeckte, das schließlich brav zerfloss – langweilig aber der beinahe harte und geschmacklich kaum prägnante Selleriering, in den dieses Eigelb gebettet war. Eine auch in der Konsistenz stimmige Creme zum Beispiel hätte das Gericht zu einem wahren Schmackofatz machen können.
Mein Gericht des Abends war die
Seezunge und Garnele in einem Limonenfond mit Zitronengras, Topinambur
Eine optische Augenweide in Gelb und Grün, perfekte Garung (auf Fisch versteht sich Douce Steiner nun wahrlich!) und betörend auf Zunge und Gaumen. Das hat Spaß gemacht!
Rouget Barbet auf einem leichten Rotkohlfond mit einem Salpicon von Artischocke und Kapern
gab – zumindest was mich betrifft – ein wenig Anlass zur Irritation, denn der Rotkohlfond mit seiner Süße hätte meines Erachtens ein Wildgericht gebraucht. Ich ließ mich aber auf die Komposition ein und fand sie, nach Diskurs mit der Gattin als Fürsprecherin, schließlich immerhin interessant, nicht zuletzt als Versuch einer eher ungewöhnlichen Kreation.
Das
Kotelette vom Rebhuhn auf mariniertem Spitzkraut mit Trüffelsauce, Pommes Anna
war „heimlich“ mit einer Farce, die vorwiegend aus Totentrompeten bestand, gefüllt. Deren bittere Note gab diesem Gericht einen eigenen Charakter. Ansonsten: erneut unaufgeregte, aber handwerklich stimmige französische Klassik.
Für den
Rohmilchkäse vom Wagen „Affineur Bouton d ́Or“
war noch genügend Platz. Überhaupt können wir nun bestätigen, dass wir selten ein derart leichtes Menü genossen haben!
Den Gang
Unser kleines Près Dessert
habe ich leider vergessen (und meine Frau erinnert sich auch nicht mehr daran – möglicherweise bezeichnend?).
Das angenehm einfache
Erfrischende Dessert von Apfel, Birne und Quitte
d. h. Mousse von Apfel und Birne auf einem Quittenspiegel, erfreute mit Schlichtheit und Klarheit ohne Firlefanz und Teller-Ikebana.
Die
Friandises
gelten als Douce Steiners Visitenkarten. Das kann man so unterschreiben.
Fazit: das Menü werden wir als ein im Großen und Ganzen vergnügliches Erlebnis in Erinnerung behalten. Etwas weniger Zurückhaltung in der Würzung und eine noch genauere Konzeption im Einzelfall (siehe „Eigelb mit Sellerie...“) täte den Gerichten dieser ausgesprochen sympathischen Köchin jedoch gut.
Und der Service? Wir erlebten ihn – ausschließlich weiblich besetzt – als aufmerksam, flink und durchaus humorvoll. Mme Steiner dirigiert ihn entsprechend gut und sollte, wenn sie dies weiterhin tut, sich ausschließlich darauf konzentrieren, anstatt den Gast mit ihrer Art der „Weinberatung“ zu verärgern. Ein so traditionsreiches Haus wie der „Hirschen“ – und nicht zuletzt Tochter Douce und Schwiegersohn Udo, ein ebenfalls ungemein angenehmer Zeitgenosse – haben, zumal gemessen an ihrem qualitativen Anspruch, Besseres verdient. Wenn man in der Wirklichkeit der gehobenen Gastronomie ankommen und konkurrenzfähig bleiben will, müsste sich also auch hier etwas ändern. Entsprechend bessere Bewertungen, vor allem im GM, könnten winken.
Douce Steiner selbst ist weiter viel Erfolg zu wünschen – und nicht zuletzt Mut. Den braucht sie für die Weiterentwicklung ihres Stils und möglicherweise auch für eine noch stärkere Loslösung vom elterlichen Einfluss, von dem wir vermuten, dass er sie noch ein wenig bremst. Nun, wir werden weiterhin mit Interesse und Wohlwollen beobachten, was sich im „Hirschen“ tut.
Mittlerweile hat Tochter Douce das Zepter vom Vater übernommen, der aber noch mitzumischen scheint. (Bleibt dahingestellt, inwiefern das auch dem Wechsel zuträglich ist...) Virtuos spielt sie auf der PR-Klaviatur mithilfe eigener Kochbücher oder Magazinbeiträge, doch ihre Medienpräsenz ist gut dosiert und damit weit entfernt von etwa der penetranten Allgegenwärtigkeit eines Johann Lafer.
In der Küche agiert sie zusammen mit Udo Weiler, ihrem Mann – ein in der kulinarischen Landschaft der Bundesrepublik ungewöhnliches Team. Wir, die Gattin und ich, wollten herausfinden, ob der Generationenwechsel geklappt hat und buchten einen Tisch plus Übernachtung. Besonders gespannt war ich persönlich auf zwei Dinge, die ich im Vorfeld als Kritikpunkte vernommen hatte: einmal den Service, angeblich öfter schlecht gelaunt, am Rande von ungehobelt oder auch eisig bzw. inkompetent. Überdies hörte und las man wiederholt, dass die Kompositionen der Gerichte nicht immer ganz überzeugend zu sein scheinen, obwohl Douce Steiner nach eigener Aussage darauf sowie auf eine stimmige Gangabfolge besonderen Wert legt. Leichter, also auch butterärmer soll es jedenfalls zugehen, seit sie die kulinarische Hauptverantwortung trägt. So galt es herauszufinden, ob ihre Kreationen es von der französischen Klassik in die Moderne geschafft haben. Hier nun das Ergebnis:
Bevor es noch ein recht erfreulicher Abend werden sollte, waren leider zwei größere Hürden zu nehmen. Hürde 1: der uns zugewiesene Katzentisch am Eingang, an dem man (schlecht) auf einer Bank sitzt und fortwährend die Spülmaschine aus der Küche hört. Anstandslos wurde immerhin unserem Wunsch nach einem anderen Tisch entsprochen, der uns dann auch sehr behagte.
Hürde 2, man muss es leider deutlich sagen: der unsouveräne, weil wenig kenntnisreiche bis konfuse Versuch einer Weinberatung durch die Patronne, Madame Steiner. Bei all ihrer Herzlichkeit und dem Bemühen, den Gast zu umgarnen, waren wir doch erschüttert, wie unvorbereitet sie schien – und vor allem darüber, dass man sich in diesem Haus keine ausgebildete Fachkraft auf diesem Gebiet leistet. So war der Gast selbst gefordert und orderte zu den ersten Gängen einen (im Übrigen grandiosen)
2003 Sauvignon blanc trocken vom Weingut Burkart
und zum Hauptgang einen
2000 Spätburgunder Selektion „S“ trocken vom Weingut Schlumberger
und zwar jeweils eine halbe Flasche. Ein glasweiser Ausschank, geschweige denn das Angebot korrespondierender Weine, ist im „Hirschen“ nicht vorgesehen. Umso saftiger sind die Preise in der –*wenigstens ordentlich sortierten – Weinkarte, gerade hinsichtlich der halben Flaschen. Beides möge sich noch ändern...
Wir wählten schließlich das große „Menu Douce“, auf das wir in Form zweier Amuse bouches eingestimmt wurden:
Sardine auf Paprikagelee und Avocadocreme
geschmacklich (für einen Einstieg fast zu) intensiv, zumal sehr „fischig“
sowie
Tranche vom Lachs mit Kräuterkruste und Salicornesalat
schon fast ein „richtiges“ Gericht, als Komposition harmonisch und als „Gag“ auf einem heißen Stein im Teller serviert, was aber auch sinnvoll war, denn so wurde der Lachs nur zart gegart.
Herrlich, der erste Gang, ein Paukenschlag:
Rosa gebratene Taubenbrust und Gänseleberröllchen mit Granatapfel, drei Pfeffer
Eine echte „Douce Steiner“-Kreation, die sie damit die Tradition herausragender Foie-Gras-Gerichte im „Hirschen“ aufs Köstlichste fortführt. Auf einen Granatapfelsoßenspiegel waren die Röllchen und die prima gegarte Taubenbrust gebettet, als Dreingabe lag ein weiteres Röllchen aus Brickteig, gefüllt mit köstlicher dunkler Gänsefarce, obenauf. Ein Gericht zum Zweimalbestellen (was wir dann doch unterließen...)!
Besonders gespannt war ich auf das der französischen Klassik entlehnte
Eigelb mit Sellerie und weißen Albatrüffeln
– und wurde ein wenig enttäuscht. Geschmacklich prägnant zwar die Trüffeln, die man schon durch die Haube wahrnehmen konnte (ja: man serviert im „Hirschen“ immer noch mit Haube!) und freundlich der grüne Schaum von Selleriekraut, der das Eigelb überdeckte, das schließlich brav zerfloss – langweilig aber der beinahe harte und geschmacklich kaum prägnante Selleriering, in den dieses Eigelb gebettet war. Eine auch in der Konsistenz stimmige Creme zum Beispiel hätte das Gericht zu einem wahren Schmackofatz machen können.
Mein Gericht des Abends war die
Seezunge und Garnele in einem Limonenfond mit Zitronengras, Topinambur
Eine optische Augenweide in Gelb und Grün, perfekte Garung (auf Fisch versteht sich Douce Steiner nun wahrlich!) und betörend auf Zunge und Gaumen. Das hat Spaß gemacht!
Rouget Barbet auf einem leichten Rotkohlfond mit einem Salpicon von Artischocke und Kapern
gab – zumindest was mich betrifft – ein wenig Anlass zur Irritation, denn der Rotkohlfond mit seiner Süße hätte meines Erachtens ein Wildgericht gebraucht. Ich ließ mich aber auf die Komposition ein und fand sie, nach Diskurs mit der Gattin als Fürsprecherin, schließlich immerhin interessant, nicht zuletzt als Versuch einer eher ungewöhnlichen Kreation.
Das
Kotelette vom Rebhuhn auf mariniertem Spitzkraut mit Trüffelsauce, Pommes Anna
war „heimlich“ mit einer Farce, die vorwiegend aus Totentrompeten bestand, gefüllt. Deren bittere Note gab diesem Gericht einen eigenen Charakter. Ansonsten: erneut unaufgeregte, aber handwerklich stimmige französische Klassik.
Für den
Rohmilchkäse vom Wagen „Affineur Bouton d ́Or“
war noch genügend Platz. Überhaupt können wir nun bestätigen, dass wir selten ein derart leichtes Menü genossen haben!
Den Gang
Unser kleines Près Dessert
habe ich leider vergessen (und meine Frau erinnert sich auch nicht mehr daran – möglicherweise bezeichnend?).
Das angenehm einfache
Erfrischende Dessert von Apfel, Birne und Quitte
d. h. Mousse von Apfel und Birne auf einem Quittenspiegel, erfreute mit Schlichtheit und Klarheit ohne Firlefanz und Teller-Ikebana.
Die
Friandises
gelten als Douce Steiners Visitenkarten. Das kann man so unterschreiben.
Fazit: das Menü werden wir als ein im Großen und Ganzen vergnügliches Erlebnis in Erinnerung behalten. Etwas weniger Zurückhaltung in der Würzung und eine noch genauere Konzeption im Einzelfall (siehe „Eigelb mit Sellerie...“) täte den Gerichten dieser ausgesprochen sympathischen Köchin jedoch gut.
Und der Service? Wir erlebten ihn – ausschließlich weiblich besetzt – als aufmerksam, flink und durchaus humorvoll. Mme Steiner dirigiert ihn entsprechend gut und sollte, wenn sie dies weiterhin tut, sich ausschließlich darauf konzentrieren, anstatt den Gast mit ihrer Art der „Weinberatung“ zu verärgern. Ein so traditionsreiches Haus wie der „Hirschen“ – und nicht zuletzt Tochter Douce und Schwiegersohn Udo, ein ebenfalls ungemein angenehmer Zeitgenosse – haben, zumal gemessen an ihrem qualitativen Anspruch, Besseres verdient. Wenn man in der Wirklichkeit der gehobenen Gastronomie ankommen und konkurrenzfähig bleiben will, müsste sich also auch hier etwas ändern. Entsprechend bessere Bewertungen, vor allem im GM, könnten winken.
Douce Steiner selbst ist weiter viel Erfolg zu wünschen – und nicht zuletzt Mut. Den braucht sie für die Weiterentwicklung ihres Stils und möglicherweise auch für eine noch stärkere Loslösung vom elterlichen Einfluss, von dem wir vermuten, dass er sie noch ein wenig bremst. Nun, wir werden weiterhin mit Interesse und Wohlwollen beobachten, was sich im „Hirschen“ tut.
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