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Schwarzwaldstube und mehr...

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    Im Juni war es mal wieder an der Zeit, einen kleinen Abstecher nach Baiersbronn zu machen.
    Klar, dass der Weg zwangsläufig nach Tonbach führen musste.

    Harald Wohlfahrt und sein ausgezeichnetes Team muss ich an dieser Stelle nicht mehr vorstellen.
    Die Erwähnung von Spitzenbewertungen diverser Restaurantführer, Auszeichnungen und Belobigungen würden schnell den Rahmen sprengen.

    Nun gibt es in diesem Forum ja noch immer Zeitgenossen, die den Weg zur Schwarzwaldstube noch nicht gefunden haben.
    Gerade an diese möchte ich mich wenden. Ohne Übertreibung darf ich sagen, dass man als Gourmet einmal in seinem Leben in diesem
    Restaurant gewesen sein muss!
    Das ist jetzt keine Werbung, das ist schlicht meine Auffassung.

    Dabei darf man sich von kindlichen Aussagen einiger spaßgesteuerter „Essensfans“ über die Ausgestaltung des Restaurants
    oder deren „erdrückende“ Holzdecke nicht die Freude verderben lassen.

    Entscheidend ist nämlich etwas ganz anderes.
    Das Essen. Das Gesamtkonzept.
    Es ist schwer, in Deutschland Vergleichbares zu finden. Küchencrew, Service, insbesondere Restaurantleitung und Sommelier
    auf diesem hohen Niveau und über Jahre hinweg, suchen ihresgleichen. Sie glauben das nicht? Probieren sie es aus.

    In den von Ihnen so geschätzten Ranglisten nimmt Harald Wohlfahrt seit Jahren, oder soll ich sagen, seit es die Ranglisten gibt,
    einen Spitzenplatz ein.

    Mit Belustigung nahm ich vor einiger Zeit auch die Beiträge einiger Forumskollegen zur Kenntnis, die versucht haben,
    Newcomern zu erklären, welches Restaurants man zuerst aufsuchen sollte, oder besser noch, in welcher Reihenfolge man sich „hochessen“ sollte.

    Keine Bange. Um bei Harald Wohlfahrt am Tisch zu sitzen, muss man keine einschlägige Ausbildung durchlaufen haben und
    auch keine Bescheinigung über vorangegangene Besuche vorlegen. Dort erwarten sie keine „verkopften“ Menüs oder anderweitige Problemchen.

    Innerhalb weniger Tage habe ich zwei grandiose Menüs genießen dürfen und deren Beschreibungen nebst Fotos in meinem
    Blog veröffentlicht. Hinzu kommt ein kommentiertes Interview mit dem Küchenchef.
    Wenn Sie also Lust haben, besuchen Sie mich, wie gewohnt unter: www.bsteinmann-gourmet-unterwegs.de

    Bevor das Geschrei wieder losgeht, dass hier nichts zum Menü zu lesen ist, möchte ich das „Kleine Degustationsmenü“
    nachfolgend auszugsweise beschreiben.

    KG
    bst
    (tafkar-weil es bisschen danach klingt)

    __________________________________________________ __________________________________________________ _

    Zum Aperitif wurden die ersten Köstlichkeiten gereicht, verschiedene Schinken- und Olivensorten, kunstvoll angerichtet.

    Es folgte der für die Schwarzwaldstube typische viergeteilte Amuse-Gueule-Teller.
    Zunächst ein Oliven-Crissini, gefüllt mit Gazpachogelee, obenauf Olivenringe und junger Basilikum.
    Darunter: Getrocknete Tomatenringe (gelb und rot), begleitet von Balsamicoessig.
    Schön herausgearbeitet die feinen Basilikumnoten, Tomaten und vor allem der Geschmack der Oliven.
    Wir finden ferner ein Tomatenmus, Salat von rotem Zwiebellauch und getrocknete Tomate. Intensiv, schön cremig, harmonisch.
    Melonensorbet mit marokkanischem „Ras el Hanout“ versehen. Die komplizierte Gewürzmischung kann 25 oder mehr
    unterschiedliche Gewürze enthalten. Hinzu kam Zitronen-Thymian-Baiser, geräucherter Hüttenkäse, umringt von
    gepickelten Melonenkügelchen. Ein herrlich frischer Akzent, erstaunlich wie man Hüttenkäse präsentieren kann.
    Schließlich Karottenbisquit mit Zuckerschotenschaum, Octopussalat und einem Chili- und Frühlingslauch-Ring.
    Der erste Gang: Thunfischbauch mit Sternanis gebeizt auf Sepiasalat mit Gartengurke, Algenspitzen und Limonenmarinade mit Ahornsirup.

    Der Thunfischbauch, selbstverständlich von erlesener Qualität, wurde mit Sternanis gebeizt und bekam damit eine
    asiatische Note. Sternanis ist ein immergrüner Baum, der in Indien, Vietnam und Südchina seine Heimat hat.
    Geruch und Geschmack sind dem Doldenblütler Anis jedoch sehr ähnlich.

    Der milde Geschmack der Gurke sorgte für angenehme Frische, ebenso die Algenspitzen, welche noch eine zart salzige
    Note beisteuerten und einen Hauch von Meer vermittelten. Nori, ich glaube mich zu erinnern, dass Norialgen annonciert
    wurden, ist die wichtigste Algenart der japanischen Küche und in Deutschland, seit der Verbreitung von Sushi, hinreichend
    bekannt. Dazu Sepiasalat und schließlich die Limonenmarinade mit Ahornsirup, welche dem Ganzen einen leichten
    süß-säuerlichen Touch beimengte. Dadurch wurde das Aromenspiel verbreitert und zu einem einzigartigen Genuss.


    Danach eine konfierte Heilbuttschnitte und wilde Garnele, Makadamianüsse und Peperonis,
    feine Duftreiskrem unter Beigabe einer milden Thaicurrysauce.

    Der zur Familie der Schollen gehörende Fisch, ich hatte dies bereits in einem früheren Bericht ausgeführt,
    der ohnehin eine feine Struktur hat und über zartes Fleisch verfügt, zerging auf der Zunge. Die Idee,
    die Heilbuttschnitte mit Duftreiskrem und Thaicurrysauce zu begleiten, muss hier als genial herausgestellt werden.
    Die geschmackliche Schärfe der Sauce, angenehm mild auf die Wärmerezeptoren einwirkend, tanzte auf der Zungenspitze.
    Die, eigentlich müsste man es nicht mehr ausdrücklich erwähnen, ebenfalls perfekt gegarte Garnele, war überaus köstlich und ausdrucksstark inszeniert.

    Die kunstvollen Gemüseminiaturen sollen ebenso eine besondere Erwähnung finden.
    Dabei ist der Teller nicht überladen, nichts ist bloßes Beiwerk oder lediglich für den optischen Eindruck aufgeboten.
    Herrlicher Brokkoli, ein Karottensträuschen und kleine Pfifferlinge, die den regionalen Bezug herstellten,
    vollendeten ein aromatisch wie texturell herausragendes Gesamtgeschmacksbild.

    Gerne probiere ich die Komponenten einzeln, um den Geschmack des Produktes zu genießen. Das Zusammenspiel aller Komponenten jedoch,
    offenbart erst die Komplexität, ergibt etwas Neues, Unübertroffenes. Die außergewöhnliche Kreativität Harald Wohlfahrts kommt hier überdeutlich zutage.

    Scheiben vom Milchkalbsrücken mit kleinem gefüllten Gemüse an Baroloessigjus.

    Das nenne ich mal wirklich Verzicht auf vordergründige Effekte oder im Trend liegende Bezeichnungen. Understatement als Stilmittel?

    Wie nicht anders zu erwarten, ist das Fleisch von erlesener Qualität. Typisch, die feine Faserstruktur des hellen Fleischs.
    Selbstverständlich wurde der Garpunkt genau getroffen. Ansonsten hätte der Teller die Küche sicher nie verlassen.

    Erneut als Beigabe die von uns so geschätzten Miniaturgemüse, aufwendig und mit höchster Sorgfalt gestaltet.
    Ratatouille, gefüllte Zucchini, gefüllte Aubergine, jeweils mit Tomate, Zwiebelchen. Eine weitere Beilage, nicht im Bild, ein klassisches Kartoffelpüree.
    Wer genau hinschaut, sieht jedoch noch etwas mehr. Brillante Geschmacks- und Aromenträger wurden aufgeboten.
    Bries, mit schmelzender Zartheit, Mark und Zunge. Die Kalbszunge, obwohl zu den Innereien zählend, ist eines der erlesensten
    Fleischstücke vom Kalb. Eiweißreich und besonders fettarm. Bei einem solchen Gericht eigentlich unverzichtbar.

    Zu guter Letzt vermählen sich die einzelnen Komponenten mit grandiosem Baroloessigjus. So wird aus einem bescheiden annoncierten Gang,
    texturell und aromatisch ein Gericht der Extraklasse.

    Etwas Käse vom Wagen durfte es diesmal auch wieder sein.

    Zuckerperle Kir Imperial,
    mit Waldmeister-Champagnerschnee, Rhabarberkompott und Walderdbeersorbet.
    Mit gewohnter Qualität meldete sich die Pattiserie zu Wort.
    Ein Blick ins Innere der Zuckerperle offenbart die einzelnen Komponenten. Erfrischend und mit unverfälschtem Geschmack von Rhabarber
    und Erdbeeren findet ein grandioses Menü seinen Abschluss.

    Die Weinbegleitung von Stéphane Gass, wie immer ausgezeichnet und höchst interessant.

    Muskateller 2009 Malterdinger Bienenberg von Bernhard Huber,
    Sauvignon Blanc aus 2009, Clos Henri, Marlborough, Neuseeland.
    „Mer Soleil“ 2007, Chardonnay, Santa Lucia Highlands,
    La Tour Carnet 00, Bordeaux, Frankreich,
    Saarburger Rausch RL Kabinett 09 Zilliken,
    Durbacher Plauelrain Scheurebe 10, Laible

  • #2
    Da haben Sie Sich mit Ihrer Hymne auf eines der großartigsten Restaurants so viel Mühe gemacht, werter Herr Steinmann, daß es fast schade ist, daß sich bisher niemand zu einem Kommentar aufraffen wollte. Womöglich sind dabei etwas Ihre gar nicht so unzahlreichen Jabs, die Sie in der von uns allen so geschätzten Geradlinigkeit zu verteilen wußten, mit Schuld - (manchmal allerdings zeigt sich bei guten Punchern eine gewisse Tendenz zum Glaskinn)

    So will ich also aus der Ferne - Et in Arcadia Ego - (und ich mache dies keineswegs ungerne oder gar aus einem gewissen Pflichtgefühl heraus) Ihnen für Ihre wohlformulierten Eindrücke, Bekenntnisse gar, danken. Nicht nur, daß Sie gewissenhaft und nachvollziehbar (geradezu nachschmeckbar) das Ihnen Dargebotene schildern, Sie lassen uns ja auch mit Ihren botanischen bzw zoologischen Erklärungen tiefer in die komplexe Materie Einblick nehmen.
    Ihrem Lob, die Kalbszunge betreffend, möchte ich mich gerne anschließen. Weshalb die Zunge aber überall den Innereien zugeordnet wird, konnte ich noch nie verstehen. (weil sie, bei geschlossenem Munde, nicht zu sehen ist, also "innen" ist?) Sie besteht doch nahezu aus schierem Muskelfleisch, das feingeweblich nichts mit der übrigen Muskulatur des Verdauungsschlauches zu tun hat.

    Mit kulinarischen Grüßen
    Schlaraffenland

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    • #3
      Zitat von Schlaraffenland
      Weshalb die Zunge aber überall den Innereien zugeordnet wird, konnte ich noch nie verstehen. (weil sie, bei geschlossenem Munde, nicht zu sehen ist, also "innen" ist?)
      selbst Hoden und Augäpfel gelten als Innereien, auch Euter und Füße.

      Dem Dank für den ausführlichen Bericht schließe ich mich gerne an. - Aber tafkar, werter Herr Steinmann?

      Grüße, Mohnkalb

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      • #4
        The Artist Formerly Known As Rochenflügel, wertes Mohnkalb! Übrigens gibt es ja in Frankreich selbst onglet (Kronfleisch) beim tripier - sofern letzterer überhaupt noch zu finden ist.

        Gruß, Louis

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        • #5
          Danke für die schnelle Aufklärung, werter LouisXV!
          Hübsche Prinzenhaftigkeit - vor allem für die leidenschftlichen Nickwechsler unter uns.

          Gruß, tankam

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          • #6
            Das ist ja toll, dass Sie sich aus dem fernen Arkadien zu Wort melden, werter Herr Schlaraffenland.

            Wenn meine Schilderungen gelesen werden, vielleicht sogar gefallen, soll es mir ausreichen.
            Wenige, dafür gehaltvolle Äußerungen, wie von Ihnen beispielsweise, das sage ich ohne Ihnen schmeicheln zu wollen, genügen vollauf.

            @ Mohnkalb,
            das kleine Rätsel wurde ja inzwischen gelöst.

            K.G.
            tafkar

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            • #7
              Zitat von bsteinmann
              Wenige, dafür gehaltvolle Äußerungen, wie von Ihnen beispielsweise, das sage ich ohne Ihnen schmeicheln zu wollen, genügen vollauf.
              Das ist so ein Satz, lieber Herr Steinmann, der mir im Dialog mit den vergnüglichen Anmerkungen von Schlaraffenland wieder so richtig Freude bereitet. Eine gute Gelegenheit, für das aufschlussreiche Traube-up-date zu danken!

              Beste Grüße, Merlan

              PS: Die Bareiss-Fraktion trifft schon Vorbereitungen für den Spätherbst!

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