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Zum Ochsen, Karlsruhe-Durlach

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  • Zum Ochsen, Karlsruhe-Durlach

    Mittlerweile leider umgeben von zweckmäßiger gewerblich bzw. industriell geprägter Architektur findet sich ein echter französischer Außenposten, so wie ich ihn jedenfalls hier im Norden nicht finde: der Ochsen in Karlsruhe-Durlach. In einem Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert betreiben Anita und Gérard Jollit ein kleines Hotel und ein kleines, feines Restaurant. Es wird so einiger Aufwand getrieben: die Inneneinrichtung und das Geschirr/Besteck sind zwar sehr gediegen, aber man merkt, dass auf Qualität geachtet wird.

    Der Weinkeller, der von Serge Schwentzel betreut wird, ist exzellent bestückt und auch sehr fair bepreist. Er hat nicht ganz Schwarzer Adler Niveau, aber in dieselbe Richtung geht er schon. Man muss wohl konstatieren, dass dies eher ein Ü60 als ein U40 Restaurant ist. Die Speisekarte liest sich eher nach Schwarzwaldstube als nach Amador, die Weinkarte führt hauptsächlich Klassiker aus dem Burgund, Bordeaux, dem Elsass und von der Loire. Wer damit aber leben kann und für wen hohe Qualität zeitlos ist, der dürfte damit kein Problem haben (im Gegenteil). Auffällig ist übrigens schon, dass weder die Weinkarte noch die Speisekarte nach dem Prinzip "ich mach's mir einfach" zusammengestellt ist. Im Gespräch mit Herrn Schwentzel wurde deutlich, dass er jeden Winzer, der auf der Karte steht, bereits besucht hat. Auch der Käse wird aus Frankreich bezogen, es war die Rede von Märkten im Poitou. Leider habe ich vergessen zu fragen, wo die Baguette herkommt. Denn die war wirklich zum Niederknien, außen krachig, innen weich und genau richtig zwischen substanzreich und luftig.

    Die Auswahl aus der Weinkarte fällt extrem schwer: sie ist übrigens DEUTLICH umfangreicher bestückt als die im Internet abrufbare Weinkarte. Einige Schätze: 1990er Musigny von Moine-Hudelot, 1990er Gaillac Mauzac Roux von Robert Plageoles, 1995er Chapelle-Chambertin von Jean Trapet, alle 2005er Saumur Champignys von Clos Rougeard, usw. Leider gibt es kaum halbe Flaschen, so habe ich mich für eine glasweise Begleitung entschieden.

    Amuse Bouche: Pressé vom kanadischen Hummer mit Mango und Sellerie, Krustentier-Vinaigrette. Ok.
    Vorspeise 1: Wachtelbrüstchen aus den Dombes / Ragout von Tomaten und Birnen / Chioggia-Bete / Erbsen / Speck-Schaum (2012 Henri Bourgeois VDP "Petit Bourgeois"): Zunächst war mir der Gang entschieden zu salzig, das legte sich aber mit der Zeit. Erstaunlich war, wie der Wein dem Gericht die Salzigkeit nahm und gleichzeitig erstaunlich cremig und substanzreich erschien, was er ohne Essen nicht war.
    Vorspeise 2: Drachenkopf / Petersilienwurzel und grüne Petersilie / Steinchampignons (2011 Maison Klipfel Pinot Gris): Klassisch, der Fisch im Mittelpunkt, der Rest schmückendes Beiwerk. Auch hier befruchteten sich der eigentlich etwas einfache Wein und das Essen gegenseitig.
    Hauptgang: Schottisches Lammcarrée / Pilze / Bordeaux Jus (2001 Ch. Maucamps Haut-Médoc): Ein herbstlicher und durch die Pilze sehr intensiver Gang. Die Pilze waren m.W. Herbsttrompeten. Auch ein wenig Trüffel könnte im Spiel gewesen sein. Das Lamm war saftig und zart. Der Bordeaux dazu passte wie die Faust aufs Auge. Keine Experimente, Volltreffer.
    Käse: Tomme des Bauges, ein Ziegenfestkäse aus dem Poitou, Chaource, ein Camembert-ähnlicher Käse aus der Normandie (2010 Heritières Comtes Lafon Macon-Uchizy): Die Käse mag man hier sehr reif und intensiv. Da werden keine Gefangenen gemacht. Besonders gut war der wirklich heftig-scharfe Käse aus der Normandie, zu dem noch ein Mini-Schluck Corbières eingeschenkt wurde, der die Schärfe erstaunlich gut ausglich.
    Dessert: Tarte Tatin flambiert / Calvados-Eis (2010 Familie Perrin Muscat de Beaumes de Venise): Die Tarte Tatin wurde am Tisch flambiert, was immer wieder ein Erlebnis ist. Sie war absolut zum Reinlegen. Auch der Wein harmonierte hervorragend.

    Serge Schwentzel weiß was er tut. Definitiv. Ich habe selten eine so hervorragende Sommelier-Beratung erlebt. Er schafft es, günstige Weine (teils deutlich unter 10 Euro Ladenpreis) perfekt in Szene zu setzen. Ich habe die Rechnung nicht mehr, aber teuer war die Weinbegleitung definitiv nicht. Die Küche ist ultraklassisch französisch, ohne museal zu wirken. Das Ambiente ist etwas altbacken. Aber jedenfalls für Weinliebhaber, die auch gerne etwas gutes dazu essen, ist ein Besuch absolut empfehlenswert.

  • #2
    Der Heritières ... ein Chardonnay? Wie hat der sich mit den Käsen vertragen? Der Corbières war dann was Rotes?
    Sehr gelungen, wie immer, Ihr Bericht.
    Gruß
    s.

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    • #3
      Der Heritières ist tatsächlich ein Chardonnay. Der hat sich ok mit den Käsen vertragen, war aber kein "perfect match". Dafür hatte er für meinen Geschmack zu stark exotische Noten. Die recht kräftige Säure passte wiederum gut. Insbesondere zum Chaource wäre vielleicht sogar ein Rotwein besser gewesen. Der Corbières war ein 2008 Ch. Helène Corbières Cuvée Pénélope (ich hoffe, die Accents stimmen alle ), eine Cuvée aus 60% Syrah und 40% Cinsault. Der Wein passte zu dem Normannischen Weichkäse ganz hervorragend. Der Käse war derart stallig und scharf, dass ich mir kaum Wein dazu vorstellen konnte. Der Wein war aber auch eher rustikal. Zusammen gaben zwei Stallburschen zwar keinen polierten Prinzen, dafür aber ein sehr stimmig wirkendes Gesamtbild.

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      • #4
        Danke für den schönen Bericht.

        Was bedeutet bei Ihnen die Wertung "ok"?
        Klingt für mich wie "gerade noch akzeptabel", bzw. frängisch "der Hunger treibts nei".
        Oder "ok" im Sinne von "den Bewertungen angemessen"?


        Gruß!

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        • #5
          Zitat von fragolini
          Was bedeutet bei Ihnen die Wertung "ok"?
          Klingt für mich wie "gerade noch akzeptabel", bzw. frängisch "der Hunger treibts nei".
          Oder "ok" im Sinne von "den Bewertungen angemessen"?
          "Ok" bedeutete in diesem konkreten Fall, dass ich es gegessen habe, es ganz gut geschmeckt hat, aber dass mir dieses Amuse nicht in Erinnerung bleiben wird. "Der Hunger treibts nei" finde ich sehr charmant übrigens .

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