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Restaurant "Eisenbahn" in Schwäbisch Hall (1*, 17 GMP)

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  • Restaurant "Eisenbahn" in Schwäbisch Hall (1*, 17 GMP)

    Das vergleichsweise beschauliche und nicht eben großstädtisch anmutende Schwäbisch Hall ist schon für sich genommen ein wunderbarer Ort und darf sich zudem glücklich schätzen, gleich zwei Ein-Sterner aufweisen zu können. Teil 2 meiner Reise führte mich nach „Rebers Pflug“ also in das „Restaurant Eisenbahn“, über das ich schon manches Erfreuliche gelesen hatte. Vater Josef und Sohn Thomas Wolf feiern hier am Herd die (vorwiegend französische) Klassik, werden dafür schon seit zwei Jahrzehnten mit einem Michelin-Stern honoriert und stehen nach eigener Aussage für das Ziel, „immer das Produkt oder das Gericht ... optimieren“ (zu wollen). Ehrlicherweise setzen sie Regionales nur ein, wenn es passt. Just das aber erlebte ich ebenfalls, und zwar mit Genuss.

    Auch in diesem Fall wusste ich längst: das „Menü Prestige“ sollte es werden, und auch hier mit vier Gängen. Rührend geradezu die gehäkelten Deckchen unter dem ebenfalls geradezu anachronistisch anmutenden Vorlegeteller – hier steht die Zeit still, und das ist keineswegs negativ gemeint. Man besinnt sich auf Bewährtes und pflegt es. Wer sich darauf einlässt, kann sich ausgesprochen daran erfreuen.

    Die „Einstimmung“ lautete

    Entenleber mariniert, Joghurt-Praline mit Roter Bete und Kräuterquark

    und wurde auf den klassischen gebogenen Löffelchen gereicht. (Abbildung fehlt – der Hunger war zu groß! ) Alle drei Kreationen hatten als Miniaturen einen gewissen Charme. So war man tatsächlich „eingestimmt“, auf einen französisch geprägten Abend, und dazu ist eine solche Einstimmung ja wohl da.

    Das erste Amuse hieß

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    Variation von Schwäbisch Haller Bachkrebsen

    und war sogleich ein Volltreffer. Unglaublich fein gearbeitet: die Terrine. Herrlich aromatisch: das Süppchen mit gefüllter Teigtäschcheneinlage. Zart: das Praliné. Alles im Wechselspiel zu probieren, in welcher Reihenfolge auch immer, funktionierte vortrefflich. Und tatsächlich: hier wurde ein regionales Produkt serviert! Man vermisste den Hummer gar nicht... Die Bachkrebse wurden einst von Amerikanern in hiesige Gewässer ausgesetzt, gedeihen dort seitdem fröhlich und landen so auch mal auf einem „Eisenbahn“-Teller.

    Ich werde dafür vermutlich nicht in den Himmel kommen, doch wo immer Foie gras angeboten wird, muss ich sie unweigerlich probieren, so also auch die

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    Marinierte Périgord-Gänseleber mit Rhabarber, Gänselebereis, Brioche

    als ersten Gang. Er war in dieser klassischen Form eine „sichere Bank“, bis hin zur Portweinglasur, also beileibe keine Innovation, von den trendigen Müsliriegel-Anteilen vielleicht abgesehen (war es Amaranth?), doch auch in der Wiederholung kann Genuss zu finden sein, und den hatte ich.

    Den

    Riesling 2012 Klingelberger Auslese aus Durbach, Baden

    hätte ich mir allerdings gerne geschenkt. Er stand für den Mangel an Pfiff in der Weinbegleitung, auf den ich am Ende noch einmal eingehen werde. Viel Restsüße, mir als Wein ohnehin bekannt – na ja... Zugegebenen: die Restsüße milderte sich im Zusammenspiel mit dem Gericht noch ab. Trotzdem: ich hätte mir Interessanteres ins Glas gewünscht.

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    Mit Anis gebeiztes Thunfisch-Carpaccio, konfiertes Gemüse, alter Balsamico

    wurde auf dem guten, alten geriffelten Glasteller gereicht, der mich schmunzeln ließ, weil er in manchen Restaurants immer noch nicht ausgedient hat. Als Gericht erwies sich der Gang als überraschend säurebetont, wofür wohl der alte Balsamico verantwortlich war. Dazu einen Wein auszusuchen, hielt ich für eine besondere Herausforderung. Dass es ausgerechnet der

    Weißburgunder & Chardonnay 2012 vom Weingut Salwey, Oberrottweil

    werden musste, fand ich dann doppelt problematisch: schon wieder ein alter Bekannter wurde mir kredenzt, und dazu einer mit so viel Säure, dass er dem Gericht keineswegs gut tat. Hier wäre mehr Holz, vielleicht auch mehr Frucht angezeigt gewesen.

    Ein Freudenfest wurde mir dann in Form von

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    Brust und Keule von der Bresse Taube, Steinpilze, Entenleber, Powerade, Trüffelglace

    bereitet. Klassischer hätte es kaum mehr zugehen können, bis hin zum Papierhäubchen auf dem Keulchen, doch wer wollte dagegen etwas haben, wenn ein Täubchen so köstlich zubereitet wird?! Zugleich fand alles schön konzentriert statt: vorne die Innereien, gehackt und als köstliche Leber, mittig die überaus zarte Brust und die nur leicht trockene Keule und hinten geschichtete Steinpilze, auf denen Artischockenspitzen thronten. Extra gereicht wurde ein herrlich knoblauchgeprägtes Kartoffelgratin. Bedächtig und mit Wonne konnte man dieses Gericht sozusagen abwandern – und schwelgen.

    Der dazu gereichte

    Château Anthonic 2006 Cru Bourgeois (Moulis-en-Médoc)

    wurde aus einer den Abend über bereit stehenden Magnumflasche ausgeschenkt. Dadurch war er natürlich zu warm temperiert, doch seine Trinkreife und die schöne Holznote waren erkennbar und erfreulich. Mit diesem Weinvorschlag war ich dann mal zufrieden...

    Der

    Rohmilchkäse

    kam tatsächlich vom Wagen. Das gibt ja nicht mehr so oft... Zwar erwies sich die Auswahl als sehr konventionell, aber das dürfte dann doch der Wirtschaftlichkeit geschuldet sein.

    Der

    Shiraz Cabernet 2013 von Penfolds, Barossa Valley, Australien

    welcher mir dazu eingeschenkt wurde, ist ja leider längst ein Supermarktwein und stellte damit erneut keine vinologische Innovation dar. Auf diesem Gebiet dürfte sich noch etwas tun, denn das Weinangebot könnte wirklich mehr Pfiff vertragen. Dazu müsste man wohl ausgetretene Pfade verlassen, etwa mit neuen, jungen Winzern ins Geschäft kommen (z. B. mit „Junges Schwaben“); es würde sich aber lohnen.

    Im Restaurant „Eisenbahn“ steigt man gewissermaßen in eine Zeitmaschine. So hätte man auch vor zehn oder zwanzig Jahren essen können. Das macht trotzdem Spaß, wozu auch Patronne Christa Wolf beiträgt, die den Gast umsichtig, herzlich und mit schwäbisch-bodenständigem Charme umsorgt.
    Dass es auch langfristig weitergeht mit Restaurant und Hotelbetrieb, scheint durch die beiden Söhne gesichert zu sein, worüber die Eltern offensichtlich froh sind. Auch als Gast darf man sich darüber freuen, denn dieser Familienbetrieb ist einfach ein guter Ort.
    Zuletzt geändert von Tobler; 06.08.2015, 05:58.

  • #2
    Danke für den Bericht.
    In die Eisenbahn habe ich es noch nie geschafft. Hier scheint doch die Zeit still zu stehen.
    Wenn auch bei Rebers etwas moderner gekocht wird, so wurde ja auch dort die Innovation nicht gerade erfunden.

    Man ist eben im Ländle.

    Wenn Sie nur ein Lokal wählen dürften, welches wäre Ihre erste Wahl?


    Gruß!
    JF

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    • #3
      Da fragen Sie mich was... Die beiden Restaurants finde ich schon rein stilistisch kaum vergleichbar. Vielleicht hat "Rebers Pflug" ein ganz klein wenig die Nase vorn, vor allem wegen meines Besuchs dort vor drei Jahren, der mir ein Gericht bescherte, an das ich mich bis heute mit besonderem Vergügen erinnere. Was immerhin in beiden Fällen gelang, war, den Hauptgang nicht zu einer Enttäuschung geraten zu lassen, wie man es ja immer wieder mal erlebt.

      Vielleicht wäre der Wettstreit neu zu eröffnen und fairer zu entscheiden, sobald im Restaurant "Eisenbahn" die nächste Generation den Kochlöffel übernimmt und es dann vielleicht auch etwas zeitgemäßer zugeht.

      KG

      Tobler

      P. S.: Heißt "im Ländle" automatisch rückständig? Da gäbe es doch ein paar Gegenbeispiele...

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      • #4
        Zitat von Tobler

        P. S.: Heißt "im Ländle" automatisch rückständig? Da gäbe es doch ein paar Gegenbeispiele...
        Das sicher nicht.
        Werte betont würde ich sagen. Und das ist ja ganz sicher nichts schlechtes.


        Gruß!
        JF

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        • #5
          Eben! In dieser Hinsicht – oder auch als Kontrastierung – am interessantesten ist vielleicht Stuttgart: da kocht ein Vincent Klink oder ein Johannes Füller, beide definitiv wertebetont, wie Sie es nennen, aber auch ein Sebastian Prüßmann oder ein Nico Burkhardt mit jeweils frischen, zeitgemäßen Ideen. Aber jetzt's wird's OT...

          KG

          Tobler

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          • #6
            Es ist so eine Sache mit der Erwartungshaltung! Wir hätten das Restaurant „Eisenbahn“ im Landhaus Wolf nach den einschlägigen Berichten und Kritiken nicht auf dem Schirm gehabt, da hier wohl nach wie vor die französische Klassik gepflegt wird und Tobler davon schrieb, dass man „so auch vor zehn oder zwanzig Jahren hätte essen können“. Durch eine Restaurant-Besprechung in der FAZ vom 21.06.2019 wurde ich wieder positiv auf dieses Restaurant aufmerksam, da nun in der Küche „der Tradition mit leichter Hand Leben eingeimpft“ (a.a.O.) wird. Hoppla! Das ist doch unser Ding! Da könnte man sich doch mal ein bisschen näher mit der „Eisenbahn“ beschäftigen und vielleicht beim nächsten Schwäbisch-Hall-Besuch nicht wieder dem geschätzten „Rebers Pflug“ den Vorzug geben.

            Seit ein paar Jahren steht Sohn Thomas neben Vater Josef Wolf am Herd und kann so hervorragende Stationen wie Guy Savoy, Anne-Sophie Pic, Alain Ducasse und verschiedene Schweizer Zwei-Sterne-Häuser vorweisen. Das muss sich doch auf die „klassizistisch risikofreie“ (a.a.O.) Küche des Vaters auswirken! Und darum haben wir es gewagt und erwartungsfroh einen Tisch in der „Eisenbahn“ reserviert, um zu testen, ob die „Impfung“ angeschlagen hat. Es lässt sich auch nett an, wie wir freundlich begrüßt und in dem durchaus feinen Restaurant platziert werden. Die gereichten Kleinigkeiten vorneweg sind optisch und geschmacklich gelungen. Das weckt die Neugier auf mehr, und auch die Menükarte nährt unsere Erwartungshaltung, dass hier zwar nicht gegen den „Traditionalismus opponiert“ (a.a.O.) wird, diese Gerichte aber angesichts der Stationen des Sohnes moderner interpretiert werden als Vater Wolf das Jahrzehnte zuvor ebenfalls in Frankreich und der Schweiz gelernt hat.

            Unser Menü:

            In Eiswein marinierte Perigord-Gänseleber
            Dörrobst, Mango-Coulis, Brioche

            Weißer Alba-Trüffel, Bio Ei
            Kartoffelschaum

            Weißer Heilbutt auf Tomaten-Artischockenragout
            Gemüse-Cassoulet und Beurre-blanc

            Zitronen-Basilikum-Sorbet

            Filet vom Boeuf de Hohenlohe
            auf Steinpilz-Risotto, Chalottenconfit, Trüffelglace

            Robiola HH- Roquefortcreme
            Birnen-Feigenragout

            Passionsfruchtmousse
            Zartbitter-Schokolade von Valrhona
            knusprige Pralinenmasse, Sorbet



            Ich möchte noch einmal die FAZ vom 21.06.2019 zitieren, dessen stellvertretender Feuilleton-Chef Jakob Strobel y Serra den bis vor Jahren berichtenden Jürgen Dollase mit seinen Formulierungskünsten noch zu übertreffen versucht: „Die Kochtechniken sind die altbewährten, das Tellerarrangement ist keine alchimistische Experimentalanordnung, die Balance aus Süße, Säure und Schärfe gehorcht der Harmonielehre der Haute Cuisine, und trotzdem haben wir nicht den Eindruck, diesen Teller schon hundertmal gegessen zu haben.“ Stimmt alles bis auf den letzten Halbsatz! Wir haben das in den letzten 40 Jahren alles schon zigmal gegessen! Und es wird nicht besser! Umgab diese Gerichte vor Jahren noch der Glanz der französischen Hochküche, so stellt man nunmehr leicht enttäuscht das Fehlen von Raffinesse, Eleganz und Leichtigkeit fest.

            Die Gänseleber kommt als mächtiger Barren auf den Teller und wird von weitgehend geschmacksfreiem Dörrobst und ein paar Mango-Tupfen begleitet. Die große Scheibe Brioche dazu ist eigentlich ein überflüssiges Überbleibsel aus alten Zeiten und bleibt auf den meisten Tellern übrig, ohne zeitnah abgeräumt zu werden. Kartoffelschaum mit Eigelb ist immer ganz nett, aber auch nicht mehr, vor allem dann nicht, wenn die paar Trüffelspäne keine Wirkung entfalten können. Fisch mit Gemüse und Beurre blanc geht immer, bleibt aber ohne Pfiff. Der vermeintliche Risotto ist eine Reiscreme mit Sahne und damit unnötig massig und das Wort „Pralinenmasse“ beim Dessert lässt einen schon erschrecken, ehe man sie probiert hat. Ach ja, davor gab es ja auch noch eine Creme, eine mit Roquefort.

            Wir wollen mal annehmen, dass Vater Wolf – bei aller persönlicher Wertschätzung - als „Mit-Küchenchef“ immer noch die Richtlinien der Küchen-Politik bestimmt und der Sohn noch nicht so machen kann, wie er es vielleicht gerne tun würde. Bleiben wir also geduldig am Ball und halten unsere Erwartungshaltung hoch, bis Thomas Wolf irgendwann einmal das alleinige Zepter in der Küche schwingt und so der Tradition doch noch „mit leichter Hand Leben einimpft“ (a.a.O.). Das sollte aber auch nicht allzu lange dauern, da die nächste Köche-Generation die klassische Moderne heute schon bisweilen ganz schön alt aussehen lässt.

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            • #7
              Wie schade, werter merlan, dass Sie meine damaligen Eindrücke offenbar bestätigt fanden. Ich habe, wie Sie, die Vermutung, dass der Generationenwechsel am Herd im Hause Wolf noch immer auf sich warten lässt. (Dieses Phänomen trifft man ja immer wieder an.) Aber vielleicht trägt Ihr Bericht ja zu einer gewissen Beschleunigung bei. So hat der ja auch von mir sehr geschätzte “Rebers Pflug” in Schwäbisch Hall wohl weiter die Nase vorn.

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