Der "Landgasthof am Königsweg" (den ich gerne just im Februar besucht hätte) "bleibt aus familiären Gründen bis auf Weiteres geschlossen". Das weist eine Nachricht in der Stuttgarter Zeitung und die Homepage des Restaurants aus.
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Landgasthof am Königsweg (Ohmden)* + 15 GMP
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2017 war er plötzlich von einem Tag auf den anderen geschlossen, der vormals jahrelang besternte „Landgasthof am Königsweg“ in Ohmden, worauf ein zweijähriger Leerstand folgte. Die Gründe für die Schließung dieses Schmuckstücks aus dem Jahr 1676 waren damals ausgesprochen tragisch. Im Sommer 2019 fand dann die Wiederbelebung statt, indem Jenni und Sascha Grampp das Haus nahe der Schwäbischen Alb samt der geschmackvoll gestalteten Gästezimmer übernahmen und sogleich anzeigten, dass auch sie kulinarisch Ambitioniertes bieten wollen. Nach Aussage der Gastgeberin bedarf dies eines gewissen Muts, denn um in dieses Restaurant einzukehren, müsse man es schon gezielt ansteuern. Man befinde sich nun mal nicht in einer Metropole.
Das Zugeständnis besteht wohl in der parallel angebotenen bürgerlichen Karte mit Zwiebelrostbraten und Wiener Schnitzel, sodass das Ehepaar Grampp den Spagat zwischen gehobenem Anspruch und gepflegter Bodenständigkeit wagt. Im Dezember gelang mir dann endlich der Besuch, und ich habe ihn nicht bereut.
Man betritt den vorwiegend in Schwarz und Weiß gehaltenen Gastraum, wo man von Frau Grampp herzlich empfangen wird. Für das fünfgängige Menü mit Weinbegleitung hatte ich mich schon vorab entschieden; allein die notwendige Änderung, dass Kabeljau den ursprünglich vorgesehenen Heilbutt ersetzen musste, war kurz ein Wermutstropfen, doch natürlich stimmte ich zu. Was auch sonst? Für die Lieferprobleme, die ich als Grund vermutete, konnten die Grampps schließlich nichts.
Der Küchengruß bestand in
Dim Sum
gefüllt mit Steinpilz, Trüffel und Garnele, Zuckerschoten, asiatischer Steinpilzsud
und gefiel mir aufgrund dessen aromatischer Prägnanz, der leichten, anregenden Schärfe und der feinen Füllung. Sogleich fiel auf, auf welch wunderschönem Geschirr hier serviert wird. Das sollte sich so fortsetzen.
Darauf folgte
Hausgebackenes Brioche
Meersalzflocken und Olivenöl / Trüffel-Honig-Butter / Schmalz vom Schwäbisch-Hällischen Landschwein (ohne Foto)
als perfektes Ensemble: das Brioche, wie es sein sollte und vor allem die Trüffel-Honig-Butter ein betörender Aufstrich, also auch ein gefährlicher Schnellsattmacher…
Tagliolini
Stundenei vom Weidehuhn / Babyspinat / Sebirian Kaviar vom deutschen Stör / Beurre Blanc
als erster Gang war ausgesprochen hübsch anzusehen, gefiel mit bissfester Pasta und dem Spinat, der in der Beurre Blanc noch leicht nachgarte, was ich als schöne Idee empfand. Schade nur, dass das Stundenei aus lediglich einer Andeutung bestand. Den Kaviar verstand ich als sinnvolles jodiges Element, um ein allzu harmonisches Geschmacksbild zu verhindern.
Der
Grauburgunder „Gern“ 2019 trocken, Weingut Kusterer, Esslingen
erwies sich mit seiner floralen Nase und dann mineralisch-salzigen Tönen, denen erst im Abgang die Barrique-Note folgte, als Treffer.
Noch schöner kam
Kabeljau
Rote Bete / Granny Smith / Fenchel / Verjus
daher. Sascha Grampp legt nach Aussage seiner Frau großen Wert auf die Tellersprache, doch auch die Zubereitung war insgesamt erfreulich. Das Gericht war geschmacklich komplex, aufwändig gearbeitet, opulent, auch wenn es leider ein wenig unterhalb der gewünschten Temperatur serviert wurde. Die Gefahr, dass Kabeljau gerne zu trocken gerät, wurde gerade so umschifft. Ein erneut schönes Detail, das von der fast schon liebevollen Konzeption des Gerichte generell zeugt, waren die Fenchelchips als innovative und geschmacklich gewinnbringende Idee.
Mit fröhlicher Expertise kredenzte Frau Grampp dazu einen
Auxerrois 2021 trocken, Bio, Weingut Bech-Kleinmacher, Naumberg (Luxemburg)
der, obwohl trocken ausgebaut, einen erstaunlich feinherben Charakter aufwies, den ich, dieser Sorte ohnehin zugetan, mit Genuss trank und dabei den interessanten Reiseberichten der Hausherrin lauschte, die für die Pflege der Weinkarte so manchen Kilometer macht.
Rosa Hirschkalbsrücken
Pastinake / Rosenkohl / Butternutkürbis / Krause Glucke
wurde als Hauptgang in eher puristischer Form serviert. Ich mag es lieber etwas kräftiger und soßenwohliger, hatte aber trotzdem Freude an diesem Gericht. Das Fleisch wurde für 15 Minuten sous vide gegart, dann in Olivenöl angebraten und durfte schließlich unter der Wärmelampe nachziehen. Das tat ihm gut, denn dadurch war es zart und damit herrlich! Etwas Rätsel gab die Soße auf: Sie war zweifelsohne gut, doch da es ihr an Textur und einer gewissen Tiefgründigkeit fehlte, hatte ich die Vermutung, dass sie keine lang vorbereitete, sondern eine ad hoc produzierte war. Der heimliche Hit wiederum: das sämige und geschmacklich feinwürzige Pastinakenpüree. Der à part gereichte Butternutkürbis lieferte eine beinahe rustikale Komponente, die ich aber nicht unpassend fand.
Der
Lemberger „Roter Löwe“ 2018 trocken, Weingut Graf Adelmann, Burg Schaubeck, Steinheim-Kleinbottwar
war ein Ereignis für sich und damit ein perfektes Pairing: dicht, körnig, trotz seiner 14% Alkoholgehalt nicht zu schwer und doch mit fruchtig-traubiger Brombeernote, also auch solo ein Genuss.
Zur in den Sorten durchaus ungewöhnlichen und liebevoll detailliert angerichteten
Käseauswahl
Chutneys, Früchtebrot, eingelegte Zitrone
erbat ich mir eine andere Wahl, da ich den vorgesehenen Süßwein abwenden wollte. Frau Grampp wusste auch in diesem Fall Rat und reichte
Sassisto Langhe 2016, Azienda Agricola, Neviglie, Piemont, Italien
in dem meine beiden italienischen Lieblingstrauben – Nebbiolo und Barbera – als Cuvée verarbeitet waren und der die durchaus passende Süßnote wunderbar einband.
Erneut ein Hingucker schließlich das Dessert:
Die Sonnenanbeter
Orange / Mandarine / Limette / Kumquat / Finger Lime
Die Bestandteile zeigen es schon an: es war konsequent auf Säure ausgerichtet, ein Wachmacher am Ende des Abends also, mir aufgrund der Menge an Kumquats aber fast zu viel des Guten, doch handwerklich hervorragend gemacht.
Dazu eine gute Wahl: der ebenfalls nicht zu restsüße
Sauvignon blanc 2020, José Parierte, Rueda, Spanien
Fazit: Im „Landgasthof am Königsweg“ kann man wirklich schöne, genussreiche Stunden verbringen. Es herrscht dort eine fast schon familiäre Atmosphäre, und mit Frau Grampp über Wein zu sprechen, macht einfach Spaß, zumal wir so manche Vorliebe teilen, etwa für Erzeugnisse aus Südtirol. Und die Küche… dürfte auf einen Bib, wenn nicht gar auf einen Stern schielen. So manch andere gute Bewertung namhafter Guides hat sie schon erhalten; der Michelin hat das Haus zu meinem Unverständnis noch nicht auf dem Schirm.
Sascha Grampp bewies in diesem Menü allemal, dass er die Klaviatur der Gänge bestens beherrscht, auch Details einarbeitet, ohne dabei allzu kleinteilig vorzugehen (siehe die Fenchelchips), und ästhetisch einen sehr ansprechenden, beinahe weiblich anmutenden Stil pflegt. Dem Ehepaar Grampp ist also weiterhin viel Erfolg zu wünschen – und viele Gäste, die genau für dieses gastronomische Kleinod eigens anreisen mögen.
Zuletzt geändert von Tobler; 15.01.2023, 16:45.
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