In einem luftigen Örtchen im Breisgau bei Freiburg befindet sich seit nunmehr fünf Jahren ein Schmuckstück kulinarischer Freuden: der „Raben“ in Horben. Nach der aufwändigen Renovierung des alten Gebäudes, das dieser herrlichen landschaftlichen Lage mit einem liebevoll gestalteten Innenhof und schönen Außenanlagen Rechnung trägt, zog dort Steffen Disch mit seinem Küchenteam ein und eröffnete mit seiner Frau Kirsten, die dem Service vorsteht, den „Raben“. Wir waren schon damals wenige Wochen nach der Eröffnung zu Gast und bereits von der bodenständigen und qualitativ hochwertigen Mittagskarte sehr überzeugt. So avancierte einer der „Raben“-Klassiker, „Schweinebäckchen mit Berglinsen, Kartoffelpüree und Blutwurst“ sogleich zu einem Lieblingsgericht. Die Weinkarte umfasst 240 Positionen und enthält eine Reihe namhafter Spitzengüter aus Baden; auch das gefällt uns ausgesprochen. Die Gattin und der Verfasser dieser Zeilen wohnen unten im Tal, und seit dem ersten Besuch im „Raben“ zieht es uns immer wieder dorthin, denn stets verließen wir dieses Kleinod mit einem Gefühl, dort bestens verköstigt worden zu sein.
Steffen Disch, der u. a. bei Hans Haas Station machte, ist längst Mitglied im „Jeunes Restaurateurs d’Europe“ und hält sich dennoch an das Motto, dass die „Raffinesse der Gerichte in ihrer vermeintlichen Einfachheit“ steckt. Das häufigste Urteil der Gäste lautet somit, dass Steffen Dischs köstliche Küche vor allem „ehrlich“ sei. Nicht nur ist er bemüht, so viele regionale Produkte wie nur möglich zu verarbeiten (was bei den Fischgängen natürlich kaum möglich ist), sondern diese in schlichter Schönheit, also ohne „Schischi“, zu präsentieren und sich bei deren Zubereitung auf ein sehr ansprechendes Spiel der Aromen zu konzentrieren. Davon sind wir immer wieder neu begeistert, und so war es Ehrensache, dass wir das fünfgängige Geburtstagsmenü, das zum Fünfjährigen angeboten wurde, verköstigen wollten.
Der Beginn des Abends war noch etwas holperig, denn es wurde zwar Moët & Chandon glasweise gereicht und nach und nach so genanntes Fingerfood, von dem man, da wir all das im Stehen genießen durften, allerdings nicht wusste, wann das letzte solche kommen würde, zumal manche der „Geburtstagsgäste“ auf sich warten ließen, das Menü also nicht beginnen konnte (angekündigt war 19 Uhr, wirklich los ging’s erst eine dreiviertel Stunde später...). So beschlich uns die Sorge, wir könnten dem Champagner bereits jetzt zu stark zugesprochen haben, doch ohne dieses Göttergold wollte man sich die folgenden Kreationen auch nicht einverleiben:
Das
Asiatische Gurkensüppchen mit Meeresfrüchtebällchen
war mit seiner subtilen Schärfe und besonders zum Champagner ein Gedicht!
Es folgte ein
Kalbfleischküchle mit Kartoffel-Gurkensalat,
über das sich mein Schwabenherz freute.
Das
Rindertartar mit gebackenem Wachtelei
erwies sich als eine feine, geschmacklich aber eher zurückhaltende Kombination.
Das darauf folgende
Gazpacho Andaluz mit Garnelentempura
konnte wiederum mit Aromenprägnanz pukten. Hier wusste Herr Disch sein Asien-Faible sowie seine Crossover-Vorliebe aufs Wohlschmeckendste einzubringen.
Der Höhepunkt dieser Reihe war jedoch das
Kalbsbeuscherl mit Pfifferlingknödel
Wann kriegt man schon mal ein Beuscherl einfach so, wenn man nicht gerade in Österreich lebt? Dieses Amuse bouche war für mich auch in der Würzung das Überzeugendste und ich wünschte mir, es fände sich bei Gelegenheit auch als echter Gang auf der „Raben“-Karte wieder. Schade, dass Herr Disch auf meinen Vorschlag sehr zögerlich reagierte („Des esset die Leit’ net.“). Mehr Mut, lieber Herr Disch! Das käme schon weg!
Das Menü, das dann folgte, war konzipiert als eine Art „Best of Disch“ aus den vergangenen fünf Jahren – man durfte sich also auf etwas Besonderes freuen, und tatsächlich wurden wir mit fünf rundum überzeugenden Gängen verwöhnt:
Das
Törtchen von Dreierlei Thunfisch mit pikantem Apfel-Mangosalat und Wasabi-Mayonnaise
war ein Auftakt zum Verlieben. Gott sei Dank wurde aus dem Wasabi nicht der viel bemühte „Schaum“, doch der würde zu Steffen Dischs Attitüde auch nicht passen. Sommerlich-leicht als Idee und geschmacklich säuerlich bis frisch aßen wir lächelnd Happen für Happen, wobei uns vor allem das Tartar gefiel, das das Törtchen zum Glück auch in quantitativer Hinsicht dominierte.
Begleitet wurde der Gang vom einem
Ihringer Winklerberg Riesling***, Großes Gewächs 2007 von Dr. Heger,
der den Beginn einer hervorragenden Wein-Dramaturgie markierte, wie sich im Verlauf des Abends noch herausstellen sollte.
Die
Eismeerforelle und Calamarettini mit Gemüseragout und Mostrich Beurre blanc
war schon für sich genommen ein Vergnügen, mutete lachsartig an und überraschte aufs Angenehmste durch die säuerlich marinierten Calamarettini.
Eine echte Entdeckung war aber auch der begleitende Wein, ein
Weißburgunder Kabinett trocken 2008 von der Familie Wöhrle aus Lahr.
Die in feiner Säure eingebundenen fruchtige Noten machen ihn zu einem wahren „Charmebolzen“. Den werden wir uns noch in den Keller legen!
Der
Bretonische Steinbutt mit Tomaten-Basilikumsud und Bärenkrebskrapfen
stellte ein weiterer Höhepunkt dar. Als alte Bretagne-Fans meinten wir hier glatt die Aromen jener Gegend zu schmecken und waren folglich entzückt.
Der
Verdicchio Jesi Cl. DOC Riserva Stefano Antonucci 2007
rundete das Gericht mit seinen exotischen Noten und viel Schmelz aufs Vortrefflichste ab.
Wie es sich gehört, stellte der „Hauptdarsteller“ des Menüs auch den tatsächlichen Höhepunkt dar. Der
Rehrücken, Aprikose, Mandeln und kleine Pfifferlinge
beglückte uns aufs Höchste. Schon beinahe puristisch war der Teller arrangiert, allerdings versehen mit einem Clou, einem karamellisierten Türmchen, in dem sich das Aprikosenragout versteckt hielt (das ganz ausgezeichnet mundete). Ansonsten hatten, ganz die Handschrift des Meisters, die Aromen den Vortritt. Ein perfekter Gang – und ein begleitender Wein, der uns derart in den Bann zog, dass wir den Gewürztraminer zum Dessert gar nicht erst probieren wollten, sondern uns weiter dieses rote Wunder kredenzen ließen: den
Blauen Spätburgunder Schulen 2007 vom Weingut Ziereisen,
der dem Rehrücken noch eine weitere geschmackliche Dimension hinzufügte. Wir hätten ihn beinahe für ein Cuvée gehalten, doch Hans-Peter Ziereisen gelingt es mit seinen schonend und sorgfältig hergestellten Weinen diesen Tropfen burgundischer Prägung zu einer Wucht und Klasse zu verhelfen, dass man nur staunen – und genießen kann. (Ziereisen selbst formuliert treffend: „Wir machen einen muskulösen Wein. Keinen Sumoringer, sondern einen Zehnkämpfer, geschmeidig, elegant, kräftig und athletisch.“) Er passte mit seiner ausgeprägten Beeren-, vor allem aber der Schwarzkirschnote auch prompt zum Dessert:
Verschiedenes von Kaiserstühler Kirschen
Die Sonne war längst untergegangen, als wir uns erhoben. Wir hatten ihr an diesem schönen, heißen Abend mit Freude dabei zusehen dürfen, wie der Blick in die Landschaft überhaupt ein Zusatzgenuss ist, wenn man im Innenhof speist. Wunderbar leicht waren wir gesättigt, kompetent und charmant wurden wir bedient, und so blieb nur die ewig wiederkehrende Frage, warum der „Raben“ noch immer unbesternt ist – hat er doch immerhin schon zwei Jahre in Folge 15 GM-Punkte aufzuweisen. Zugleich gebe ich aber zu: der Stern darf ruhig noch warten, denn man weiß nicht, welche Zwänge er mit sich brächte. Von manchen badischen Restaurants weiß man ja, dass sie ihren Stern wieder zurückgaben, weil sein Glanz sie zu unangenehm blendete und die Nöte größer wurden als die Freude daran, die Gäste mit Überzeugung und eben Bodenständigkeit zu verwöhnen. (Als Stellvertreterbeispiel sei hier nur die „Eichhalde“ in Freiburg genannt, die die Rückgabe bestens überstanden hat.)
So denkt übrigens auch die stets aufmerksame und liebenswürdige Gastgeberin Kirsten Disch, in deren Brust offenbar, ach, zwei Seelen wohnen. Sie scheint die Michelin-Auszeichnung für ihren Mann einerseits herbeizuhoffen, sie zugleich aber zu fürchten. Man wird sehen – noch lieber aber immer wieder genießen, mit welchen Freuden man als Gast im „Raben“ beglückt wird. Wenn ich also gefragt werde, wo man denn im Raum Freiburg kulinarische Spitzenleistungen antreffe, so nenne ich dieses Lokal an vorderster Stelle, und daran hat sich seit dem Geburtstagsmenü nichts geändert.
Steffen Disch, der u. a. bei Hans Haas Station machte, ist längst Mitglied im „Jeunes Restaurateurs d’Europe“ und hält sich dennoch an das Motto, dass die „Raffinesse der Gerichte in ihrer vermeintlichen Einfachheit“ steckt. Das häufigste Urteil der Gäste lautet somit, dass Steffen Dischs köstliche Küche vor allem „ehrlich“ sei. Nicht nur ist er bemüht, so viele regionale Produkte wie nur möglich zu verarbeiten (was bei den Fischgängen natürlich kaum möglich ist), sondern diese in schlichter Schönheit, also ohne „Schischi“, zu präsentieren und sich bei deren Zubereitung auf ein sehr ansprechendes Spiel der Aromen zu konzentrieren. Davon sind wir immer wieder neu begeistert, und so war es Ehrensache, dass wir das fünfgängige Geburtstagsmenü, das zum Fünfjährigen angeboten wurde, verköstigen wollten.
Der Beginn des Abends war noch etwas holperig, denn es wurde zwar Moët & Chandon glasweise gereicht und nach und nach so genanntes Fingerfood, von dem man, da wir all das im Stehen genießen durften, allerdings nicht wusste, wann das letzte solche kommen würde, zumal manche der „Geburtstagsgäste“ auf sich warten ließen, das Menü also nicht beginnen konnte (angekündigt war 19 Uhr, wirklich los ging’s erst eine dreiviertel Stunde später...). So beschlich uns die Sorge, wir könnten dem Champagner bereits jetzt zu stark zugesprochen haben, doch ohne dieses Göttergold wollte man sich die folgenden Kreationen auch nicht einverleiben:
Das
Asiatische Gurkensüppchen mit Meeresfrüchtebällchen
war mit seiner subtilen Schärfe und besonders zum Champagner ein Gedicht!
Es folgte ein
Kalbfleischküchle mit Kartoffel-Gurkensalat,
über das sich mein Schwabenherz freute.
Das
Rindertartar mit gebackenem Wachtelei
erwies sich als eine feine, geschmacklich aber eher zurückhaltende Kombination.
Das darauf folgende
Gazpacho Andaluz mit Garnelentempura
konnte wiederum mit Aromenprägnanz pukten. Hier wusste Herr Disch sein Asien-Faible sowie seine Crossover-Vorliebe aufs Wohlschmeckendste einzubringen.
Der Höhepunkt dieser Reihe war jedoch das
Kalbsbeuscherl mit Pfifferlingknödel
Wann kriegt man schon mal ein Beuscherl einfach so, wenn man nicht gerade in Österreich lebt? Dieses Amuse bouche war für mich auch in der Würzung das Überzeugendste und ich wünschte mir, es fände sich bei Gelegenheit auch als echter Gang auf der „Raben“-Karte wieder. Schade, dass Herr Disch auf meinen Vorschlag sehr zögerlich reagierte („Des esset die Leit’ net.“). Mehr Mut, lieber Herr Disch! Das käme schon weg!
Das Menü, das dann folgte, war konzipiert als eine Art „Best of Disch“ aus den vergangenen fünf Jahren – man durfte sich also auf etwas Besonderes freuen, und tatsächlich wurden wir mit fünf rundum überzeugenden Gängen verwöhnt:
Das
Törtchen von Dreierlei Thunfisch mit pikantem Apfel-Mangosalat und Wasabi-Mayonnaise
war ein Auftakt zum Verlieben. Gott sei Dank wurde aus dem Wasabi nicht der viel bemühte „Schaum“, doch der würde zu Steffen Dischs Attitüde auch nicht passen. Sommerlich-leicht als Idee und geschmacklich säuerlich bis frisch aßen wir lächelnd Happen für Happen, wobei uns vor allem das Tartar gefiel, das das Törtchen zum Glück auch in quantitativer Hinsicht dominierte.
Begleitet wurde der Gang vom einem
Ihringer Winklerberg Riesling***, Großes Gewächs 2007 von Dr. Heger,
der den Beginn einer hervorragenden Wein-Dramaturgie markierte, wie sich im Verlauf des Abends noch herausstellen sollte.
Die
Eismeerforelle und Calamarettini mit Gemüseragout und Mostrich Beurre blanc
war schon für sich genommen ein Vergnügen, mutete lachsartig an und überraschte aufs Angenehmste durch die säuerlich marinierten Calamarettini.
Eine echte Entdeckung war aber auch der begleitende Wein, ein
Weißburgunder Kabinett trocken 2008 von der Familie Wöhrle aus Lahr.
Die in feiner Säure eingebundenen fruchtige Noten machen ihn zu einem wahren „Charmebolzen“. Den werden wir uns noch in den Keller legen!
Der
Bretonische Steinbutt mit Tomaten-Basilikumsud und Bärenkrebskrapfen
stellte ein weiterer Höhepunkt dar. Als alte Bretagne-Fans meinten wir hier glatt die Aromen jener Gegend zu schmecken und waren folglich entzückt.
Der
Verdicchio Jesi Cl. DOC Riserva Stefano Antonucci 2007
rundete das Gericht mit seinen exotischen Noten und viel Schmelz aufs Vortrefflichste ab.
Wie es sich gehört, stellte der „Hauptdarsteller“ des Menüs auch den tatsächlichen Höhepunkt dar. Der
Rehrücken, Aprikose, Mandeln und kleine Pfifferlinge
beglückte uns aufs Höchste. Schon beinahe puristisch war der Teller arrangiert, allerdings versehen mit einem Clou, einem karamellisierten Türmchen, in dem sich das Aprikosenragout versteckt hielt (das ganz ausgezeichnet mundete). Ansonsten hatten, ganz die Handschrift des Meisters, die Aromen den Vortritt. Ein perfekter Gang – und ein begleitender Wein, der uns derart in den Bann zog, dass wir den Gewürztraminer zum Dessert gar nicht erst probieren wollten, sondern uns weiter dieses rote Wunder kredenzen ließen: den
Blauen Spätburgunder Schulen 2007 vom Weingut Ziereisen,
der dem Rehrücken noch eine weitere geschmackliche Dimension hinzufügte. Wir hätten ihn beinahe für ein Cuvée gehalten, doch Hans-Peter Ziereisen gelingt es mit seinen schonend und sorgfältig hergestellten Weinen diesen Tropfen burgundischer Prägung zu einer Wucht und Klasse zu verhelfen, dass man nur staunen – und genießen kann. (Ziereisen selbst formuliert treffend: „Wir machen einen muskulösen Wein. Keinen Sumoringer, sondern einen Zehnkämpfer, geschmeidig, elegant, kräftig und athletisch.“) Er passte mit seiner ausgeprägten Beeren-, vor allem aber der Schwarzkirschnote auch prompt zum Dessert:
Verschiedenes von Kaiserstühler Kirschen
Die Sonne war längst untergegangen, als wir uns erhoben. Wir hatten ihr an diesem schönen, heißen Abend mit Freude dabei zusehen dürfen, wie der Blick in die Landschaft überhaupt ein Zusatzgenuss ist, wenn man im Innenhof speist. Wunderbar leicht waren wir gesättigt, kompetent und charmant wurden wir bedient, und so blieb nur die ewig wiederkehrende Frage, warum der „Raben“ noch immer unbesternt ist – hat er doch immerhin schon zwei Jahre in Folge 15 GM-Punkte aufzuweisen. Zugleich gebe ich aber zu: der Stern darf ruhig noch warten, denn man weiß nicht, welche Zwänge er mit sich brächte. Von manchen badischen Restaurants weiß man ja, dass sie ihren Stern wieder zurückgaben, weil sein Glanz sie zu unangenehm blendete und die Nöte größer wurden als die Freude daran, die Gäste mit Überzeugung und eben Bodenständigkeit zu verwöhnen. (Als Stellvertreterbeispiel sei hier nur die „Eichhalde“ in Freiburg genannt, die die Rückgabe bestens überstanden hat.)
So denkt übrigens auch die stets aufmerksame und liebenswürdige Gastgeberin Kirsten Disch, in deren Brust offenbar, ach, zwei Seelen wohnen. Sie scheint die Michelin-Auszeichnung für ihren Mann einerseits herbeizuhoffen, sie zugleich aber zu fürchten. Man wird sehen – noch lieber aber immer wieder genießen, mit welchen Freuden man als Gast im „Raben“ beglückt wird. Wenn ich also gefragt werde, wo man denn im Raum Freiburg kulinarische Spitzenleistungen antreffe, so nenne ich dieses Lokal an vorderster Stelle, und daran hat sich seit dem Geburtstagsmenü nichts geändert.
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