Seit vergangenem Herbst strahlt über „Merkles Restaurant“ in Endingen am Kaiserstuhl der lang ersehnte Stern. Zuvor, als das Haus noch als Anwärter auf diese Ehrung galt, hatten wir es nicht dorthin geschafft – nun wollten wir zumindest die Legitimation dieser Auszeichnung überprüfen.
Die kürzlich erfolgte Renovierung der Gasträume ist übrigens nur partiell gelungen. Wo man sich innenarchitektonisch komplett auf das Neue besonnen hat, sieht man gerne hin. Manches an Altbestand aus „Rebstock“-Zeiten sollte aber ebenfalls erhalten bleiben, doch das hätte sich weitaus geschickter integrieren und gestalten lassen, wie wir fanden, denn dieser Altbestand wirkt, als sei er einfach übrig, anstatt dass er entsprechend gewürdigt worden wäre.
Vielleicht hätten wir für unseren Besuch nicht unbedingt einen Sonntagmittag wählen sollen, denn im Nebensaal tobte eine Konfirmation, die den Service doch sehr in Atem hielt. Wir waren zu viert, die ungemein braven Kinder sogar im Schlepptau, und freuten uns auf ein viergängiges Menü (insgesamt sieben sind möglich). Bis wir es jedoch genießen durften, mussten wir hart dafür kämpfen, denn unsere Bestellung wollte zunächst niemand aufnehmen. Die wortkarge, junge Bedienung brauchte – so man ihrer einmal ansichtig wurde – eine gesonderte Einladung dazu. (Frei nach Loriot: „Herr Ober, dürfen wir Ihnen vielleicht etwas bringen?“) Auch an die Getränkebestellung in Form der Weinbegleitung mussten wir die junge Dame erinnern. Seltsam.
So bildeten sich erste Falten der Befremdung auf unser aller Stirne. Ein Haus mit Stern, offensichtlich unterbesetzt und mit dazu noch ängstlich wirkender Bedienung, obwohl wir alle sie doch so freundlich anlächelten – kein allzu positiver Eindruck zunächst.
Also kaprizierten wir uns auf die Hoffnung, einer entsprechenden Küchenleistung teilhaftig zu werden. Thomas Merkle ist ein Freund der Regionalen. Weitgereistes kommt bei ihm weniger in den Topf oder die Pfanne. Ambitioniert will er trotzdem kochen – ein im Prinzip löblicher Ansatz, den der Guide Michelin nun offenbar auch anerkennen wollte.
Unser Menü (vier Gänge für EUR 62,00 plus rein südbadisch orientierte Weinreise für EUR 22,00) im Einzelnen:
Den Küchengruß, eine angenehm milde frittierte Sardine auf Ratatouille-Gazpacho, verspeisten sogar die Kinder – was will man mehr? Eine schöne, aromatisch ausbalancierte Kreation.
Rückblickend ist an dieser Stelle jedoch festzuhalten, dass die Dramaturgie des Menüs noch zu den Schwächen des Hauses gehört, denn wir stellten eine Abwärtsentwicklung fest. Der erste Gang war nämlich bereits den Höhepunkt:
Carpaccio vom Pulpo / Limonenvinaigrette / Taschenkrebs
Auf einer beeindruckend großen, rechteckigen Pulpo-Scheibe thronte eine weitere Pulpo-Variation als Türmchen, und eine Taschenkrebsfarce verbarg sich charmant in einer krossen (Filo?-)Teighülle. Dazu die erfrischende Limonenvinaigrette im Extra-Gläschen... Optisch wie geschmacklich ein echter Glücklichmacher und eines Sterns würdig! Er wurde begleitet von einem erfreulichen 2010 Auxerrois Kabinett trocken vom geschätzten, ortsansässigen Weingut Knab.
Die Kresserahmsuppe / Wachtel fanden wir weniger spektakulär. Auf dem Glastopf, in dem sie sich befand, ward ein gerösteter Weißbrotstreifen gelegt. Das Wachtelbrustscheibchen drohte in der immerhin aromatischen Suppe zu ertrinken. Kurzum: wir haben schon Innovativeres gesehen.
Großartig und eine echte Entdeckung jedoch der dazu gereichte 2009 Grauburgunder Spätlese vom uns bis dahin unbekannten Weingut Holub aus Herbolzheim. „Aah!“ und „Ooh!“ aus allen vier Mündern. Ein besonderes Tröpfchen in schlicht gestalteter Flasche. Südbadisches Understatenment at its best.
Das Dreierlei Pyrenäen Lamm / grünes Gemüse / Sariette / Polenta erwies sich als handwerklich ordentlich, mehr aber auch nicht.
Lobenswert hingegen: der sogleich dazu gereichte Saucen-Nachschub. Das war es aber auch schon. All das mit einem 2008 Spätburgunder Barrique QbA trocken vom ebenfalls wunderbaren Weingut Bercher aus Burkheim hinunterzuschwenken, war immerhin vergnüglich.
Die Damen wählten schließlich ein offenbar gutes Thymian-Panna-Cotta als Abschluss, die Herren ließen sich eine (allerdings bereits vorbestimmte) Rohmilchkäsenauswahl vom Erlanger Affineur Waltmann kredenzen, im Glas ein 2008 Ruländer Achkarrer Schlossberg, der gut dazu passte. Auf Nachfrage erläuterte uns die tapfer kämpfende Saaltochter sogar, mit welchen Käsesorten wir es genau zu tun hatten. Sie tat uns schon beinahe Leid, weil wir sie mit unseren Ansprüchen so behelligten. Sterne-Niveau? Man kennt es anders.
Ich merke es ja selbst: ich ätze schon wie Manfred „GM“ Kohnke, der mir keineswegs sympathische Pate der säuerlichen bis bösartigen Restaurantkritik. Doch dass wir nach Begleichung der Rechnung noch nicht einmal verabschiedet wurden – als wir gingen, bemerkte es schlichtweg niemand –, hat uns nochmals ratlos gemacht. Damit wären wir einmal mehr beim heiklen Thema Service, bei dem ich mir jüngst schon im Erfort-Thread das Leckermäulchen verbrannt habe. Und doch: er war einfach nicht in Ordnung.
Herr Merkle möge also wachsam bleiben: die Wiedererlangung des Sterns wird nur gelingen, wenn die Küchenleistung auf Dauer weniger divergent ausfällt und er sich, zusammen mit der Gattin, traut, wirklich motiviertes Personal einzustellen, das die Gäste nicht aus lauter Überlastung oder auch Überforderung meidet, sondern sie in adäquater Weise wahrnimmt. Die Identität des Hauses ist zudem noch nicht eindeutig ausgerichtet. Sterne-Küche einerseits und Konfirmationsbewirtung andererseits wollen nicht so recht zusammenpassen – zumindest fehlt für diesen Spagat noch das geeignete Konzept, etwa eine zweite Küche, wie es sie z. B. im Baiersbronner „Hotel Sackmann“ gibt.
Die Kinder blieben übrigens bis zuletzt friedlich, obwohl ihre Schnitzelchen von der Kinderkarte viel zu dunkel geraten waren und die Brägele – im Südbadischen dazu unerlässlich – keine Offenbarung darstellten. Wir Altvorderen haben immerhin beschlossen, mit etwas zeitlichem Abstand einen Zweitbesuch in „Merkles Restaurant“ zu wagen – und uns vorher zu vergewissern, dass dann auch bestimmt keine Großveranstaltung parallel zu stemmen ist.
Fazit: Auch wenn es dergleichen offiziell nicht geben mag – ich halte diesen Stern für einen Vorschuss für Thomas Merkle, einen zweifellos begabten Kreativen. Er muss nun zeigen, dass er sich auf diesem Niveau auch dauerhaft bewegen will. Wir würden es ihm, dem so sympathisch-bodenständigen Zeitgenossen, wünschen – und uns.
Die kürzlich erfolgte Renovierung der Gasträume ist übrigens nur partiell gelungen. Wo man sich innenarchitektonisch komplett auf das Neue besonnen hat, sieht man gerne hin. Manches an Altbestand aus „Rebstock“-Zeiten sollte aber ebenfalls erhalten bleiben, doch das hätte sich weitaus geschickter integrieren und gestalten lassen, wie wir fanden, denn dieser Altbestand wirkt, als sei er einfach übrig, anstatt dass er entsprechend gewürdigt worden wäre.
Vielleicht hätten wir für unseren Besuch nicht unbedingt einen Sonntagmittag wählen sollen, denn im Nebensaal tobte eine Konfirmation, die den Service doch sehr in Atem hielt. Wir waren zu viert, die ungemein braven Kinder sogar im Schlepptau, und freuten uns auf ein viergängiges Menü (insgesamt sieben sind möglich). Bis wir es jedoch genießen durften, mussten wir hart dafür kämpfen, denn unsere Bestellung wollte zunächst niemand aufnehmen. Die wortkarge, junge Bedienung brauchte – so man ihrer einmal ansichtig wurde – eine gesonderte Einladung dazu. (Frei nach Loriot: „Herr Ober, dürfen wir Ihnen vielleicht etwas bringen?“) Auch an die Getränkebestellung in Form der Weinbegleitung mussten wir die junge Dame erinnern. Seltsam.
So bildeten sich erste Falten der Befremdung auf unser aller Stirne. Ein Haus mit Stern, offensichtlich unterbesetzt und mit dazu noch ängstlich wirkender Bedienung, obwohl wir alle sie doch so freundlich anlächelten – kein allzu positiver Eindruck zunächst.
Also kaprizierten wir uns auf die Hoffnung, einer entsprechenden Küchenleistung teilhaftig zu werden. Thomas Merkle ist ein Freund der Regionalen. Weitgereistes kommt bei ihm weniger in den Topf oder die Pfanne. Ambitioniert will er trotzdem kochen – ein im Prinzip löblicher Ansatz, den der Guide Michelin nun offenbar auch anerkennen wollte.
Unser Menü (vier Gänge für EUR 62,00 plus rein südbadisch orientierte Weinreise für EUR 22,00) im Einzelnen:
Den Küchengruß, eine angenehm milde frittierte Sardine auf Ratatouille-Gazpacho, verspeisten sogar die Kinder – was will man mehr? Eine schöne, aromatisch ausbalancierte Kreation.
Rückblickend ist an dieser Stelle jedoch festzuhalten, dass die Dramaturgie des Menüs noch zu den Schwächen des Hauses gehört, denn wir stellten eine Abwärtsentwicklung fest. Der erste Gang war nämlich bereits den Höhepunkt:
Carpaccio vom Pulpo / Limonenvinaigrette / Taschenkrebs
Auf einer beeindruckend großen, rechteckigen Pulpo-Scheibe thronte eine weitere Pulpo-Variation als Türmchen, und eine Taschenkrebsfarce verbarg sich charmant in einer krossen (Filo?-)Teighülle. Dazu die erfrischende Limonenvinaigrette im Extra-Gläschen... Optisch wie geschmacklich ein echter Glücklichmacher und eines Sterns würdig! Er wurde begleitet von einem erfreulichen 2010 Auxerrois Kabinett trocken vom geschätzten, ortsansässigen Weingut Knab.
Die Kresserahmsuppe / Wachtel fanden wir weniger spektakulär. Auf dem Glastopf, in dem sie sich befand, ward ein gerösteter Weißbrotstreifen gelegt. Das Wachtelbrustscheibchen drohte in der immerhin aromatischen Suppe zu ertrinken. Kurzum: wir haben schon Innovativeres gesehen.
Großartig und eine echte Entdeckung jedoch der dazu gereichte 2009 Grauburgunder Spätlese vom uns bis dahin unbekannten Weingut Holub aus Herbolzheim. „Aah!“ und „Ooh!“ aus allen vier Mündern. Ein besonderes Tröpfchen in schlicht gestalteter Flasche. Südbadisches Understatenment at its best.
Das Dreierlei Pyrenäen Lamm / grünes Gemüse / Sariette / Polenta erwies sich als handwerklich ordentlich, mehr aber auch nicht.
Lobenswert hingegen: der sogleich dazu gereichte Saucen-Nachschub. Das war es aber auch schon. All das mit einem 2008 Spätburgunder Barrique QbA trocken vom ebenfalls wunderbaren Weingut Bercher aus Burkheim hinunterzuschwenken, war immerhin vergnüglich.
Die Damen wählten schließlich ein offenbar gutes Thymian-Panna-Cotta als Abschluss, die Herren ließen sich eine (allerdings bereits vorbestimmte) Rohmilchkäsenauswahl vom Erlanger Affineur Waltmann kredenzen, im Glas ein 2008 Ruländer Achkarrer Schlossberg, der gut dazu passte. Auf Nachfrage erläuterte uns die tapfer kämpfende Saaltochter sogar, mit welchen Käsesorten wir es genau zu tun hatten. Sie tat uns schon beinahe Leid, weil wir sie mit unseren Ansprüchen so behelligten. Sterne-Niveau? Man kennt es anders.
Ich merke es ja selbst: ich ätze schon wie Manfred „GM“ Kohnke, der mir keineswegs sympathische Pate der säuerlichen bis bösartigen Restaurantkritik. Doch dass wir nach Begleichung der Rechnung noch nicht einmal verabschiedet wurden – als wir gingen, bemerkte es schlichtweg niemand –, hat uns nochmals ratlos gemacht. Damit wären wir einmal mehr beim heiklen Thema Service, bei dem ich mir jüngst schon im Erfort-Thread das Leckermäulchen verbrannt habe. Und doch: er war einfach nicht in Ordnung.
Herr Merkle möge also wachsam bleiben: die Wiedererlangung des Sterns wird nur gelingen, wenn die Küchenleistung auf Dauer weniger divergent ausfällt und er sich, zusammen mit der Gattin, traut, wirklich motiviertes Personal einzustellen, das die Gäste nicht aus lauter Überlastung oder auch Überforderung meidet, sondern sie in adäquater Weise wahrnimmt. Die Identität des Hauses ist zudem noch nicht eindeutig ausgerichtet. Sterne-Küche einerseits und Konfirmationsbewirtung andererseits wollen nicht so recht zusammenpassen – zumindest fehlt für diesen Spagat noch das geeignete Konzept, etwa eine zweite Küche, wie es sie z. B. im Baiersbronner „Hotel Sackmann“ gibt.
Die Kinder blieben übrigens bis zuletzt friedlich, obwohl ihre Schnitzelchen von der Kinderkarte viel zu dunkel geraten waren und die Brägele – im Südbadischen dazu unerlässlich – keine Offenbarung darstellten. Wir Altvorderen haben immerhin beschlossen, mit etwas zeitlichem Abstand einen Zweitbesuch in „Merkles Restaurant“ zu wagen – und uns vorher zu vergewissern, dass dann auch bestimmt keine Großveranstaltung parallel zu stemmen ist.
Fazit: Auch wenn es dergleichen offiziell nicht geben mag – ich halte diesen Stern für einen Vorschuss für Thomas Merkle, einen zweifellos begabten Kreativen. Er muss nun zeigen, dass er sich auf diesem Niveau auch dauerhaft bewegen will. Wir würden es ihm, dem so sympathisch-bodenständigen Zeitgenossen, wünschen – und uns.

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