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Luce d'Oro, Schloss Elmau

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  • Luce d'Oro, Schloss Elmau

    Hallo,

    anbei ein Bericht zu einem nur selten besprochenen Restaurant.
    Der Bericht ist nur leicht gekürzt, Volltext und (wie ich finde sehr gelungene) Bilder gibts wie immer unter sternefresser.de.

    Viel Vergnügen!
    Grüße
    b.

    Zuweilen kann das Leben der Sternefresser hart sein. Die Anreise zu den von uns begehrten Restaurants ist oftmals lang und nicht selten ebenso strapaziös. Ganz so gestalteten sich auch die 7 Stunden auf der nächtlichen Autobahn gen Elmau eher zäh und mit zahlreichen Staus begleitet.

    1914 erbaut und in einem einsamen Tal nahe der Zugspitze gelegen, begeistert uns bereits der Schlossvorplatz des Anwesens. Hier spiegelt ein überdimensionales Wasser-Bassin alle drei Flügel des Anwesens und verleiht dem Ort eine illusionistisch wirkende Aura. Die besondere Atmosphäre, welche auch Persönlichkeiten wie Vicco "Loriot" von Bülow zu langjähriger Treue (stets Suite 118) verleitete, ist im gesamten Haus spürbar. Unter der charmanten Führung von Generaldirektor Nikolai Bloyd ist es ein Ort, an dem man ankommt und sich sogleich fallen lässt.

    Das Hotel selbst beherbergt 140 großzügig geschnittene, wenig pompös und noch weniger multimedial ausgestattete Zimmer. Hier zeigt sich die Haltung des Hauses deutlich. Gäste sollen sich in ihren Räumen natürlich vollends wohl fühlen, aber dennoch zum Verlassen und somit dem "Erleben" der Vielfalt und der Natur angehalten werden – ein gewagter aber beeindruckender Ansatz, wie wir finden.

    Erdacht wurde das Ressort in der heutigen Ausgestaltung vom Erfinder der Hotelsoftware Fidelio (später für € 50 Mio. an Micros verkauft), Dietmar Müller-Elmau, der das Haus 2006 von seiner Familie übernahm. Nach einem Brand im Jahr 2007, bei dem große Teile des Hotels zerstört wurden, fasste er den Entschluss, das Anwesen grundlegend zu renovieren. Aus heutiger Sicht ist diese Feuerbrunst, so makaber es klingen mag, vielleicht das Beste, was dem Schloss passieren konnte. Nur so konnte dieses Refugium entstehen, das den Titel "hideaway" tatsächlich mehr als verdient.

    Dieser hohe Anspruch des Hotels sollte sich natürlich auch in der Kulinarik zeigen, so dass wir uns in das Kellergewölbe begeben, um dem Luce d'Oro und dem Team um Küchendirektor Mario Corti und Küchenchef Frank Linke einen Besuch abzustatten. Es handelt sich um das Flaggschiff unter den sechs (!) Restaurants im Schloss, in dessen Genuss man übrigens nur als Gast des Hauses kommt.

    Bereits die Apéros – Gelierte Hühnerboullion, Rauchaalmousse, Kohlrabi und süß sauer marinierter Kürbis, Hüttenkäse, Kürbiskernkrokant sowie Kaninchenrücken im Maismantel, grüne Paprikasalsa – sind sehr gelungen und gefallen mit ihrer feinen Balance zwischen herzhaften, süßlichen und anregend säuerlichen Nuancen.

    Auch der zweite Gruß steigert die Vorfreude auf das Menu: der gebackene Pulpo mit geräuchertem Kartoffelschaum, Kalbszungen- Kapernsalat und Weizengraßsaft ist außergewöhnlich, durchdacht und von einer herrlichen Rustikalität. Da auch die Frittieraromen die Freude am Genuss nicht torpedieren, bleibt nur eines zu sagen: exzellent.

    Das Menu selbst startet mit Entenleber, Tomate und kandierter Aubergine und setzt damit den bisherigen Eindruck fort, zumindest fast. Das süßlich-vollmundige Duett aus Leber und Aubergine ist virtuos – solange man die Tomatencreme auf der Leber außer Acht lässt. Dann wird der genüssliche Reigen zu einem Ringen der Protagonisten, was durch deren weiche Natur zu einem undifferenzierten Bild führt. Dieser Unausgewogenheit könnte das Spiel mit noch unterschiedlicheren Texturen Abhilfe schaffen.

    Der nachfolgende "Kartoffelacker" mit Schafgarbe passt dann – trotz der exotischen Grapefruit rosé – perfekt in die Region: würzig, dennoch filigran und harmonisch zugleich, liefert diese Kombination alles, was man sich von einem heimischen Zwischengericht erwartet. Die Zitrusfrucht trägt einen gewissen "Säurekick" bei, der uns selbst noch am nächsten Tag an diesen Zeitpunkt zurückdenken lässt und eine perfekte Überleitung zu einer Götterspeise schafft...

    Sot-l’y-laisse, Waldpilzboden und Zwiebel ist so vermeintlich simpel wie grandios. Dieses wunderbare Umami-Gericht lebt davon, dass alle Komponenten ineinander greifen, jegliche Proportionen bis aufs Gramm stimmen und der Gast losgelöst von jeglicher Ess-Anleitung loslegen kann, um in sprachlosem Schwelgen zurück zu bleiben – nachhaltig beeindruckend.

    Das Überraschungsei "Luce d’Oro" hat es danach nicht nur schwer, sondern erweist sich als echter Ausreißer. Die Konsistenz des Eis ist viel zu flüssig und lässt somit auf eine zu kurze Garzeit oder eine zu geringe Temperatur schließen. Darüber hinaus ist die Größe in Relation zu den anderen Komponenten schlichtweg überdimensioniert. Das Resultat ist eine „Suppe“ auf dem Teller, die zwar einigermaßen süffig schmeckt, den Calamaretti und den anderen Elementen aber keine Chance zur Entfaltung lässt.

    Die Spannung auf den Carabinero mit saurem Kokos und Avocado ist somit umso größer. Diese durchaus gewagte Kombination, die sicherlich aus Cortis Zeit in Asien stammt, geht tatsächlich auf und verbindet die Aromen zu einem passenden Gesamtbild. Die Säure der Kokosnuss bricht das vegetabil, fettige Volumen der Avocado auf und schafft eine ausgezeichnete Basis für das seidige Aroma der Garnele.

    Dennoch passiert hier für etwas für unser Empfinden seltsames: Wir haben das Gefühl, dass sich zwischen dem Gericht und dem naturnahen Ort, an dem wir uns befinden, keine rechte Harmonie entwickeln will. Hier zeigt sich der vermeintliche Konflikt – oder der "clash of cultures" – den die Übersiedlung von Cortis asiatisch inspirierter Küche in die tiefe bayrische Bergwelt manches Mal evoziert: im Gegensatz zu den bisherigen, "authentisch" wirkenden Geschmacksbildern mutet die dezidiert exotische Stilistik hier eigentümlich deplatziert an.

    Mit Steinbutt, Bohnensaft und Erdbeere erreicht uns im Anschluss ein eindrucksvoller "Bollen" Fisch, wobei die eintretende Sättigung den Genuss doch zunehmend verhindert. Das Gericht an sich ist eher simpel, dennoch – oder gerade deshalb – tritt in dieser Ausgestaltung der Bohnensaft in seinem "grünen" Geschmack etwas dominant hervor. Auch die Beimischung der Erdbeere wirkt – dem Kokos gleich – zu exotisch und forciert. Eine Harmonie am Gaumen will sich partout nicht einstellen. Ein wenig wirkt es, als habe das Küchenduo hier das avantgardistisch-experimentierfreudige Moment zu sehr erzwingen wollen.

    Der folgende Teller beherbergt zunächst ein sehr gutes und makellos zubereitetes Hauptprodukt, die Taube. Gleichwohl wirkt die Kombination mit Inkaweizen und Nuss etwas zu überspannt. Letztere zeigt sich als eine Art lauwarm-herbe Nutella, die von solcher Intensität ist, dass sie dem Wildgeflügel kaum Raum zum Wirken lässt – zu sehr ist der Gast mit der Bewältigung der überfordernden Aromen beschäftigt.

    Das Pre-Dessert besteht aus Gewürzbanane, exotischem Sorbet und Schokoladenperlen, was sich zu einer meisterlichen, sehr "dichten" Aromenharmonie verbindet. Eine wundervoll erfrischende und in der Würze zugleich "warm" wirkende Überleitung zum nächsten Gang.

    Der spontan eingeschobene Käsegang St. Maure, Hollerbeeren, gelbe Beete bereitet uns schon ab dem ersten Probieren pure Glücksmomente. Wir schwelgen zwischen dem mild-cremigen, pilzigen Ziegenmilchkäse, der säurestarken Holunderfrucht und dem erdig-süßen Fuchsschwanzgewächs. Herrlich.

    Schokolade, Joguhrt, Pflaume kommt dann in zwei Gängen auf den Tisch...

    Der erste Teil, die Joguhrtkaltschale mit Pflaumenragout, gebrannter weißer Schokolade, Pflaumenmüsli und weißem Schokoladeneis erinnert vor allem optisch zunächst an Nadja Hartls Bircher-Müsli im "Aqua", ist geschmacklich jedoch wesentlich stärker in Richtung der karamellisierten weißen "Schoki" ausgerichtet, was der Süßspeisen-Typizität entgegen kommt und hier sehr gut ins wohlschmeckende Gesamtbild passt.

    Geschlossen wird das Menu vom Armen Ritter, Joghurtganache, marinierten Pflaumen und weißer Schokoladenmousse im Pflaumengelee. Wenngleich die "Brotspeise" etwas mächtig und süß erscheint, finden wir auch hier Gefallen an der Variation des Dessertthemas und haben gerade noch soviel Luft, um uns an den finalen, durchweg sehr guten Petit Fours (Cassis-Pralinenbohne, Kaffee-Schokoladenhippe, Kalamansi-Passionsfrucht-Gelee, Schokoladen-Mascapone-Schnitte) gütlich zu tun.


    Manchmal kommen wir nach einem Essen ins faust'sche Grübeln: „Da steh ich nun ich armer [und satter] Tor! Und bin so klug als wie zuvor;…“ So auch hier. In einigen Momenten des Menus erlebten wir eine hervorragende Küche mit stark regionalem Bezug, um im nächsten Moment in weit entlegene Gefilde regelrecht "entführt" zu werden. Wir konnten uns des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Exotik wie eine bewusste Provokation ohne Bezug zu den anderen Gerichten stand.

    Ein Erklärungsversuch ergibt sich für uns aus dem Umstand, dass sicherlich das vielschichtige Gästeklientel eines solchen Hauses oftmals divergierende Ansprüche an die Küche mitbringt, woraus sich die unterschiedlich konzipierten Gerichte ableiten lassen. Dennoch dürfte die stilistische Achterbahnfahrt – auch im Hinblick auf höhere kulinarische Weihen – tendenziell hinderlich sein.


    Fazit: Mario Corti und Frank Linke spielen auf Schloss Elmau ihr Können aus: modern inszenierte, filigran arrangierte und authentische Gerichte mit einer gelungenen Balancierung der Aromatik. Bei einigen Kompostionen wäre eine Besinnung auf die Region vor dem Hintergrund der einzigartigen Wirkungsstätte jedoch stringenter, um vollends zu begeistern.
    Zuletzt geändert von Morchel; 08.02.2012, 17:23. Grund: Satz auf Wunsch von brigante gelöscht.

  • #2
    Vielen Dank für den Bericht.

    In Bezug auf einen anderen parallelen Thread: Klar, Sterne locken mich auch, aber irgendwie geh ich insgesamt mehr nach meiner Intuition, die ich dann auch nicht rational begründen kann. Und Ihr Bericht über Elmau bestätigt mich in dem, was ich mir irgendwie gedacht habe. Vielleicht spielt auch ein Besuch vor vielen Jahren mit, der sicher kein Maßstab für die heutige Küche ist.

    M.
    Zuletzt geändert von Morchel; 07.02.2012, 21:01. Grund: Tippex

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    • #3
      Danke für Ihren tollen Bericht und die differenzierte Sicht auf Mario Cortis derzeitigen "Stand". Laut HP darf man übrigens sehr wohl als "Externer" ins Luce d'oro - vorausgesetzt, man arrangiert sich mit den ausgefeilten Öffnungs-/Schließungszeiten.

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      • #4
        News: Christoph Rainer wechselt zum 1.10. ins Schloss Elmau.

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