Ankündigung
Einklappen
Keine Ankündigung bisher.
Lorenz Adlon Esszimmer**
Einklappen
X
-
-
Im Adlon herrscht weihnachtliche Betriebsamkeit. Bildschirme geben preis, welcher Raum für welche Festivität genutzt wird. Das Sra Bua ist für eine Hochzeit einer Svetlana gebucht und in den Säalen neben dem Lorenz Adlon wird irgendein, mir bislang unbekannter, Preis verliehen. Auch das Restaurant ist voll ausgebucht.
Ich werde sehr herzlich empfangen, Hendrik Otto kommt kurz zum Shakehand aus der Küche. Seit unserem Club-Menü vor zweieinhalb Jahren war ich nicht mehr im Adlon essen, ich bin gespannt, ob und wie sich die Küche nach diesem Zeitabstand präsentiert.
Ich saß im vorderen Gastraum, der leider akustisch nicht ganz von dem Betrieb auf der Bel Etage abgeschlossen ist. So schön es ist, die Live-Pinao-Musik von dort zu hören, der Betrieb, der von einer größeren Veranstaltung in den nebenliegenden Räumen ausgeht, ist nicht zu überhören.
Zu Beginn gibt es ein Dreierlei: ein scharf gewürztes Popcorn, ein Wachtelei mit Salat (sehr schön) und eine dritte(fischige) Kleinigkeit, die ich vergessen habe.
Die Toast Hawaii-Interpretation ist ein Klassiker von Hendrik Otto, den er immer wieder in verschiedenen Varianten umsetzt. Diese ist sehr cremig und eher dezent in der Aromatik.
Roh marinierte Makrele / Schalotten - Apfeljus knusprige Hühnerhaut, dehydrierte Spreewälder Gurken, Kerbel: auf dem Hauptteller zeigt der Gang eine interessante, frische Kombination. Die feine, geschmackvolle Makrele verbindet sich mit sehr schön mit der dehydrierten Gurke. Da dieser die Flüssigkeit entzogen ist, hat sich ihr Geschmack deutlich intensiviert und ins vegetabile verschoben. Der Jus ist schön frisch und leicht würzig. Insgesamt ergibt sich so auf dem Teller ein feines, durchaus filigranes und stimmiges Geschmacksbild. Aber es gibt hier noch zwei Zusatzteller: ein kleines Körbchen, darin liegen kunstvoll hergestellte Kugeln aus Kartoffeln (wie Kartoffelchips). Diese sehen wie Schaumblasen aus und sind innen hohl. Außen sind sie mit einer Richtung Paprika gehenden Schärfe versehen. Diese Schärfe hat für meinen Geschmack einen schönen Effekt auf den Hauptteller, wenn man genau eine dieser Kugel isst, aber warum gibt es hier einen ganzen Korb? Dadurch verschwimmen eher die Konturen. Noch schwerwiegender ist der Effekt des Katoffelbrots, das auf einem weiteren Teller als Ergänzung zum Brotkorb gereicht wurde. Alles ist für sich lecker, in der Kombination sind die Proportionen aus meiner Sicht so verschoben, dass die Balance zu sehr auf den „Nebentellern“ liegt und von der eigentlich sehr guten Verbindung aus Fisch und intensiver Gurke ablenkt.
Langostino / Hummer / Calamaretti / Krustentierfond Staudensellerie, Gemüsekaviar, Fenchel war an eine Bouillabaisse angelehnt. Das Gericht wurde mit einem Showeffekt inszeniert: In einer Kanne, die mittels einem chemischen Effekts (Stickstoff wahrscheinlich) kräftig zum Dampfen gebracht wurde, waren die Aromaten der Sauce nochmals im Raum verteilt. Ganz so spektakulär war der Geschmack des Gerichts nicht. Es ging vielmehr rund, vollmundig und harmonisch zu. Vor allem der Langostino kommt gut und knackig zur Geltung. Der Fond ist nicht zu schwer, die Gemüseanteile sind deutlich wahrnehmbar. Neben dem Schlüsselchen befinden sich noch zwei kräftige Brotstückchen, hier kommt mehr Intensität dazu. Das ist alles sehr stimmig, aber zusammen mit dem Hauptgang fiel dieser dadurch auf, dass er der konventionellste war als die anderen - lecker, aber nicht außergewöhnlich.
Auster / Ayran-Gurkeneis, gestockter Austernsaft, Dill war deutlich unkonventioneller. Die Auster schmeckt intensiv muschelig und erinnert mich fast schon an eine Miesmuschel. Das liegt an der verwendeten Sorte, wird aber vermutlich noch von der Aromenkombination befördert. Hinzu kommt eine für ein Austerngericht außergewöhnliche Schärfe. Von den in der Gerichtsbeschreibung genannten Komponenten kann ich keine spezifisch wahrnehmen, sie bilden eher einen cremig-kräutrigen Hintergrund. Ein spannender und außergewöhnlicher Gang.
Bamberger Hörnchen / Lardo Leinöl, Kapern, Petersilie, Tomate, Estragon war mein Favorit im gesamten Menü. Hier kam meines Erachtens der Stil Hendrik Ottos, mit Schärfe zu arbeiten, am besten zur Geltung. Dies lag an der breiten Aromatik der Kartoffel, die so die Schärfe immer wieder zügelte. Dabei wurde sie unterstützt von einer Creme und dem dezenten Fleischgeschmack des Lardo. Durch dieses Gegenspiel kommen vor allem die Kräuter und die Kapern gut zur Geltung. Hinzu kommt eine süffige Texturstruktur – ein vielschichtiger Genuss.
Confierter Schweinebauch / Chili Kardamom, Sojasauce, Wildreis, Minze hat mir vor allem aufgrund der wunderbaren Textur des Schweinebauchs gefallen. Dieser war nicht nur wegen seines Fetts fleischig-cremig, sondern hatte aufgrund seiner Ummantelung aus Buchweizen und Reis auch einen höheren Cross-Anteil als es die Kruste allein bieten kann. Die dazu gereichte asiatisch wirkende Suppe war sehr intensiv, einzelne Aromen waren für mich schwer auseinander zu halten, alles floss zu einem Umami-Feeling zusammen. Zu dem Fleisch passte das sehr gut, hätte aber für mich auch eine Spur dezenter sein können, um dem Gang mehr Vielschichtigkeit zu geben.
Rehrücken / Wildpfeffersauce Buschbohne, gedörrte Beeren kandierter grüner Pfeffer, Majoran, Bohnenkraut war dann ein recht klassisch angelegter Hauptgang, mit einer leichten modernen Verschiebung – so waren die gedörrten Beeren dunkelfruchtiger, als typischerweise zum Wild gewählten Beeren. Etwas dominant wirkte für mich das erdige Aroma einer Roten Bete, aber alles in allem ist das Gericht auf klassische Weise gelungen. Eine Anmerkung, die aber nicht direkt als Kritik zu verstehen ist habe ich noch: beim Essen ist mir aufgefallen, als wie sehr ich doch inzwischen im Hauptgang von fetthaltigeren Fleischstücken geprägt bin, so dass für meine Gewohnheit eine gewisse Langeweile von einem klassischen Edelstück ausging – bzw. das Besondere eher von allem um das Fleisch herum ausging.
Nach einer Eis-Praline als Presdessert geht es weiter mit dem eigentlichen Dessert.
Aus dem Topfenrahmeis / Sauerkirschen karamellisierter Blätterteig, Molke, Tonic, Grapefruit bin ich nicht recht schlau geworden. Die Kirschen sind klassisch gestaltet und mit einem Hauch Zimt und anderen typischen Gewürzen aromatisiert. Mit dem Salat ergeben sie einen spannenden und unerwarteten Effekt. Auch das Eis passt natürlich, aber die anderen Komponenten verschwimmen für mich einem mal eher cremigen, mal eher frischen Hintergrund. So wird die für mich gefundene Linie (Kontrast Kirsche –Salat – Eis) verwischt und ich bin etwas verwirrt, weil es ein bisschen unstrukturiert wirkt - auch wenn natürlich alles zusammen passt und auch schmeckt.
Als Sommelier hat sich mir ein junger Mann namens Dimitri vorgestellt, er präsentierte eine stimmige Weinbegleitung, die weitgehend harmonisch zu den Gerichten ausgewählt war. Insgesamt waren das alles gute Weine klassischer Prägung: Mir fehlte an einigen Stellen aber die Expressivität, die auf die Wirkung der Gerichte einen stärkeren Effekt hätte – sei es als Kontrast oder in zusätzlicher Hamronie. Bei den Gerichten, bei denen Hendrik Otto in diesem Menü mit Schärfe arbeitet, ist diese harmonische Herangehensweise grundsätzlich sicher passend, auch weil auf den Tellern neben den Hauptakkorden noch sehr viel Begleitmusik geboten wird. Aber beim Langostino und dem Haupthang hätten es ruhig etwas strukturiertere Weine sein können, deren Konturen nicht so direkt mit dem Gericht verschwimmen. Da ich keine Weinliste mitbekommen habe, verzichte ich auf eine weitere Beschreibung, weil mir außer einem leicht angereifter Riesling von August Kesseler zum Schweinebauch keiner geschmacklich besonders in Erinnerung geblieben ist.
Der Service im Adlon wird ja inzwischen von dem von mir aus dem Falco geschätzten Oliver Kraft geleitet. Alles läuft gewohnt rund und souverän. Beide haben bereits im Vitrum zusammengearbeitet. Aus dem Gespräch nehme ich die Vermutung mit, dass hier nun ein Tandem unterwegs, das sich gut versteht. Das scheint mir eine sehr gute Voraussetzung dafür zu sein, in den Feinheiten einige Verbesserungen zu erreichen, die meines Erachtens noch notwendig sind, um das vom Gusto gesehene Niveau zu erreichen. Ich hatte weitgehend das Menü gegessen, das in der aktuellen Ausgabe besprochen wird. Aus meiner Sicht war das Menü nicht ganz auf der Höhe von Bau, Wissler und Schnurr, kann aber mit den übrigen 10-Pfannen-Restaurants – wie ich finde - gut mithalten.
Hendrik Otto versteht es, der modernisierten Klassik eine eigene Facette hinzuzufügen: sein Thema ist der Einsatz von Schärfe. Manchmal ist es für mich die Intensität noch nicht optimal – wie zum Beispiel beim Sailbing. Auch erscheint es mir, als würde er sich hin und wieder auf sehr gute Kombinationen auf dem Teller zu verlassen. Stattdessen hatten einige Teller dann weitere Komponenten, die klare Linien – aus meiner Sicht - eher verwischt haben. Aber wen stören solche Details? Das Restaurant wird nicht nur von den in Berlin ja inzwischen vorhandenen Food-Touristen besucht. Es gibt dort auch ein Publikum, dass eher im Mainstream abgeholt werden will. Daher wären Provokationen und zu forcierte Ideen sicher nicht das Richtige. Aber einige Gänge, wie die Auster und die Kartoffel haben gezeigt, dass es möglich ist, beide Ansprüche gut zu verbinden. Wenn dies über ein gesamtes Menü gelingt, dann kommt das gewisse Etwas hinzu, das diesem Menü in voller Länge noch fehlte.
Zum Schluss gab es noch einige schöne Petit Fours. Darunter auch der Baba au Rhum spektakulär flambiert wurde.
Zuletzt geändert von QWERTZ; 28.12.2016, 22:53.
Kommentar
-
Das Lorenz Adlon Esszimmer hätte ich vermutlich nie besucht, wenn ich nicht über ein Gewinnspiel des Foodblogs Sternefresser ein Abendessen für zwei inklusive Weinbegleitung dort gewonnen hätte. So viel möchte ich vorwegnehmen: Es wäre ein nicht zu verzeihender Fehler gewesen.
So kehren wir am Wochenende pünktlich um 19h in das Hotel Adlon ein. Auch wenn ich mittlerweile etwas Erfahrung mit etablierten Adressen und gehobener Gastronomie mitbringe und mich normalerweise nicht verstelle, bin ich hier doch eingeschüchtert. Das Restaurant ist ohne große Hinweise erst einmal nicht zu finden und die Dame an der Rezeption besteht darauf uns persönlich hinzubringen und uns zu übergeben. Was denn der Anlass für ein so schönes Abendessen sei? In so einem Rahmen ist es mir dann doch ein bisschen unangenehm einzugestehen, dass ich schlicht gerne gut essen gehe. Ähnlich einem diplomatischen Besuch mit höchsten militärischen Ehren werden wir feierlich angekündigt: „Herr und Frau Frab sind zu Ihrer Reservierung erschienen“ und an das Restaurant übergeben.
Ab hier kommt dann zum Glück der Umschwung: Wir werden von der sehr freundlichen Frau Qazi empfangen zu der ich für die Reservierung Kontakt hatte und an den Tisch geführt mit einem imposanten Blick auf das Brandenburger Tor. Das Zimmer ist in der Tat etwas aus der Zeit gefallen: Deckenbemalung, eine monumentale Säule mitten im Esszimmer und eine Büste von Kaiser Wilhelm II. Nichtsdestotrotz fühlt man sich hier wohl und man hat in der Tat den Eindruck in einem Esszimmer zu speisen. In kurzer Zeit kommen wir mit mehreren aus dem Service in Kontakt, inklusive Sommelier und dem Maître Herrn Kraft, die alle gar nicht so pompös und traditionsbewusst auftreten wie das restliche Hotel. Ich bin erleichtert. Mit Freuden stelle ich zudem fest, dass an unserem Tisch bereits die Menükarte des 8-gängigen „HO-Q II“ (das steht für „Hendrik Otto-Quintessenz 2“) steht. Also das größere, und wie ich finde besser wirkende, der beiden möglichen Menüs. Zudem kündigt der Maître direkt an uns mit der Weinbegleitung zu versorgen. Das weckt Vorfreude!
Etwas unangenehm ist mir, dass wir zu Beginn miteinander flüstern müssen (dabei hatte ich das ja selbst noch in einem anderen Bericht kritisiert), da wir uns diskret über unsere Eindrücke austauschen wollen gleichzeitig aber nur der Tisch neben uns besetzt ist und wir die volle Aufmerksamkeit von mindestens 3 oder 4 Mitgliedern des Service besitzen, der beständig um uns herumwuselt. Das ändert sich aber schlagartig nachdem nach und nach alle Tische besetzt werden bis wir eine angenehm belebte Lautstärke erreichen.
Den Auftakt macht, sobald wir uns gesetzt haben, die fast schon bekannte Trilogie aus Curry Popcorn darin Apfel-Sauerampfer-Eis (das Popcorn wirkt leider nicht so frisch wie im Kino aber mit dem Eis ist das ein spannender Kontrast, * bis **), das Wachtelei unter Kräutern (spannend: Erst setzen geschmacklich die Kräuter ein, dann nach hinten raus das cremige Eigelb, **) und dann ein Brotchip mit Apfelkäse, Lardo und Kümmel (insbesondere der Kümmel ist schmeckbar – kein so „lauter“ Snack wie die anderen, *). Hier deutet sich schon an: Nichts ist auf dem ersten Blick vorhersehbar, mit jedem Bissen können sich Überraschungen ergeben. Alles lässt sich zudem in einem Bissen mit der Hand essen.
Da direkt danach schon verschiedene Brotsorten mit gesalzener Butter mit Blüten und eine Trüffelmayonnaise sowie Parmesan-Sticks serviert werden mache ich mir jetzt schon Sorgen wie wir das Essen mitsamt aller Kohlenhydrate schaffen werden. Das ist ein recht mächtiger Start und wir hatten erst spät gefrühstückt. Hier geht es Schlag auf Schlag (laut Herrn Kraft ist dies auch bewusst so gewollt) aber zum Glück stellen sich diese Sorgen im Verlauf als unbegründet heraus. Insbesondere an den Parmesan-Sticks finde ich Gefallen und die Brotsorten schaffen wir im Essensverlauf auch noch. Lediglich die Trüffelmayonnaise empfinde ich zum Brot als unpassend. Dazu serviert der Sommelier ein Glas Krug Grande Cuvée aus der Magnum-Flasche (und fragt im Menüverlauf mehrfach ob ich noch eins möchte).
Das nächste Amuse habe ich namentlich leider nicht mehr im Kopf. Es thematisiert Tom Kha Gai, dazu ein Glas u.a. mit Earl-Grey-Tee und Sake. Da ich eine kurze Sake-Historie habe, aber nie so Recht zu Sake gefunden hatte, bin ich verblüfft: Ausgerechnet hier serviert man mir erstmals ein kleines Getränk, wo der Sake raus zu schmecken ist aber keinesfalls störend sondern bereichernd – das habe ich bisher noch nicht erlebt. Toll (** bis ***).
Im ersten Gang „Gänseleber / Parfait, gefroren, roh - grüne Pfeffercrème, Ananaspapier, Buttermilch, braisierter Pfirsich, Estragon“ wird uns Gänseleber in drei Variationen serviert. Vermutlich um das Handwerksspektrum der Küche zu demonstrieren. Obenauf essbares, sehr gut gemachtes Ananaspapier. Alle Komponenten sind deutlich zu schmecken: Das süßliche Esspapier, der Pfirsich der einen kongenialen Gegenpart zur Foie Gänseleber bildet, die Buttermilch bringt Schaumigkeit hinzu und die grünen Punkte sind hier elementar – bringen sie doch über die Pfeffercreme eine pikante Würze ein. Auch die gefrorene Gänseleber macht Freude, sie lässt sich mit der Zunge spielend leicht zerdrücken. Dazu wird uns ein Glas exzellenter Süßwein kredenzt, Erzeuger leider nicht im Kopf. Zudem gibt es noch Baguette-Sticks, die aber etwas hart im Biss und etwas beißend im Geschmack sind. Auch wenn wir genug Brot haben finde ich so eine Begleitung zu Geflügelleber nie verkehrt (und hatte sie bei Tim Raue zuletzt vermisst), für eine Wiederholung wäre mir dann aber eine klassische Brioche doch lieber, da das Baguette nicht im selben Maße aufnahmefähig ist. Ein sehr gelungener Start mit dem Gegner von Multikomponententellern so manches Problem hätten. Seit diesem Besuch zähle ich mich nicht mehr zu diesen (**).
Hiernach kommt nun die klassische Küche mit “Langostino / Krustentierfond - Fenchel, Pastiskaviar, Avocado, Basilikum“: Eine tiefe Schale mit drei Stücken rohen Kaisergranats, Staudensellerie, Fenchel und kleine Kaviarkügelchen, die aber für mich wenig beisteuern. Angegossen wird der tiefe, heiße und sehr schmackhafte Krustentierfond in dem der Kaisergranat gart. An der Seite liegen zwei kleine Brote mit Avocado, Basilikum, Tomate. Ein überzeugender Produktfokus, sehr gut (**). Für allerhöchste Weihen müsste der Fond noch tiefer und duftender sein – bei JYs im Elsass hatten wir hierzu vor einem Jahr eine absolute Sternstunde erlebt. Im Hintergrund wird eine Effekthaschende dampfende Kanne (vermutlich Stickstoff) aufgestellt, welche den Duft verteilen soll. Ein netter Gag, mehr nicht.
Der nächste Gang sorgt dann für Verblüffung. Mit dem „Eingelegter Pulpo / Gemüse Gewürzsauce und gegrillte Aubergine, gesalzener Joghurt, Dill“ wird tatsächlich eine Schale mit Pommes serviert, obenauf etwas Paprikapulver, unten am Boden eine Remoulade. Laut Herrn Kraft basiert dieser Gang auf Hendrik Ottos Vorliebe für spanische Tapas und die Kombination aus Kartoffel und Pulpo erscheint vor diesem Hintergrund gar nicht mehr abwegig. Auch wenn diese unscheinbar wirken sind laut Herrn Kraft etliche Stunden Forschung & Entwicklung hierein geflossen, um sie knusprig und von innen cremig zu machen. Dies macht sich bereits bemerkbar, aber ich glaube das Ende der Fahnenstange ist in puncto Knusprigkeit noch nicht erreicht. Der Pulpo thront auf der Gewürzsauce, die weißen Punkte sind Ayran (gesalzener Joghurt). Das ist schön gemacht aber der Pulpo kommt leider eher in Form von Kaumaterial her und geht gegen die Pommes geschmacklich etwas unter. Star des Gerichts sind dadurch tatsächlich die Pommes (sogar mit Pommesgabel) aber mehr noch als diese die darunter liegende Remoulade, die nicht nur den so typischen Geschmack in feiner wiedergibt sondern auch eine Schärfe, die sich immer weiter ausbaut je länger man probiert aber nie die Grenze überschreitet. Wir sind verwundert warum sich die Remouladen bei uns beiden farblich unterscheiden aber der Grund ist schnell gefunden: Meine Begleitung mag keine Paprika, ich hatte das vorher angekündigt, und die Küche hat einen passenden etwas kräuterigen Ersatz gefunden. Sowas klappt auch in den besten Restaurants nicht immer so reibungslos wie hier (der Pulpo bei *, die Pommes bei **). Spaß macht zudem wie unkompliziert dieser Gang hier ist. Obwohl wir auf der Karte jederzeit lesen können was kommt, ist es dann doch unmöglich vorherzusagen welches Erlebnis auf uns wartet.
So langsam geht die Sonne unter und taucht das Brandenburger Tor im Abendlicht.
„Schellfisch / Tomatenauszug - Aubergine, Zitrone, Staudensellerie, Apfel, Koriander“ ist für mich dann der schwächste Gang des Abends. Auf einem geschmacklich faden Schellfisch, der mich dann (geschmacklich, nicht vom Handwerk her!) eher an die Tiefkühltheke denn an ein hoch prämiertes Restaurant erinnert, thronen die verschiedenen Komponenten sowie ein Seealgenchip, der gut gelungen ist. Die Aubergine zieht sich durch eine hierunter liegende Creme hinein und passt sehr gut. Rund um den Fisch liegt kreisförmig der Tomatenauszug, der aber geschmacklich ebenfalls wenig beiträgt (knapp * durch die spannenden Komponenten rund um den Fisch).
Auf den Schwachpunkt folgt dann der Höhepunkt, so schnell geht das hier: “Gebackenes Schweinekinn / glasierte Roscoff Zwiebeln - geräucherte Kartoffelcreme, Birnenessig, Rosmarin“ begeistert mich entlang vieler Facetten, die sich durch das Foto leider gar nicht erfassen lassen. Da wäre der fabelhafte Schweinebauch an sich, saftig und hervorragend doch knusprig. Die Sauce, vermutlich durch den Birnenessig, weckt lange verlorene Erinnerungen an meine ersten persönlichen Berührungspunkte mit der japanisch orientierten Currysauce in Japan, die dort oft mit Reis serviert wird („Curry Rice“). Obenauf liegt eine frittierte „Blüte“ (?) die ebenfalls wieder Crunch hinzufügt. Viel zu schnell ist dieser Teller leer und die Sauce bis auf den letzten Tropfen aufgewischt. Bin ich hier in der schmackhaftesten Garküche Asiens gelandet oder in Berlin? (***)
Es geht weiter: “Deutsches Färsenfilet / Schmorfond - Speckbohnen, grüner Spargel, Petersiliencreme, Majoran, Pfefferkraut“ bietet traumhaftes Rinderfilet mit sensationeller Marmorierung. Eine pikante rötliche Sauce gibt es hier ebenfalls wieder. Obenauf liegt in eine Art Miniaturpfannkuchen kleiner, knackig gegarter, grüner Spargel. Der kleine Kräuterwald hierneben verbirgt die sehr schmackhaften Speckbohnen. Und hier ist ebenfalls wieder ein toller Fond angegossen. Insbesondere diese Rindfleischqualität habe ich bislang erst einmal im Chef’s Table at Brooklyn Fare in NYC erlebt (** bis ***).
Hiernach kommt als Pre-Dessert ein falsches „Babybel“ bestehend aus Kirschkäse in einer Haut aus Kürbissuppe, auch die Miniaturkomponenten obenauf steuern Geschmack bei.
Kommentar
-
+++ TEIL 2 +++
“Blauschimmelkäse / geschmorter Kopfsalat - Salzzitrone, Kapern, Wiesenkerbel“ ist der Käsegang und bricht mit den Konventionen. Vor diesem Gang hatte ich mich, aufgrund einer Abneigung gegen sehr kräftigen Käse, etwas gefürchtet. Wie sich herausstellt unbegründet, da der Käse gegen den geschmorten Kopfsalat nicht ankommt. Ich schmecke hauptsächlich warmen, dennoch knackigen Kopfsalat mit cremigen Untertönen – für mehr reicht mein Erinnerungsvermögen leider nicht mehr (*). Die stramme Weinbegleitung – der sehr sympathische Sommelier spult hier ein Kraftprogramm ab – macht sich bemerkbar!
Als Einschub wird uns aus einer dampfenden Weinbox ein kleines Eis serviert, welches wie ein Miniatur-Magnum daherkommt und durch sehr gute dunkle Schokolade überzeugt.
Das Dessert “Erdbeeressenz / Sauerklee-Basilikumeis - Olivenöl, Topfen, getrocknete Milchhaut“ sieht durch die getrocknete Milch sehr experimentell aus. Mit dem Löffel kurz zusammen gedrückt ergibt dies vielmehr eine köstliche Essenz aus kühler Erdbeere mit leichtem Basilikumeinschlag. Das tropfenweise Olivenöl passt hier indem es die Fruchtigkeit interessanterweise noch unterstützt (* bis **).
So langsam neigt sich der Abend dem Ende hin. Insbesondere die Weinbegleitung und der Dessertwein, ein angenehm holziger süßer Portwein von Niepoort (generell war die Weinbegleitung eher süß geprägt) macht weiterhin sehr großen Spaß. Zum Kaffee gibt es gute Petit Fours und zum Abschluss ein flambiertes Cannelé mit weißer Schokolade in einer Sauce aus Passionsfrucht. Obenauf wohlschmeckende Sahne, ein sehr guter Abschluss (**), diesmal wieder klassisch motiviert.
Fazit: Ein fantastischer Abend! Für Berlin sehe ich nach meinen bisherigen Besuchen nunmehr das Lorenz Adlon Esszimmer im Gesamterlebnis an der Spitze vor dem Fischers Fritz und Tim Raue. Mehrfach beweist Hendrik Otto an diesem Abend, dass die Ambitionen auf 3 Sterne nicht unbegründet sind – wenn er es schafft seine Stärken, insbesondere die klare rote Linie eines kreativen Ausbaus der klassischen Küche, weiter zu kanalisieren sehe ich den weiteren Weg nach oben vorgegeben. Im Fischers Fritz war das Essen klassischer und meines Erachtens noch einen Ticken stärker, dafür fällt Ambiente, Service, Weinbegleitung im Vergleich deutlich ab. Das Lunch bei Tim Raue ist natürlich ein anderer Vergleichsmaßstab, konnte für mich aber auch beim Essen nicht ganz mithalten. Auch die Weinbegleitung hat hier einige Ausrufezeichen gesetzt – ist zudem der Sommelier an der Flasche, werden hier auch konsistent 0,15l je Glas angestrebt.
Zudem beobachte ich für mich selbst eine gewisse Emanzipation, der ich vorher auch eine Küche mit starkem Produkt- und Wohlgeschmackfokus bevorzugt habe: Auch diesen Abend hätten Produkt- und Wohlgeschmacksfanatiker wie Trois Etoiles mit Sicherheit wieder abgestraft – zu viele Komponenten, zu wenig Fokus auf einzelne Produkte, eine Kanne die Dampf versprüht, nur selten Saucen oder Einzelprodukte die einen umhauen. Darum geht es hier im Esszimmer aber für mich einfach nicht: Es geht darum beständig das Korsett der klassischen Küche zu erweitern, neue Eindrücke zuzulassen, immer wieder aber auch bodenständige Akzente zu setzen (Pommes mit scharfer Remoulade als Beilage), geschickt mit den Sinnen zu spielen. Schon nach 2 Gängen sage ich zum Maître: „Hier liest man die Karte aber weiß trotzdem einfach nie was als nächstes kommt“ und diese positive Unvorhersehbarkeit ist für dann die ganz große Stärke dieses Abends. Am stärksten bleibt mir dann natürlich die Erinnerung nichtsdestotrotz an die klassischeren produktorientierten Gänge (Kaisergranat, Schweinekinn, Färsenfilet) aber hier steht das Gesamtkonzept über allem.
Das i-Tüpfelchen setzt der Service, der hier nicht nur von einem sehr starken Maître abhängt (ein Unterschied zu meinem Besuch beim Fischers Fritz und stellenweise bei Tim Raue): Ganz im Gegenteil, der Service zeigt sich ungemein vielseitig. Hervorheben möchte ich natürlich Herrn Kraft, den wir stellenweise mit Gesprächen an unseren Tisch gefesselt hatten und fast schon einen dritten Stuhl zum Dazusetzen anbieten wollen. Unsere Gespräche gingen lange und breit über die Restaurantlandschaft in Berlin als auch Deutschland, die Foodblog-Szene, seine Zeit im Falco, Küchenstile, Tempo des Servierens und vieles mehr. Besonders beeindruckt haben uns daneben aber auch Frau Torrico und ihre unverkrampfte Art – mit ihr am Tisch haben wir Tränen gelacht und sie hielt zu später Stunde stellenweise mehr und mehr Mitglieder des Services an unserem Tisch an bis wir irgendwann das Epizentrum der Heiterkeit bildeten. Auch der neue Sommelier, Herr Jalali kann es laut Fotos definitiv nicht gewesen sein, bietet Entertainment vom Feinsten und konnte nach der Frage zu seinem Lieblingschampagner ohne Unterbrechung erzählen. Zuletzt hervorheben möchte ich auch den Azubi an unserem Abend, der eigentlich nur seine 6-wöchige Rotation im Rahmen der Ausbildung im Hotel Adlon im Esszimmer absolvierte – mit so wenig Erfahrung ein solches Maß an Sympathie und Souveränität mitzubringen habe ich noch nicht erlebt. Für mich sortiert sich das Team ganz knapp hinter das Vendome Service-Team an die Spitze aller meiner globalen Restaurantbesuche ein was aber an der herausragenden Performance von Herrn Franzelin bei unserem damaligen Besuch gelegen hat. Meine Begleitung sieht es gar anders herum.
Das Menü inklusive korrespondierender Weine schlägt laut Karte mit €350 p.P. zu Buche. Das halte ich angesichts dieser Tour de Force für mehr als angemessen. Bei der Frage nach der Rechnung (wir hatten bei der Weinbegleitung zum Schluss doch sehr gut zugelangt) entgegnet Herr Kraft, dass diese für uns heute nicht existiert. Wir kamen um 19h und gingen erst nach weit nach Mitternacht. Und es ist noch nicht vorbei: Zum Abschied kriegen wir noch eine kleine Box „für zuhause“ aus einem Schrank mitgegeben. Drinnen versteckt sich ein sehr schmackhaftes Törtchen aus weißer Schokolade. Als würde dieser Abend nie aufhören …
Kommentar
-
Als ich an diesem Abend zum ersten Mal das „Adlon“ betrete, kann ich eine gewisse Anspannung nicht verleugnen. Nicht nur habe ich vor, im Gourmet-Restaurant des ersten Hauses am Platze zu speisen, ach was, im wohl bekanntesten Hotel der Republik - nein, es ist auch das Restaurant mit der wohl renommiertesten Aussicht, die man sich vorstellen kann, dem Blick aufs Brandenburger Tor. Natürlich nur, wenn man auch einen entsprechenden Tisch hat. Wir haben einen in der Bibliothek, wo die Fenster nicht bodentief sind und wenigstens die Quadriga zu sehen ist, wenn man sich ein wenig streckt.
Die der Historie des Hauses geschuldete Ehrfurcht legt sich bereits bei der Begrüßung, die betont herzlich ausfällt. Und auch der übrige Service unter dem charmanten Maître Oliver Kraft, der 2016 aus dem Leipziger „Falco“ hierher wechselte, agiert erfreulich unprätentiös. Ich hätte das jetzt an diesem Ort durchaus viel formeller erwartet.
Von Hendrik Ottos Küche habe ich, außer einigen Berichten, die ich im Vorfeld natürlich gelesen habe, keine rechte Vorstellung und gehe also mit weitgehend jungfräulicher Erwartung in diesen Abend.
Die Amuses werden alle gleichzeitig serviert und sind, neben einigen feinen Blätterteigstangen, im wesentlichen etwas größere, mit den Fingern zu essende Happen.
Besonders in Erinnerung bleibt mir dabei ein Chip mit einem Exotic-Eis und Hummermayo sowie ein Estragonsalat, unter dem sich ein Wachtelei verbirgt und das im Mund erst relativ spät seine Cremigkeit zur herben Kräutrigkeit entfaltet. Ein weiterer Snack wird als Apfelkäse angekündigt, worunter ich mir nicht viel vorstellen kann. Er ist mit Lardostreifen umwickelt und bietet zumindest ein schönes Spiel mit unterschiedlichen Texturen.
Amuses Bouches
(vorne: Hummermayo & Exotic-Eis / Estragonsalat auf Wachtelei / Apfel-Käse)
Gleiches gilt auch für einen weiteren Gruß, den ich allerdings noch weniger in seinen Zutaten erinnere. Ingwer ist noch hängen geblieben. Der Rest verschwamm schnell in der langen Ankündigung aller Einzelbestandteile sämtlicher Amuses. Gut geschmeckt hat's aber allemal.
Dagegen nahm sich das in Sake marinierte Radieschen mit Chiasamen und Sesam relativ brav aus. Hat aber auch geschmeckt.
Das Brot wird effektvoll in einer Schale mit Steinen und Kräutern serviert. Spannender allerdings finde ich die mit Kräutern und Blüten aromatisierte Butter und noch mehr die köstliche Trüffelmayonnaise.
Brot, Butter, Trüffelmayo
Nach diesen detailverliebten Einstimmungen überrascht die Vorspeise ins Menü mit einer unerwartet reduzierten Präsentation. Unter recht dezent schmeckendem, hauchdünnen Ananaspapier findet sich eine fein abgeschmeckte Gänselebercreme. Das ist eine schöne Abwechslung zu den üblichen Terrinen oder gebratenen Versionen. Mit den eingelegten Feigen und dem Feigensud gerät alles aber etwas süß mit einem nahezu weihnachtlichen Touch. Das Gericht schmeckt gut, wirkt aber für mich auch bald ein wenig eindimensional. Der Wein, eine wunderbare 1992 Riesling Auslese von J.B.Becker aus dem Rheingau, der man ihr Alter so gut wie nicht anmerkt, liefert die so dringend benötigten Säureakzente.
Gänselebercreme/ eingelegte Feigen
Ananaspapier, Muscovado Zucker, Kaffee, Chili
Auf gewisse Art ebenso reduziert, aber auch irgendwie klassischer präsentiert sich der nächste Gang. Ein confierter Langustino von fabelhafter Qualität paart sich mit Staudensellerie und Fenchel und einem sehr guten, intensiven Bouillabaisse-Fond.
Confierter Langostino / Bouillabaisse Fumet
Fenchel, Stangensellerie, Pastiskaviar
Wunderschön ist der folgende Teller mit einer perfekt gegarten Seezunge und einem Arrangement von Kopfsalat, der mit Schalotten, Aioli, und Blumenkohl ganz leicht gefüllt ist. Dazu gibt es zwei sehr aromatische Cremes. Der angekündigte Lakritz ist für mich nicht zu schmecken, aber darüber bin ich auch nicht so traurig. Lakritz gehört nicht unbedingt zu den Zutaten, die ich besonders mag oder die in anderen Gerichten bei mir größeren Eindruck gemacht haben. Das Spiel aus kalt und heiß funktioniert dafür ausgezeichnet. Ich notiere mir hierzu im Fazit ein kurzes und knappes „toll“.
Seezunge / Kopfsalat
roher Blumenkohl, Schalotten, Lakritz, Safran
Wie sehr die Küche von Hendrik Otto zu überraschen weiß, zeigt sie mit dem Norwegischen Lachs, der erneut mit allen, wie auch immer gearteten, Erwartungen bricht. Das glasig gegarte Stück kommt mit einer Auflage von Rapssaat und Pfeffer auf einer Dillcreme. That's it. Purismus pur. Null Schnickschnack, null Tupfen, nichts weiter. Ein wunderbares Produkt, ausgezeichnet zubereitet und gewürzt. Das ist ganz ausgezeichnet.
Der à part servierte Dim Sum im würzigen Sud ist ohne Frage sehr gut, irritiert aber auch, denn es will sich kein Zusammenhang zum Lachs herstellen. Er wirkt mehr wie eine Fingerübung, mit der Hendrik Otto en passant sagen will: „Schaut her, asiatisch kann ich auch.“
Betrachte ich beide Gerichte separat und nicht als eine zusammengehörige Komposition, ist jedes für sich ausgezeichnet.
Norwegischer Lachs / Rapssaat
Szechuan Pfeffer, Tannenhonig, Dill, Gewürzsud
...à part Dim Sum
Vielleicht sollte der Dim Sum aber auch als Überleitung zum gebackenen Schweinekinn dienen. Der kommt mit gepufftem Wildreis für den Knusper und glasierten Roscoff-Zwiebeln. Das ist sehr würzig und kräftig. Dass es dazu einen Salat aus Spinat, Rucola, Koriander und Nüssen gibt, ist eine so simple wie kluge Entscheidung, weil es den Gang automatisch leichter erscheinen lässt.
Gebackenes Schweinekinn / Wildreis / glasierte Roscoff Zwiebeln
geräucherte Kartoffel, Yuzu, Birnenessigjus, Rosmarin
...à part Salat
Auf die Taube im Hauptgang freue ich mich natürlich besonders, weil dies mein Lieblingsfleisch ist. Allerdings werde ich mit der Brust nicht vollständig glücklich, denn sie ist etwas sehnig. Kann passieren und ist auch nur partiell, aber es trübt den Gesamteindruck etwas. Sehr schön dafür die gefüllte Keule, die originell und würzig in zwei Knöchelchen eingefasst ist. Der Sellerie in relativ großem Stück und der wilde Brokkoli sowie die tiefe Currysauce unterstreichen den eher klassischen Charakter dieses Gerichtes.
Taube / Zimt / Brokkoli
schwarzer Knoblauch, Muskatblüte, Currysauce
Als Übergang zum Käsegang gibt es die Interpretation eines bayrischen Klassikers. Obatzta mit einem Weißbiergelee und Rettich auf einer Brezel liefern einen leicht bitteren, aber typischen Gesamtgeschmack.
Pré-Dessert: Obatzta, Weißbiergelee, Brezel
Obwohl ich einen schönen Käsewagen sehr zu schätzen weiß, freue ich mich regelmäßig fast noch mehr über kreativ zubereitete Käsegänge. Hendrik Otto schafft dies mit einem meiner Lieblingskäse, dem Fourme d'Ambert mit geeistem Quark und Rosinen, getrocknet und püriert. Das ist würzig und süß gleichermaßen und mit den getrockneten Apfelscheiben ist dies nicht nur ein schöner Gang, sondern auch eine gelungene Überleitung zur süßen Abteilung.
Fourme d'Ambert / geeister Topfen
eingelegte Rosinen, Zitrone, Minze
Mit etwas Show-Bohei und Trockeneis gibt es ein kleines Mini-Magnum vor dem eigentlichen Dessert.
Mini-Magnum
Hier trennen sich am Tisch die Wege, denn abweichend vom vorgesehenen Dessert im großen Menü entscheide ich mich für das etwas frischer klingende Dessert aus dem kleinen Menü.
Nicht nur optisch präsentiert sich das eindrucksvoll. Hier ist alles stimmig: Joghurt, Milchreme als eine Art Panna Cotta, Himbeere und weiße Schokolade gehen mit den getrockneten Rhababerstreifen eine erfrischende, leicht säuerlich harmonische Liaison ein.
Getrockneter Rhabarber / Schokoladenscherben
gefrorener Joghurt, Himbeere, Dillöl, geschmolzene, karamellisierte Milchcreme
Mein Mann geht den etwas weniger sicheren Weg und entscheidet sich für die Schokoladenmousse mit Lorbeereis und etwas Salat aus Zaunerbse und Blutampfer. So extravagant das klingt, so stimmig geht das letztlich auf und markiert ein gekonntes Dessert zwischen Traditionalismus und Modernismus.
Mousse von Caraibe und Dulce Schokolade / Lorbeercremeeis
gesalzenes Limettenkaramell, Zaunerbse, Blutampfer
Die Petits Fours fallen relativ traditionell aus mit einer Schwarzwälder Kirsch-Interpretation, einer Käsekuchencreme und einer weißen Schokoladenganache mit Rosmarin. Das ist alles sehr fein gearbeitet.
Am Tisch wird dann noch ein Miniguglhupf mit Grand Marnier flambiert. Ein Auszug von Tee und Orangen liefert Saftigkeit, ein Basilikum-Zitrusschaum überdeckt zwar alles optisch, aber nicht geschmacklich. Schöner Abschluss!
Wenn man in ein Restaurant zum ersten Mal geht, zumal wenn es so ein exponiertes ist wie dieses, und keine genaue Vorstellung davon hat, was einen erwartet, dann ist dies ein überraschender und teilweise unerwarteter Abend gewesen. Stilistisch fällt es mir schwer, Hendrik Ottos Küche einzuordnen. Aber irgendwie machte der Abend auch den Eindruck, als wolle sich Otto bewusst einer Schublade entziehen. Sehr reduzierte und teilweise sogar minimalistische Gerichte wechselten sich ab mit detailverliebten und vielschichtigeren Gängen.
Etwas Show durfte zwischendurch auch sein, aber die hielt sich erfreulich in Grenzen.
Alles in allem war dies ein fabelhafter Abend, bei dem der Service auch dazu beigetragen hat, dass man zwischendurch immer mal wieder vergessen hat, in welchem geschichtsträchtigen Haus man sich gerade befindet. Natürlich ist ein Abend hier nicht in der Schnapperabteilung zu bekommen. Aber was man geboten bekommt, ist sein Geld mehr als wert.
Die Weinbegleitung, die auch das Mineralwasser enthält, ist uneingeschränkt empfehlenswert. Sie ist hochklassig und ausgezeichnet abgestimmt auf das nicht immer einfache Menü.
Weinbegleitung
Wir sind alkoholtechnisch gut bedient, aber Hans-Martin Konrad als Sommelier versucht natürlich noch zurecht sein Glück, uns zu einem Digestif zu überreden. Mit welchem Charme er dies tut, hätte belohnt werden sollen, aber wir müssen einfach passen. Dass er eine Wildkirsche vom Weingut Fürst mit den Worten „Adlon oblige – zum Preis eines kleinen Bausparvertrages“ ankündigt, verdient eigentlich schon alleine eine Auszeichnung für entwaffnende Ehrlichkeit. (Den Preis wissen wir allerdings immer noch nicht.)
Aber davon unberührt bleibt, dass dieser Abend großen Spaß gemacht hat, eine fabelhafte Küche mit vielen überraschenden Momenten geboten hat und viel Ehrfurcht vor dem großen Namen des Adlon genommen hat. Sparen wir aufs nächste Mal und freuen uns darauf!
Bericht und sämtliche Bilder auch auf meinem Blog: http://tischnotizen.de/lorenz-adlon-esszimmer-berlin/Zuletzt geändert von thomashaj; 03.05.2018, 21:47.
Kommentar
-
Werter thomashaj, da ist es Ihnen genauso positiv ergangen wie mir (mein Bericht steht hier ja weiter oben). Sehr spannend finde ich, dass wir auf den ersten Blick sehr ähnliche Gänge hatten aber beim Blick auf ihre Fotos deutlich wird, dass sich entlang vieler Gänge etwas weiterentwickelt hat.
Ihre Punkte bzgl. Vielseitigkeit der Küche kann ich nur unterstreichen.
Kommentar
-
Ja, diese Parallelen sind mir auch aufgefallen und ich fand es ebenso interessant zu sehen, wie Hendrik Otto manche Gerichte, wie die Gänseleber, den Langostino oder das Schweinekinn offenbar weiter entwickelt. Von den drei Signature-Tupfen hat sich Hendrik Otto offenbar mittlerweile weitestgehend verabschiedet. Wir hatten sie nur noch bei einem Gang...
Kommentar
-
Als ich zuletzt im Adlon war, gab es nicht nur durchgängig die drei Punkte, sondern auch eine markante Schärfe und oft sehr intensive Aromen (für mich in der Summe einen Tick zu viel, die die Feinheit der Kompositionen zu zeigen). Hast Du ähnliches empfunden, vor allem in der Gesamtwirkung des Menüs?
Kommentar
Kommentar