Anfang Juli war ich mit Gourmet-Freunden in Berlin unterwegs. So viele neue und noch nicht besuchte Restaurants konkurrieren dort um mein Interesse mit mir gut bekannten und von mir sehr gemochten Restaurants, sodass die Auswahl für einen mehrtägigen kulinarischen Aufenthalt mit Freunden schwerfiel. Am ersten Abend bin ich bewusst in BRIKZ gegangen, das Arne Anker während des Lockdowns eröffnet hat. Natürlich aus Neugier darauf, was der aus dem Pauly Saal bekannte Koch nun in der Selbständigkeit entwickelt hat, aber auch wegen der von mir erhofften interessanten Weinauswahl von Maria Rehermann. Das BRIKZ liegt etwas nördlich des Savignyplatzes, viele Restaurants unterschiedlicher Kategorie befinden sich in der näheren Umgebung. Arne Anker vermarktet die Plätze über das Ticket-System Tock. Er hebt hervor, dass er im BRIKZ seine Karte stets an das aktuelle Tagesangebot anpasst. Im Angebot ist ein fixes Menü. Arne Anker betont, dass er dieses mehr oder minder täglich ändert und an die Marktlage anpasst. Bei der Ankunft ist das Restaurant noch recht leer, eine einzelne Dame an einem Tisch ist schon mitten in ihrem Menü und eine Familie hat einen Tisch gerade eingenommen. Das Restaurant selbst wird durch eine Ziegelwand – daher der Name BRIKZ – bestimmt. Die optische Wirkung und die Einrichtung ist eher casual als fine Dining. Gäste, die mit Fine Dining nicht so vertraut sind, wird die Atmosphäre nicht abschrecken.
Auf der Karte werden zwei Amuses genannt - sie werden allerdings aber auf einem Teller serviert. Die Information, dass das als zwei getrennte Einstimmungen zu sehen ist, wäre hilfreich, denn ich versuche zwischen dem Fenchel und den Beeten vergeblich eine kulinarische Verbindung zu finden – für sich allein genommen, sind die Kleinigkeiten aber stimmig – und einen schönen Champagners dazu…
Der Fenchelstrunk ist ziemlich bissfest. Die feinen Röstnoten stehen ihm gut und auch die würzige Creme passt ebenfalls.
Die Bete wird mit etwas geräuchertem Aal serviert, der in Kombination mit der leichten Erdigkeit eher wie Schinken schmeckt.
Reh | Spitzkohl – Die Rehkeule ist geschmort und mit Senfkörnern und gut gewürztem Jus angemacht. Das Fleisch ist in seine Fasern zerfallen, bzw. wurde gezupft, hat aber einen schönen Biss. Die Würze kommt erst nach und nach zur Geltung, wenn sich die Senfschärfe Bissen für Bissen mehr am Gaumen „festsetzt“. das Fleisch wird zimmerwarm serviert. Auch der Spitzkohlsalat ist nicht zu intensiv angemacht und schmeckt nicht sonderlich „kohlig. Die beiden Stängel auf dem Teller sind von der chinesischen Keule, die mehr oder minder wie Spargel gegart werden können. Der Geschmack erinnert eher an grünen Spargel. Geschmacklich überzeugt das Gericht vor allem durch die intensive, von der Senfsaat bestimmten Würze, die von dem Salat gut eingebunden wird.
Der begleitende Spill Xarel-lo von Tom Rimbau aus dem Penedés in Spanien überzeugt auf ganzer Linie zu dem Gericht. In der Nase sind typische, an Sauerkraut erinnernde Fermentationsnoten wahrnehmbar, die natürlich gut zum Kohl passen. Aber vor allem der ziemlich kräftige mineralische Zugriff zum Essen kann dem Gericht mehr Struktur geben. Zudem gewinnt Wein zunehmend an deutlich Tiefe, die Würze des Gerichtes gut einbinden, trotz wirkt er wie über den Dingen „schwebend“.
Matjes | Frühlingslauch wird mit einem Kaviar-Add-on angeboten, das ich gerne bestelle. Auf dem Teller finden sich zwei sehr schöne fein-fettige Matjes Tranchen. Diese sind kombiniert mit geflämmtem Frühlingslauch und Kohlrabi, sowie einer würzigen Mayonnaise und der Vinaigrette aus Lauch und Verbeneöl. Die Kombination von Fett mit der feinen Würze des Lauchs bzw. des Kohlrabis gefällt mir sehr gut. Einerseits füllt sie zwar den Mundraum aus, aber anderseits ist die Kombination nicht zu druckvoll. Mit der Mayonnaise kommt dann ein feiner Booster dazu. Der Kaviar kann hier als salzig-fisches Würzelement durchaus Dienste leisten. Aus dem Teller ist er aber leider auf einem der Matjesstücke platziert. Das ist nachteilig, denn es verleitet viel zu viel Kaviar auf einmal zu nehmen und so die Salzigkeit in unnötige Höhen zu bringen. Ich verfrachte die Nocke daher an den Tellerrand und genieße dann abwechselnd die Happen, was für mich das Spektrum des Geschmacks wie weiter öffnet.
Der 2019er Malvasia „Avior“ von Cati Ribot aus Mallorca überzeugt ähnlich wie der erste Wein durch einen kompakten, hier dunkel-steinige Mineralik. Etwas Probleme hat er meines Erachtens mit der Salzigkeit des Kaviars, die zu dominant ist.
Nun wird eine Scheibe Brot mit aufgeschlagener Butter serviert. Mir gefällt die Form, die viel Krume und wenig dunkel, röstige Kruste mitbringt.
Dann folgt schon der Hauptgang: Färse | Dicke Bohnen heißt er auf der Karte. Das sehr schöne, zarte und zugleich aromatische Filet von der Färse wird ergänzt durch fermentierten Kürbis, der relativ fest im Biss ist und einer Sambalcreme. Der Jus ist eher leicht. Das erlaubt den Bohnen und dem Kürbis Frische auszuspielen und dem Gericht so mehr Leichtigkeit geben.
Dazu gibt es einen 2015er Rosso di Montalcino Salicutti, dem Weingut der Familie Eichbauer, der nicht zu kräftig ist und so die Frische das Gemüses nicht überlagert. So ist die gesamte Kombination sehr gut balanciert.
Das Dessert Schokolade | Vanille gefällt mir nochmal ausnehmend gut. Die Kombination mit den marinierten Beeren, allen voran den sehr schön aromatischen Erdbeeren sind es rund und optimal abgestimmt zwischen Schokolade, Milch und Frucht.
Dazu gibt es ein ziemlich an Kaffee erinnernden Cherry Rebell by LMV – passend.
Zum Abschluss gibt es noch einen kleinen Petit Fours Teller mit einem Madelaine und einem Fruchtgelee…
Das Menü im BRIKZ ist auf vier Gänge beschränkt. Arne Anker will, dass das Menü innerhalb von eineinhalb Stunden serviert ist, damit in dem kleinen Restaurant mehrere Seatings möglich sind. Gleichzeitig denke ich, kann das Menü natürlich auch Gäste ansprechen soll, die zwar gut essen wollen, aber für die ein Restaurantbesuch nicht eine abendfüllende Veranstaltung sein soll. Dafür gibt es, gerade in Berlin, sicher einen Markt. Ich persönlich würde es begrüßen, wenn es vielleicht einen zusätzlichen Gang als Add-on gäbe.
Arne Anker und seinen beiden Mitstreiter in der Küche präsentieren ein sehr ausgereiftes, in sich stimmiges Menü. Es wird – außer natürlich beim Kaviar – auf offensichtliche Luxusprodukte verzichtet. Stattdessen stehen heimische Zutaten im Zentrum, die aber ohne den „Regional-Zirkus“ präsentiert werden. Die Aromenstrukturen sind komplex, Proportionen gut austariert, komplex und ungewöhnlich. Das hat für mich Sterneniveau. Mit dem Setting und der Konzentration auf ein kurzes Menü scheint mir der Stern jedoch kein für das Konzept entscheidender Punkt zu sein. Hier geht es darum, Gäste zu gewinnen, die Qualität suchen, aber nicht so viel Geld ausgeben wollen, bzw. Gourmets, die vielleicht auch mal nicht so viel Zeit für ein umfassendes Dinner haben. Man könnte sagen: das BRIKZ bietet sowas wie ein wundervoller Gourmet-Lunch - allerdings am Abend.
Als ist das Restaurant verlasse, ist es übrigens gut gefüllt - zurecht, bei der erlebten Performance
An dieser Stelle empfehle ich die Podcast Folge mit Maria Rehermann. Eine Episode mit Arne Anker ist ebenfalls im Kasten und folgt in einigen Wochen.
Kommentar