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Atelier Wilma*, Frankfurt (geschlossen)

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  • Atelier Wilma*, Frankfurt (geschlossen)

    Frankfurt hat ein neues Sternerestaurant. Toll, kennen wir noch nicht, müssen wir unbedingt hin!

    Ich recherchiere ein bisschen im Netz und finde diesen Pressetext: „18 Edel-Schlitten und keine Garage. Gaumen-Rebell Michael Riemenschneider (34) hat einen Auto-Fimmel und ein Luxus-Problem! Vor seinem neuen Restaurant „Atelier Wilma" in der Schneckenhofstraße parken Aston Martin, Landrover, Dodge. Drei seiner PS-Boliden will er immer zur Auswahl vor der Tür haben.“

    Ich bin irritiert, google weiter und schaue mir einen Spot an. Da inszeniert sich ein überbordend lockerer junger Mann in zerrissenen Jeans und erzählt etwas von „casual meets luxury“ (verstehe, er hat auch in London gearbeitet) und dass man zu ihm mit Flip Flops, kurzer Hose oder im Schlafanzug kommen kann. Er habe auch in Paris beim „Drei-Sterne-Koch Garnier“ gearbeitet (ich denke, er meint „Gagnaire“) und will jetzt hier in Frankfurt nur „geil“ kochen.

    Ich muss gestehen, dass mich das alles nicht sonderlich motiviert hat, mich mit diesem „Atelier“ (Wilma ist übrigens die Oma von Herrn Riemenschneider) näher zu beschäftigen. Doch mal schnell auf die Website schauen: Hm, nicht sehr aussagekräftig, nur dass „der Gast das Menü macht“ und er „von 1 bis 21 Gängen“ alles haben kann. Eine Speisekarte sucht man vergebens, findet aber den mahnenden Hinweis: „Bitte beachten Sie, dass wir im Restaurant nur Barzahlung akzeptieren.“ Willkommen in der Finanzmetropole Frankfurt!

    Aber es nützt ja alles nichts, man will ja hier in Frankfurt mitreden können, und schließlich geht es doch ums Essen und das muss das Entscheidende sein, vor allem wenn es „geil“ sein soll. Vorher noch schnell online reservieren. Prima, geht über „Open table“ ganz einfach, aber dann: „Atelier Wilma verlangt eine Kreditkartennummer, um diese Reservierung aufrecht zu halten.“ Ups, ich denke, die akzeptieren keine Kreditkarten? Sorum geht es dann doch! Interessant! Egal, vorher noch schnell zum Geldautomaten (Mist, nicht meine Bank, also auch noch Gebühren zahlen!) und dann Augen zu und durch:

    Wir betreten das kleine, bistroartige Lokal und werden vom jungen Ein-Mann-Service freundlich per Handschlag begrüßt. Das Restaurant ist am Mittag fast voll besetzt; 20 Gäste bringt man in den engen Räumlichkeiten unter. Der junge Mann erklärt uns, dass wir nach Belieben mehrgängig essen können, wir ihm unsere Vorlieben und Abneigungen sagen sollen, dann würde uns die Küche gerne überraschen. Wir lassen uns darauf ein, ordern ein Vier-Gang-Menü und verharren in freudiger Erwartung. „Verharren“ ist der richtige Ausdruck, denn man muss Zeit mitbringen und sollte keinen fixen Anschlusstermin haben. Zahlreiche Gäste müssen zwischendurch raus, um ein neues Parkticket zu lösen; es herrscht eine muntere Betriebsamkeit im Lokal, die zu beobachten durchaus amüsant ist und den schmunzelnden Kontakt unter den Gästen fördert. Bis wir den ersten Gang auf dem Tisch haben, vergeht fast eine Stunde, aber sehr gutes Brot und zweierlei Butter helfen über den ersten Hunger hinweg.

    Von Herrn Riemenschneider ist erst einmal nichts zu sehen; später erspäht man ihn mal kurz in der Küche (mit Pullover und Schal), wohl um nach dem Rechten zu sehen; kochen tut er jedenfalls an diesem Mittag nicht, sondern überlässt das seinem sogenannten „Restaurantleiter“, der mit zwei weiteren Helfern in der Küche den Laden schmeißt und im Service hilft. Ansonsten wirkt alles locker und entspannt im Sinne von Riemenschneiders Verständnis von „casual meets luxury“, wo „cooler“ Weise auch noch alle Akteure jeweils zwei unterschiedlich-farbige Turnschuhe anhaben (wie heißt es so schön im Begleittext zu besagtem Spot: „Der Exzentriker Riemenschneider trägt grundsätzlich immer zwei unterschiedliche Schuhe.“).

    Aber was soll´s, die Wahrheit liegt auf dem Teller!

    Und da findet man gute Produkte (Seezunge, Steinbutt, Lamm), die handwerklich bis aufs Lamm zufriedenstellend behandelt werden. Dass der dünnere Teil des Lammrückens sich kaum schneiden, geschweige denn kauen lässt, liegt wohl an der sich seuchenartig verbreitenden „Sous-vide-Garerei“, die aus meiner Sicht gerade beim Fleisch oft nicht zu befriedigenden Ergebnissen führt, auch wenn die Stücke nach dem Folien-Wasserbad noch kurz in die Pfanne kommen. Oft sind sie dann noch zu weich oder, wie hier, schon zäh. Wenn die Fleischstücke dagegen im Ofen waren (gerne bei Niedrigraden), haben sie einen ganz anderen Biss, einen wunderbar mürben Kern.

    Was überrascht, ist der fehlende Pfiff, die Kreativität in dieser jungen Küche, die doch von Gagnaire bis Blumenthal alles mitbekommen haben will... So ist „Seezunge auf Graupenrisotto mit grünem Spargel“ zwar ein ganz nettes Gericht, aber in einem Sternerestaurant erwarte ich eigentlich ein bisschen mehr Pfiff. Genauso geht es uns bei „Steinbutt auf warmem Kartoffelsalat mit Hühnerbrühe“ (wobei lediglich ein paar Kartoffelscheiben in der Brühe liegen) und dem „Lamm auf Porridge mit Brokkoli“ (ja, Porridge zum Lamm – vielleicht ein Hauch von Kreativität, der hier aber eher gewollt als überzeugend wirkt). Bei „Kokos-Panna Cotta mit Vanilleeis, Mango und Schokoschaum“ kann man auch nicht viel verkehrt, es aber eigentlich - wie das gesamte Menü - zu Hause selber machen.

    Fazit:
    Im Atelier Wilma servierte man uns ein kreuzbraves Menü, das einen durchdachten Aufbau und Spannungsbogen vermissen ließ (keine Vorspeise, dafür zweimal hintereinander kurz angebratenen Fisch mit irgendetwas). Das Ganze lebt von seiner schon überbetont lockeren Atmosphäre und einer handwerklich weitgehend untadeligen Küche sowie guten Produkten. Wem das reicht, ist hier zweifellos gut aufgehoben. Wer eine „moderne, finessenreiche, intensive Küche mit dem gewissen Etwas“ erwartet, der mag aus dem Atelier wohl eher enttäuscht hinausgehen. Oh, da habe ich doch glatt den Michelin zitiert, der mit diesen Attributen den gerade vergebenen Stern rechtfertigt. Die Inspekteure des Guide werden sich doch wohl in Frankfurt nicht verlaufen haben?!

    Schönen Gruß, Merlan

    PS: Verlaufen hat sich auf alle Fälle aber ein Gast, der mangels Bargeld vor die Tür geschickt wurde und wohl ewig nach einem Geldautomaten gesucht hat.

  • #2
    Stüttgen - gibt's den eigentlich noch - hatte ja auch bei Gagnaire gearbeitet, siehe wiki, und er konnte den Nachnamen sogar richtig buchstabieren, allerdings heißt er bei ihm "Piere". Ich glaub, ich muß auch mal drei Tage bei Schangjähr Kartoffeln schälen, das mops die Vita ungemein auf.
    Wieviel, lieber Merlan, mußten Sie denn - um in Tilmans Sprache zu bleiben - für die Atzung abdrücken?
    Und daß sich einer bei 20 Plätzen einen Küchenchef leistet, ohne selbst in der Küche Hand anzulegen, das ist bemerkenswert. Wie will er sich da jemals eine Parkanlage für seine achtzehn Edelschiiten leisten?

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    • #3
      Werter Merlan,
      vielen Dank für den amüsanten Bericht, der vielleicht dem einen oder anderem vor einem kulinarischen Fehltritt rettet.

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      • #4
        Lieber merlan,

        von mir ebenfalls danke! Da ich ja auch ab und an in ffm bin, hatte ich schon überlegt... Ich war jedoch auch bereits skeptisch. Und ihr Bericht hat mir nun die Erfahrung erspart.

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        • #5
          Ach, was für ein schöner Bericht.
          Ihre Schreibweise macht graue Tage sonnig. Das im Restaurant Gebotene wohl eher weniger.

          Gruß!
          J.F.

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          • #6
            Danke für das nette Feedback!

            Aber um das Positive herauszustellen, die Produkte sind von guter Qualität, die Jungs können durchaus kochen und der Lunch ist irgendwie auch entspannt unterhaltsam. Vielleicht arbeiten sie ja eher abends mit den vom Michelin gewählten Attributen.

            Für das 4-Gang-Menü werden übrigens 75 Euro aufgerufen (aber bitte in bar!).

            Schönen Gruß, Merlan

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            • #7
              Ein befreundetes Ehepaar war einen Tag nach uns im Atelier Wilma und fasste seine Eindrücke so zusammen:

              "Es war irgendwie ganz nett und in Teilen lecker, aber auch nicht sooo besonders. Der Alkohol sorgte für eine gnädige Stimmung und außerdem sind wir einfach nett..."

              So ist es!

              Schönen Gruß, Merlan

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              • #8
                Vielsagende Meldung aus dem kulinarischen Magazin "BISS":

                "Unter der Überschrift „Ein erloschener Stern“ berichtet die Regionalausgabe der Frankfurter Neuen Presse, die Taunuszeitung, dass der Gastronom Michael Riemenschneider „grandios scheiterte“ und sein Lokal „Reinhold´s Enkel“ in Bad Homburg aufgeben musste. Schon Wochen zuvor hatte er sein Lokal Tischlerwirt in Reith bei Kitzbühel nicht weiterführen können. Jetzt bleibt Riemenschneider nur noch das Atelier Wilma in Frankfurt, wobei ihn dort sein Küchenchef Alex Sadowczyk zum 31. Dezember 2016 verlassen hat."

                Da passt offenbar einiges nicht zusammen!

                Schönen Gruß, Merlan

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                • #9
                  Nachdem Frau Mascolo dem armen Michael lediglich noch eintausend Pfunf pro Woche zugesteht, wundert es einen nicht mehr, daß er auf Barzahlung besteht. Tja, da hat Herr Riemenschneider wohl an der falschen Dame geschnitzt.

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                  • #10
                    Weshalb überhaupt die tausend Pfund?

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                    • #11
                      Ach, das sollen besser die Gerichte klären!
                      Zuletzt geändert von merlan; 04.03.2017, 17:18.

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                      • #12
                        Zitat von merlan
                        Vielsagende Meldung aus dem kulinarischen Magazin "BISS"
                        OT: Von diesen gab es zum "Atelier Wilma" in den letzten Wochen mehrere, und ich frage mich bei aller bekannten Kritik verwundert: Gibt es für Herrn F. nichts Berichtenswerteres? Für mich zahlt der aktuelle Umgang mit diesem offenbar ansonsten nicht besonders bemerkenswerten Restaurant jedenfalls nicht auf das Vertrauenskonto des Autors ein.

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                        • #13
                          Vielleicht steigert es ja die Leserzahlen. Auch bei den sonstigen und positiven Berichten scheint mir, es wird immer konzentriert über einige wenige Restaurants berichtet...

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                          • #14
                            Zitat von kuechenreise
                            Auch bei den sonstigen und positiven Berichten scheint mir, es wird immer konzentriert über einige wenige Restaurants berichtet...
                            So kann man sagen.

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                            • #15
                              Das "Kulinarische Magazin BISS" meldet:

                              "Michael Riemenschneider wurde vor die Tür gesetzt. Der bisherige Betreiber und Küchenchef Riemenschneider ging erst in die Insolvenz und ließ sich danach vom neuen Besitzer anstellen...
                              Im nächsten Jahr will man nach der dreiwöchigen Winterpause Ende Januar mit einem neuen Konzept und einem anderen Namen starten."

                              Ich bleibe gespannt!

                              Schönen Gruß, Merlan

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