lieber Mogul, schön, dass Der Gewinn für Sie Anlass war, sich hier einzuloggen. War bei Ihrem Besuch noch Herr Krolik für die Küche verantwortlich, oder schon Herr Rainer?
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Tiger-Restaurant im Tigerpalast, Frankfurt
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Sturm, kein Flug und kein Zug. Kurzerhand bin ich in Frankfurt geblieben und habe spontan einen Tisch im Tigerpalast reserviert (war möglich). Das Varieté war mir kein Begriff, ins Restaurant geht es in den Keller, die Fensterlosigkeit fällt aber nicht auf. Das Ambiente wirkt ein ganz kleines bisschen angestaubt, aber im positiven Sinne. Alleine einen Besuch wert ist die Weinkarte mit allem, was Rang und Namen hat (Egon Müller, Prüm, Breuer, Leflaive, Lafon, Roumier, Ponsot, Mortet, usw.) und das zu absolut gesehen hohen, relativ gesehen fairen Preisen.
Da es schon recht spät war, sollte es das vegetarische Menü in leicht abgekürzter Form sein. Nach ein paar ersten Häppchen kam zu einem 2007 Scharzhofberger Riesling Kabinett von Egon Müller (halbe Flasche) das Amuse Gueule auf den Tisch: Senf, Apfel, Honig, eine wunderbare Komposition aus einem Senfeis, Gurkentatar mit Dill, Apfelstückchen und unauffällig auch Honig. Gerade zu dem Riesling passte dieses erfrischende kleine Gericht hervorragend.
Dann: Gartengurke in Texturen, Radieschen, Wildkräuter, Rettich. Wenn ich "Texturen" lese, denke ich gleich an Espumas & Co. Hier kam die Gurke als Eis, als leicht geliertes Mus mit einem Schaum obendrauf und aufgerollt, jeweils so, dass man die Gurke noch gut identifizieren kann. Zusammen mit den sehr aromatischen Kräutern und kleinen Rettichscheiben war dies ein wunderbar frisches, komplexes, aber nicht kompliziertes Gericht, das nicht nur durch den Gurkengeschmack, aber vor allem durch die an "Mixed Pickles" erinnernde Würzung überzeugte. Auch hierzu ging der Scharzhofberger ganz hervorragend.
Sehr anders: Chicoree, Mandarinenverjus, Süsskartoffel, Frischkäse, Kaffeearomen. War die Gurke leicht und frühlingshaft, grüßte hier noch der Winter. Bitterer Chicoree und Zitrusfrüchte passen immer, so auch hier. Die ganz dezenten Kaffeearomen unterstützten den bitter-süßlichen Geschmack. Mit dem Frischkäse dazu konnte ich eher wenig anfangen. Jetzt wirkte der Scharzhofberger deutlich gehaltvoller, herber und stoffiger.
Welch Glück, eins meiner Lieblingsgerichte auf der Karte zu finden: Grüner Spargel, Arborio-Reis, Frühlingsmorcheln, Parmesan. Dünner grüner Wildspargel, etwas weißer Spargel, ganz tolle, erdige Morcheln und ein Risotto mit Parmesan. In seiner Einfachheit ist so ein Gericht kaum zu überbieten, in seiner schlotzigen Köstlichkeit auch nicht. Hierzu gab es nach einer oxidierten und einer korkenden halben Flasche eines anderen Weins eine halbe Flasche Domaine Leflaive - 2005 Puligny Montrachet 1er Cru Clavoillon, der auch schon ganz leicht oxidativ war, aber noch genau richtig (und mit Luft immer besser wurde). Das Optimum hierzu wäre für mich ein Savagnin oxidativ aus dem Jura gewesen, aber der Clavoillon kam dem schon recht nahe und passte auch sehr gut zu ein paar nachfolgenden Käse (Anthony).
Herausragend: Rhabarber, Griechischer Joghurt, Ouzo, Hibiskus. Ich habe schon lange kein so gutes Dessert mehr gegessen. Hier passte einfach alles zusammen, gerade der Hibiskus hob das Dessert in höchste Höhen, der griechische Joghurt war schaumig aufgeschlagen, der Rhabarber nicht zu hart und nicht zu weich, genau richtig gesüßt. Mit dem letzten Gläschen Scharzhofberger verstand sich der Rhabarber auch sehr gut.
Ich war wirklich sehr begeistert von der Küche, die sich aufs Wesentliche konzentriert, nicht zu viel will, sich eher durch wenige Zutaten, eine gute Zubereitung und die Komposition zwar nicht klassischer, aber auch nicht avantgardistischer Elemente auszeichnet. Der Service dazu ist herzlich, eher zurückhaltend und trägt zu einem tollen Gesamteindruck bei. Beim nächsten Frankfurt-Besuch werde ich wieder hingehen.
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Was ein Sturm so alles bewirken kann, lieber rocco! Und Kompliment, dass Sie in dieser misslichen Situation gleich an so etwas gedacht haben.
Das ist doch erst einmal eine Duftmarke, die Sie gesetzt haben, der wir Rhein-Mainer jetzt aufgrund Ihres positiven Berichts schleunigst nachschnuppern sollten.
Ich muss gestehen, dass wir das Ambiente im Restaurant des Tigerpalastes nicht sonderlich mögen. Gerade die Fensterlosigkeit stört insbesondere in der Sommerzeit schon arg. Ich empfinde das zwar nicht als angestaubt, aber es ist halt ein Kellerlokal mit Varietépublikum drumrum.
Nichtsdestotrotz hat es der Tigerpalst immer geschafft, gute bis sehr gute Köche zu verpflichten. Und nach dem Wechsel von Krolik ins Lafleur scheint das Engagement von Rainer ein guter Schachzug zu sein. Also, freuen wir uns darauf!
Schönen Gruß, Merlan
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Zitat von Schlaraffenland Beitrag anzeigenRiesling Kabinett, das klingt ja so ganz friedlich. Bei E.Müller muß man aber dafür den Geldbeutel schon weit, weit aufmachen. Was, lieber rocco, mußten Sie denn für die 1/2 Flasche bezahlen?
Gruß
s.
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Zitat von rocco Beitrag anzeigendas nächste Mal - hoffentlich zu zweit
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Es gab Zeiten, da war ich noch jünger als heute. Habe die Abende in verrauchten Kellern mit zweifelhafter Küche zugebracht. Das Tiger-Restaurant im Frankfurter Tigerpalast befindet sich auch im Keller. Verraucht ist es hier jedoch nicht. Und auch die Küche ist nicht zweifelhaft - im Gegenteil, sie ist die beste von Frankfurt! Der Bericht mit allen Bildern wie üblich am Blog: http://kuechenreise.com/2015/06/21/b...t-frankfurt-d/
Der Kurzbericht zu unserem Dinner:
Schon bei den Grüssen der Küche ein erstes Highlight: Das Zweierlei von der Bergforelle (gebeizt, Tatar) mit süsslichem Senf-Honig-Eis und Dillcreme ist eine phänomenale Variante eines bekannten Geschmacksbildes!
Auch das Menü startet stark: Intensive Variationen der Gartengurke in verschiedenen Texturen mit Radieschen und Rettich überzeugen selbst jene, welche Gurken nicht so lieben. Die darauf folgende Bio-Gänseleber ist mit einer Art dekonstruiertem Caesars-Salad kombiniert und gleichfalls wirklich stark!
Danach folgen eine glasierte rote Wildgarnele in asiatischem Sud mit Krustentier-Kimchi und auf Reiscreme; wie ein konfierter Skrei von den Lofoten - beides erstklassige Fischgänge.
Auf der Fleischseite gefällt uns die Mieral-Taube mit Frühlingsmorcheln, Erbsenconfit und Pata Negra sehr. Nicht ganz mithalten kann dann das Limousin-Lamm (Rücken, Backe, Bries) mit türkisch inspirierten Beilagen.
Nicht komplex, doch extrem überzeugend dann wieder das Pre-Dessert mit Karotte, Passionsfrucht und Anis - das ist grosse Küche! Ein schöner Abschluss dann die Madagaskar-Schokolade mit Kafirlimetteneis, Nusserde und Caramélita-Grenache!
Unser Resümee:
Die Küche von Christoph Rainer scheint uns im Moment die beste von ganz Frankfurt zu sein! Mit einem Tick Vorsprung gar vor dem Lafleur jetzt mit Andreas Krolik. Doch die Rochaden (Krolik vom Tigerpalast in das Lafleur, Rainer neu in den Tigerpalast) sind erst vor kurzem passiert, beide Küchen werden sich noch entwickeln.
Was hat uns bei unserem Besuch gefallen? Die kreativen Gerichte, die harmonischen Kreationen. Die erstklassigen Produkte, welche technisch perfekt zubereitet wurden. Klare Aromen, tolle Abstimmung.
5 – Unbedingt wieder
(1 – sicher nicht wieder, 2 – kaum wieder, 3 – wenn es sich ergibt wieder, 4 – gerne wieder, 5 – unbedingt wieder)
Unser Menü:
- Amuse Bouche
- Gartengurke - in Texturen
- Bio-Gänseleber - Mariniert & geeist
- Rote Wildgarnele - Glasiert
- Skrei von den Lofoten - Konfiert
- Mieral-Taube - Brust & Praline
- Limousin-Lamm - Rücken, Backe & Bries
- Pre-Dessert
- Bio Grand Cru Madagaskar - Schokolade
- Petit Fours
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Danke für den Bericht und die klare Ffm-Einordnung, liebe kuechenreise! Taube und Lamm: Es gab Zeiten, da war auch ich noch jünger als heute. Inzwischen muss ich mit zwei Fleischgängen hintereinander oft schon ziemlich kämpfen - fast so als wären sie ein Benno-Schnitzel.Übrigens finde ich in der gehobenen Gastronomie Kellerlokale unangenehm, da man ja doch einige Zeit braucht, um die stets lange Menüfolge abzuarbeiten. Da muss ich zwischendurch schon mal raus ans Tageslicht.
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Schade: Während der profilierte Zweisternekoch sich zeitgeistig in Richtung Streetfood absetzt, schraubt der Geschäftsführer schon mal gleich die kulinarischen Ansprüche des Tigerpalasts herunter: „Die zwei Sterne müssen wir nicht behalten und einen Stern, den kann Yurdakul kochen".
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In der Tat, eine unangemessene Formulierung. Aber vielleicht hat er ja Vertrag, daß er Stern kochen muß.
Sollte sich Ihr "schade", liebes mk, auch auf das "Absetzen" Richtung Streetfood beziehen, dann bin ich, obwohl konservativ bis ins Mark hinein, anderer Meinung. Es ist doch großartig, daß sich weltweit immer mehr Imbiss-Stände installieren, in denen hervorragende Speisen angeboten werden. Im Fernen Osten gibt's das ja schon lange; wird allerdings jetzt erst von den Freßführern wahrgenommen. Ich zumindest freue mich heute schon auf meinen Besuch in einer *-Suppenküche in Tokyo - ein Einsterneessen für 10€, da vermiß ich dann nicht mal die Spätzle. Sollte man demnächst irgendwo unter einer Main-Brücke vergleichbares serviert bekommen, wäre dies für mich ein echter Grund, nach Frankfurt zu fahren.
Daß Veränderungen auch ganz anderer Natur sein können, zeigen gerade die Troisgrossens: nach fast neunzig Jahren zieht das Spitzenrestau nun weg, um in der neuen Heimat nicht etwa zu kleckern. Auch das ist Zeitgeist.
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