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Friedrich, Osnabrück

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  • Friedrich, Osnabrück

    Anfang Februar zog es Frau Grande und mich über das Wochenende nach Osnabrück, da mir von meiner Gattin (sie weiß halt, was ich will ) zum Geburtstag ein Gutschein für eine kleine Gourmetauszeit in der südniedersächsischen Friedensstadt geschenkt worden war. Das Gesamtpaket umfasste eine Übernachtung im nahe Marktplatz und Rathaus gelegenen altehrwürdigen Hotel „Walhalla“ sowie ein Dinner im Restaurant „Friedrich“, welches leicht außerhalb der Altstadt im ansprechenden Gründerzeitviertel Westerberg gelegen ist. Dieses Lokal besteht schon seit einigen Jahren, wobei es 2021 vom Gastgeberpaar Gina Duesmann (verantwortlich für Service und Wein) und Lars Keiling (Küchenchef) übernommen wurde, beide bekannt aus dem Restaurant „Keilings“ in Bad Bentheim, welches sie bis 2019 geführt und welches Herr Keiling bis in die 2-Sterne-Liga emporgekocht hatte!

    Nachdem ich mich mit mehreren Saunagängen im hoteleigenen Wellnessbereich unter dem pittoresken Fachwerkspitzdach des Hotels für den abendlichen Restaurantbesuch perfekt in Form gebracht hatte (meine Frau hatte mit ihrem Fitnessprogramm weniger Glück, stand doch der von ihr gewählte - nur noch teilweise funktionstüchtige - Cross-Trainer direkt im Ruhebereich vor der Sauna, sodass man a) die dort Ruhesuchenden unglaublich störte und b) mit Temperaturen von gefühlt 40 Grad zu kämpfen hatte, da die Hitze aus der Schwitzstube auf das kleine, aber feine Fitnessareal ausstrahlte ), spazierten wir (zumindest für mich traf dies zu...) entspannt und gut erholt zum nahegelegenen Lokal unserer Wahl.

    Dort angekommen, wurden wir sofort herzlich von Frau Duesmann empfangen und an unseren Tisch im etwas erhöht gelegenen Bereich des modern-elegant designten Gastraums geleitet. Nach einem prickelnden Cremant zum Einstieg, einer perfekt gebackenen Focaccia mit bestem Olivenöl und aparten Snacks aus der Küche nahm das von uns gewählte Menü dann folgenden Verlauf:

    Labskaus „a la Friedrich“

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    Kingfisch/ Bete/ Dillöl/ Pumpernickel

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    Eismeersaibling/ Kumquats/ Tahini/ Alblinsen

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    Wachtel/ Schwarzwurzel/ Kakaobohne/ Brioche-
    Trüffelcreme


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    Kalbszunge/ Nussbutter/ Rotkraut/ Passionsfrucht

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    Iberico-Schweinekinn/ Spitzkohl/ gepickelte
    Gurke/ BBQ-Teriyaki-Jus


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    Walnuss/ Apfel/ Joghurt/ Sellerie

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    Summa summarum hat uns das von Lars Keiling komponierte Menü ausgesprochen gut gefallen: Die eingesetzten Produkte waren von ausgesuchter Qualität, die Garpunkte perfekt getroffen, die konzentrierten Saucen und Jus von unglaublicher Dichte sowie Perfektion und auch der Spannungsbogen bzw. Abwechslungsreichtum innerhalb der Gangfolge muss positiv herausgehoben werden, wechselten sich doch eher innovative Kreationen wie der Kingfisch mit sehr klassisch angehauchtem Comfort-Food allererster Güte wie der Wachtel ab, sodass niemals Langeweile aufkam, das Menü aber trotzdem keine Stringenz vermissen ließ, denn alle Gänge verbanden ein hervorragendes Produktverständnis und die süffig abgeschmeckten Saucen, sodass eigentlich immer ein – mal eher innovativ, mal eher klassisch angehauchter – stimmiger bzw. ausgewogener Akkord entstand. Ebenfalls positiv hervorheben möchte ich, dass bei den Fleischhauptgängen nicht das meist etwas beliebige Einerlei aus Filets sowie Paradestücken aus Brust und Rücken vorherrschte, sondern dass man diese ausgetretenen Pfade verließ und sich traute, weniger gängige Teile von Kalb und Schwein wie Zunge und Kinn anzubieten, sich also vom landauf, landab verbreiteten Speisekarten-Mainstream durchaus abhob!

    Zwar gab es auch Kleinigkeiten zu bemängeln wie z. B. die Kreation rund um den Eismeersaibling, dessen recht plakativ auf eine orientalische Aromatik hin getrimmter Akkord ein wenig zu Lasten einer etwas feineren Nuancierung ging, oder die Tatsache, dass eine Passionsfruchtnote beim Gang mit Kalbszunge auch mit viel Wohlwollen kaum herauszuschmecken war, aber das sind kleine Stellschrauben, an denen man nur ein wenig drehen muss, um das Gesamtniveau noch weiter anzuheben.

    Insgesamt kann man also ganz klar festhalten, dass man hier vielleicht noch nicht wieder ganz auf dem Niveau von zwei Sternen, welches man seinerzeit in Bad Bentheim ja schon einmal erreicht hatte, angekommen ist, man aber ohne Frage das Potenzial sieht, dass die Auszeichnung in den nächsten Jahren durchaus wieder in Reichweite gelangen dürfte (falls es überhaupt das Ziel der Gastgeber ist, diese Sphären wieder anzustreben…). Auf jeden Fall sehe ich das derzeit einfach besternte Restaurant von der Küchenperformance her wesentlich näher an den 8 vom „Gusto“ vergebenen Pfannen als an den läppischen zwei vom „Feinschmecker“ ganz aktuell zugestandenen „Fs“ bzw. Punkten, welche dem „Friedrich" - wenn überhaupt - eher ein besseres Bistroniveau attestieren .

    Für Frau Grande und mich steht außer Frage, dass sich hier in den nächsten Jahren Großes entwickeln kann und man zusammen mit dem „Kesselhaus“, dem anderen besternten Etablissement in der Stadt, Osnabrück wieder angemessen auf der gastronomischen Landkarte positionieren kann, nachdem vor einigen Jahren ja das „La Vie“, der kulinarische Leuchtturm dieser Region und weit darüber hinaus, ein eher unrühmliches Ende fand. Apropos „La Vie“: Sven Oetzel, den wir von unseren damaligen Besuchen dort noch in seiner Rolle als Sommelier in Erinnerung hatten, hat nun als Maitre im „Friedrich“ angeheuert, und zusammen mit Gina Duesmann, die äußerst zugewandt und herzlich auf die Gäste eingeht sowie für die sehr gelungene Weinbegleitung verantwortlich zeichnet, steht er stellvertretend für den ausgezeichneten Dienst am Gast, der hier zelebriert wird. All das hat natürlich auch seinen Preis (das Menü kostet derzeit 179 Euro), aber vor dem Hintergrund der derzeitigen Preissteigerungen im Energie- und Lebensmittelsektor, welche ja vor allem auch die Gastronomen treffen und von diesen zu einem Großteil an die Gäste weitergegeben werden müssen, dürfte dieser Obolus für das hier Gebotene mehr als gerechtfertigt sein!

    In Anlehnung an das benachbarte Bistro „Kleiner Friedrich“ und einen wohl allseits bekannten ehemaligen preußischen Herrscher kann und darf man zum Ende dieses Berichtes hin das Lokal eigentlich nur mit folgenden drei Schlagworten betiteln oder umschreiben, um ihm vollends gerecht zu werden: „Friedrich, das Große“. Für wen oder was „das Große“ als Namenszusatz nun im Einzelnen stehen soll, vermag ich nicht zu entscheiden. Für eine „große Küche“, einen „großen Service“ oder eine „große Zukunft“, mit allem würde man (wahrscheinlich) nicht verkehrt liegen!
    Zuletzt geändert von El Grande Gourmet; 12.02.2023, 01:16.
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