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Schloss Loersfeld, Kerpen

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  • Schloss Loersfeld, Kerpen

    besucht am 02.05.2015 (abends)

    Was für ein wunderschönes Anwesen: Südwestlich von Köln, im Erftkreis (nordöstlich der Stadt Kerpen) liegt, eingebettet in einem etwa 10 Hektar großen Park, dieses stattliche "Restaurantschloss". Vor dem Abendessen bietet es sich an, zu Fuß das recht große Areal zu erkunden. Gerade jetzt Anfang Mai beginnen die Bäume grün zu werden und eine wohltuende, entspannte Stimmung wird erzeugt. Der einzige Wermutstropfen: Das Schlossgelände wird im Norden von der Autobahn 4 und im Osten von der Autobahn 61 abgegrenzt, so dass Verkehrslärm zu hören ist. Aber dafür kann das Schloss ja nichts - es ist bereits ca. 750 Jahre alt und die moderne Verkehrsinfrastruktur kam ja erst später hinzu.

    Auf Schloss Loersfeld erinnerten mich viele Dinge an Frankreich (dazu später mehr). Hierzu gehört auch, dass das Restaurant abends erst um 19:00 Uhr öffnet. Die Gäste (lediglich drei weitere Tische waren an diesem sehr ruhigen Samstagabend belegt) erschienen fast alle gleichzeitig. Der Service war den gesamten Abend außergewöhnlich freundlich und zuvorkommend. Begrüßt wurde ich von dem Inhaber, Herrn Bellefontaine, der sich sehr freundlich um die ankommenden Gäste kümmert. Er leitete mich in einen kleinen salonartigen Raum in dem in den vier Ecken jeweils große runde Tische stehen. So stellt man sich Schlossatmosphäre vor und ich fühlte mich an Schlossrestaurants im Burgund erinnert. Das Publikum war an diesem Abend sehr distinguiert - schick angezogene (und wohl sehr wohlhabende) Gäste dominierten. Dennoch empfand ich die Atmosphäre als äußerst angenehm, da der Service sehr locker und unkompliziert agierte (was ich in Frankreich in Schlossrestaurants auch bereits anders erleben durfte). Im Mittelpunkt des Services steht der Restaurantleiter, Herr Ternierßen, der bereits im Elsass, in der Champagne und in Bremen gearbeitet hat und für mich der perfekte Gastgeber ist. Er ist sehr höflich und an seinen Gästen interessiert. Er unterhält sich mit seinen Besuchern und ist sehr auskunftsfreudig. Da ich alleine gekommen bin, gab er mir Informationsbroschüren über die Geschichte des Schlosses und einen Bildband über Wasserschlösser in der Region. Einen professionelleren und freundlicheren Restaurantleiter kann man sich nicht vorstellen; ein ganz großes Kompliment! Unterstützt wurde er von einem jungen Mann und einer jungen Frau, die ebenfalls äußerst zuvorkommend agierten. Selten wurde ich in einem Restaurant besser betreut.

    Die Speisekarte besteht aus zwei Menüs, dem "Schloss-Menü" (98 Euro) und dem "Degustations-Menü" (126 Euro). Man kann einzelne Komponenten auch als à la carte-Portionen wählen, das Menü kürzen, oder Gerichte aus dem anderen Menü dazubestellen. Ich entschied mich für das "Schloss-Menü", da ich die darin vorkommenden Produkte bevorzugte.

    Bevor es losging gab es zunächst "fingerfood", welches aus drei Appetithappen bestand. Am besten gefiel mir dabei eine Gänsestopfleber mit Himbeerglasur. Außerdem gab es einen prall gefüllten Brotkorb mit drei verschiedenen Sorten (alle topfrisch und duftend) und einen Teller mit drei Aufstrichen (gesalzene Butter und eine orange und grüne Variante), die in Form eines Dreieckes angeordnet waren und alle sehr würzig schmeckten.

    Anschließend wurde das amuse gueule serviert (hier "kulinarischer Einstieg" genannt). Es handelte sich um eine gebackene Auster, die zusammen mit einer Jakobsmuschel in einem tiefen Teller serviert wurde. Die Auster und die Jakobsmuschel vertrugen sich gut miteinander - ein stimmiger Einstieg.

    Nun begann das eigentliche Menü mit der ersten Vorspeise:
    Lauwarmer Gewürzlachs - Gartengurke, Hass-Avocado
    Bereits hier fällt auf, dass die Speisekarte die Gerichte nicht wirklich beschreibt, sondern nur die einzelnen Komponenten auflistet. Diese modische Speisekartenprosa ist nicht mein Fall, da mich die Zubereitungsarten durchaus interessieren.
    Gleich der erste Gang hat mich voll überzeugt. Ein längliches Stück Gewürzlachs war mit fein geschnittenen Gurkenstücken bedeckt. Gurkenwürfel (knackige Texturen) waren ringförmig über den Teller verteilt und rechts vom Lachsstück wurde noch ein Lachstatar hunzugefügt. Zwei längliche, hauchdünn geschnittene Gurkenbänder werteten den Teller nochmals optisch auf und einige Tupfer des Hass-Avocados (trotz des furchterregenden Namens sehr liebenswert im Geschmack!) kamen auch noch hinzu. Der frische würzige Geschmack des Lachses in unterschiedlichen Texturen und die diversen Gurkentexturen ergänzten sich sehr gut miteinander und wurden durch den Avocadogeschmack nochmals abgerundet. Eine wirklich gelungene, da leichte und abwechslungsreiche Vorspeise! Note 1-

    Frühlings-Karottengarten - Kräuteremulsion, geröstete Hefe
    Nach der eher klassischen ersten Vorspeise wurde nun ein modernes Gericht serviert. Neben einigen länglich-dicken Karottenscheiben fanden sich noch Radieschen, Zwiebeln und andere Komponenten auf dem dicht gedrängten Teller wieder. Die geröstete Hefe aß ich zum ersten Mal in meinem Leben und brauche dies auch wohl kein zweites Mal zu erledigen - der Geschmack sagte mir persönlich einfach nicht richtig zu. Auch wenn alle Komponenten topfrisch, knackig und wohl auch gesund waren war dieses Gericht das einzige des Abends das mich nicht vollends überzeugen konnte. Wahrscheinlich habe ich als Fan der klassischen Küche dieses Gericht auch nicht im vollen Umfang verstanden. Note 2-

    Seezunge Colbert - Petersilie, Kartoffelespuma
    Nach dem kleinen Durchhänger wurde nun ein absolutes Highlight serviert. Das kleine Stück Seezunge war saftig und intensiv gewürzt. Die Petersilie, die reichhaltig dazugegeben wurde aber nicht den Fisch in den Hintergrund rückte, hatte ein wunderbares Aroma und passte vortrefflich. Der Kartoffelespuma roch schon beim Servieren intensiv nach Kartoffeln und begleitete den Fisch auf perfekte Weise. Ein weiteres Highlight waren die winzigen Krabben, die sich auf dem Fisch und neben der Espuma befanden. Wie ich es auch später dem Küchenchef mitteilte war dies eines der besten Fischgänge die ich bisher genießen durfte. Ein ganz großes Kompliment für diesen tollen Gang! Note 1+

    Beim Hauptgericht hatte der Gast die Wahl zwischen einem Fisch- oder einem Fleischgang. Der Fischgang wäre ein gegrillter Seeteufel gewesen, ich entschied mich aber für
    Steak Rossini - Pilze, Brioche, Trüffeljus.
    Nach der etwas experimentellen zweiten Vorspeise wurde also nun ein französischer Klassiker serviert. Auf einem der zwei Rinderfiletstücke (perfekter Garpunkt) befand sich eine Scheibe gebratene Gänsestopfleber, die zartschmelzend in der Konsistenz war. Die Pilze bestanden größtenteils aus wohlschmeckenden Pfifferlingen und die recht sparsam zugeteilte Trüffeljus hatte nicht nur ein hervorragendes Aroma sondern schmeckte auch sehr intensiv. Die à part servierte Brioche war perfekt gebacken (bissfest und aromatisch) und passte sehr gut zur Gänsestopfleberscheibe. Dieses klassische und perfekt umgesetzte französische Gericht hat mir ebenfalls sehr gut gefallen. Note 1

    Nachdem ich gefragt wurde ob ich vor den Desserts eine Verschnaufpause wünschte und dies verneinte ging es mit dem Pré-Dessert weiter:
    "Honigröllchen" - Zwei mal Mascarpone
    Das Honigröllchen entpuppte sich als Mascarponecreme mit einer hauchdünnen karamellisierten Honighülle. Daneben lag noch eine Art Mascarponeeis auf dem Teller. Alles schmeckte recht erfrischend und auch den Honig konnte man klar herausschmecken, insgesamt empfand ich dieses Vordessert aber als etwas langweilig und unspektakulär. Note 2

    Rhabarber 2015 - Quark, geeister Rhabarber-Himbeersud
    Um Klassen besser empfand ich das Hauptdessert. Der servierte Teller war ein richtiges Gemälde und eigentlich viel zu schade zum Verspeisen. In der Mitte des tiefen Tellers wurde eine wohlschmeckende Quarkmasse placiert, auf der verschiedene Crèmes und Rhabarberelemente verteilt waren. Ein Topfennocken gesellte sich auch noch dazu. Der Serviererin goss dann noch aus einer Art saucière den Rhabarber-Himbeersud hinzu, der eine attraktive rote Farbe besaß und ein schönes erfrischendes Aroma entfalten konnte. Am oberen rechten Tellerrand lagen nochmals diverse Crèmes und Tupfer, die ich nicht im Detail benennen kann. Dieses kreative und ausgefallene Dessert befand sich ebenfalls auf höchstem Niveau. Note 1

    Als die Desserts abgeräumt wurden, ließ sich Simon Stirnal, der Küchenchef, an allen Tischen blicken und unterhielt sich mit seinen Gästen. Ich habe sein sehr gutes Menü mehrfach gelobt und ich erfuhr, dass er zuvor in allen Restaurants des Hamburger Hotels "Vier Jahreszeiten" gearbeitet hatte und auch für die Verleihung des zweiten Michelin-Sterns des "Haerlin" mitverantwortlich war. Herr Stirnal trat sehr freundlich und höflich auf und interessierte sich sehr für das jeweilige Feedback der Gäste.

    Während der Michelin-Stern ohne Frage vollends gerechtfertigt ist, empfinde ich die aktuelle 15/20-Punkte-Wertung des Gault Millau als zu streng. Ich hätte 16-17 Punkte für angemessen erachtet.

    Fazit: Der Abend im "Schloss Loersfeld" hat mir außergewöhnlich gut gefallen. Selten erlebt man kulinarische Hochgenüsse im Zusammenhang mit einer prefekten Leistung des Serviceteams. Hier war das der Fall und ich möchte deshalb dieses "Restaurantschloss" allen Lesern wärmstens weiterempfehlen.

    Mit freundlichen Grüßen und vielen Dank fürs Lesen,

    Gänsestopfleber
    Zuletzt geändert von Gänsestopfleber; 03.05.2015, 13:02.

  • #2
    Vielen Dank für den Bericht - das Lesen ist ein Genuss. Schön, dass unser Forum mal wieder einen weißen Fleck auf der Gourmet-Landkarte geschlossen hat.

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    • #3
      Zitat von Gänsestopfleber
      ... ich als Fan der klassischen Küche ...
      Da waren Sie doch, werter G., in Schloss Loersfeld bestens aufgehoben! Und wenn Seezunge Colbert und Steak Rossini so gemacht sind, wie Sie es beschreiben, dann zeigt sich mal wieder, wie "einfach" gute Küche sein kann.

      Danke für den anschaulichen Bericht und die Anregung, Kerpen nicht per se links, oder besser südwestlich, liegen zu lassen.

      Schönen Gruß, Merlan

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      • #4
        Dass Julia Komp noch einige Pläne hat, die sich auf Schloss Loersfeld wohl nur schwer verwirklichen lassen, ist ja nicht verborgen geblieben. Nun nimmt sie sich eine Auszeit zur kulinarischen Weiterbildung. Ein neues Engagement ist dann für Mitte 2019 geplant.

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