Nach einschlägigen Erfahrungen im 1-Sterne-Bereich wagten wir uns erstmals in die erlesenen Gefilde der 3-Sterne-Kategorie. Ausschlaggebend für die Wahl des Restaurants war die Nähe zu den Schwiegereltern zwecks Betreuung unserer drei Monate alten Tochter. Also ab zu Nils Henkel.
Der Empfang durch den distinguierten Maitre, dessen französischer Akzent ein klein wenig eitel wirkte, war eher formell als freundlich. Erste Ängste kamen auf. Sind wir den Anforderungen der Hochküche gewachsen? Werden wir bereits am Eingang als unwürdige Anfänger enttarnt und sogleich des Hauses verwiesen? Glücklicherweise wurden wir dann doch an unseren Tisch begleitet und kamen den Rest des Abends kaum noch mit dem ehrfurcht-einflößenden Herrn Thomann in Berührung. Stattdessen bediente uns ein junges Serviceteam ganz ohne Affektiertheit und Dünkel.
Es folgte die unweigerliche Frage, ob‘s ein Glas Champagner sein darf, worauf ich regelmäßig die Gegenfrage nach einem Winzersekt stelle, der auch selbstverständlich serviert wurde und sehr gut war. Dermaßen eingestimmt ließen wir den Blick schweifen. Hier wurde behutsam modernisiert, viele Brauntöne, riesige Lampenschirme an der Decke, grüne Ledersessel - alles ganz schick, wenn da nicht dieses lästige Notausgangsschild wäre, das sich den ganzen Abend über immer wieder penetrant in meinen Blick warf. Aber Sicherheit muss ja sein.
Dann der erste Gruß aus der Küche. Ein Croustillant von der Meeresspinne und eine Art Minisandwich vom Tobinambur. Sah erstklassig aus und schmeckte auch so. Jawoll, dachte ich, das ist Drei-Sterne-Küche. Ausgewogene Aromen und ein souveränes Spiel der Texturen, Präzision und Detailverliebtheit sowohl beim Anrichten als auch bei der handwerklichen Ausführung, phantasievolles Zusammenstellen außergewöhnlicher und hochwertiger Ausgangsprodukte, das alles traf auf diese kleinenGaumenschmeichler zu. Der Abend verhieß groß zu werden.
Auch der zweite Gruß wunderbar. Drei Varianten des Estragon, mal mit Fisch, mal mit Bries - köstlich.
Wir entschieden uns für die Degustation Pure Nature (wird das eigentlich englisch oder französisch ausgesprochen) in 6 Gängen. Dem Wunsch meiner Frau, die Gänseleber gegen die Wildgarnele zu tauschen wurde gerne entsprochen, was darüberhinaus noch dazu führte, daß sie zu ihrer großen Freude auch von anderen Innereien verschont blieb (z.B. dem Bries im Amuse), bzw. Alternativen angeboten bekam.
Der junge, freundliche Sommelier ging souverän auf meine Bitte ein, jeweils einen Weiß- und einen Rotwein auszusuchen, da ich noch fahren musste.
Die erste Schwäche zeigte sich dann in der Qualität der Brotauswahl. Es gab fluffiges, brötchenartiges Gebäck in verschiedenen Geschmacksrichtungen, deren Inhalt mehr Luft als Teig war. Das kennen wir selbst aus unbesternten Häusern besser.
Dann der erste Gang: Flusskrebse/Gurke/Kräuteremulsion/Johannisbeeren/Dickmilch
Bemerkenswert die vertikale Anordnung auf dem Teller, wohl ein Einfluss der skandinavischen Gourmetküche. Sieht toll aus, ist aber äußerst unpraktisch. Da man die, in hauchdünne Gurkenscheiben eingewickelten Teile nun mal nicht vertikal in den Mund bekommt, fummelt man so lange auf dem Teller rum, bis alles flach und unansehnlich darniederliegt. Am Ende bleibt ein deutlicher Geschmack nach....naja, Gurke halt, die zusammen mit den Kräutern und den Flusskrebsen immerhin einen frischen Start ins Menu bildeten. Eben Pure Nature.
Der zweite Gang Seeteufel/Puro de Bellota Schinken/Palbohnen im Bohnenkrautsud
war dann optisch das genaue Gegenteil. Ein schönes, perfekt gegartes Stück Seeteufel auf einem Soßenspiegel, belegt mit zwei Scheiben Schinken und ein paar Bohnen an der Seite. Einfach, klassisch, fast ein bißchen langweilig. Da wird wohl der Geschmack umwerfend sein, dachte ich noch und versuchte den Schinken zu zerteilen - allein, der wehrte sich, entpuppte sich dessen Konsistenz doch als merkwürdig gummiartig, so als hätte man vergessen, das Cellophan vom Schinken zu nehmen (was natürlich nicht der Fall war). Um ihn zu zerteilen, musste man ihn vom Seeteufel herunternehmen, auf den Telleboden legen und dann durchschneiden. Nachdem das geklappt hat, freute ich mich auf das kommende Geschmackserlebnis und wurde wieder enttäuscht. Eine irgendwie seifige, laugige Note belegte meine Zunge und wollte auch erstmal nicht so schnell weichen, so daß der tolle Fisch geschmacklich leider etwas unterging.
Gut, dachte ich, vielleicht ist dieser Bellota-Schinken einfach nichts für mich, kann ja passieren.
Aber auch im dritten Gang Felchenfilet/Holunderkapern-Vinaigrette/Petersilie/Felchenkaviar zeigte sich ein Missverhältnis der Aromen. Im Gegensatz zum winzigen Filet waren einfach zu viele Holunderkapern auf dem Teller, was dazu führte, daß der Fisch nur wenig Chance hatte, zu beeindrucken. Texturell durch die knusprigen Kapern eine feine Sache, aber leider nicht ganz ausgewogen. (Da ist meine Frau übrigens anderer Meinung - sie fand den Gang ausgezeichnet, aber vielleicht hatte sie auch nicht so viele Kapern?)
Dann mein Lieblingsgang Gebratene Gänseleber/Zuckermais/Junge Erbsen/Vanilleessig. Herrlich. Großartig. Konnte ich nicht genug von bekommen. Fulminant die Verbindung der zarten, prallen Leber mit dem süßsauren Vanilleessig. Ein großer Genuss.
Der Alternativgang meiner Frau, die Wildgarnele, kam auch sehr gut an, mit dem kleinen Schönheitsfehler, daß die Garnele von einem Schaum gekrönt wurde, der wohl der reinen Optik diente und nach nichts schmeckte und insofern eine moderne Variante der altehrwürdigen, handgeschnitztenKarottenrose darstellet, die so manchen Teller meiner Jugend zierte. Auf diese „Airs“, die auch später die Desserts krönten, kann ich gut und gerne verzichten.
Der Hauptgang: Rehrücken mit Pfeffer/Kümmeljus/Rote Bete/Waldpilze/Rehbeuscherl
Ein herrliches Stück Fleisch, saftig und zart, auf den Punkt gegart und wunderbar im Geschmack. Allerdings war ich nicht darauf vorbereitet, was mich im Töpchen neben dem Teller erwartete. Als ich mit der Gabel durch die Soße stieß, wehte mir ein beißender Essiggeruch entgegen, der mir den weiteren Genuss stark eintrübte. Da ich noch nie zuvor Beuscherl, also ein Ragout aus Innereien, gegessen habe, bin ich auch nicht in der Lage zu vergleichen - aber diese extreme Essignote, die wohl noch durch den Kümmeljus verstärkt wurde, hat mich davon abgehalten, das ansonsten tadellose Gericht aufzuessen. (Da habe ich wohl jetzt was mit Zeitblom gemeinsam).
Das Dessert stimmte mich dann wieder versöhnlich: Zwetschgen und Mirabellen/Maceschokolade/Marzipan/Zimtblüte/Eberraute
Sowohl optisch (mal abgesehen vom „Air“) als auch geschmacklich zauberhaft und genau so ausgewogen im Zusammenspiel der Aromen und Texturen, wie ich es mir von allen anderen Gerichten ebenfalls gewünscht hätte.
Köstliche Pralinen und ein eher schwacher koffeinfreier Espresso, zu dem auch kein Zucker gereicht wurde - so endete ein zwiespältiger Abend mit einem ebensolchen Ausklang.
Zurück bleiben einige Fragen, die ich jetzt einfach mal in den Raum stelle.
Sind wir noch nicht reif für die Drei-Sterne-Küche?
Können wir die Kreationen von Nils Henkel nicht goutieren, weil uns die Erfahrung mit außergewöhnlichen Zutaten fehlt?
Ist das Konzept der Rückbesinnung auf die Natur stimmig oder hat es Schwachstellen?
Oder ist das derzeitige Menü von Nils Henkel einfach nicht unser Fall und wir hatten einfach Pech?
Fest steht für uns, daß wir uns nicht entmutigen lassen und weiterhin Ausflüge in die Sterne machen werden. Fest steht aber auch, daß die Wahl in absehbarer Zeit wohl nicht auf Nils Henkel fallen wird, zumal der Preis von 160 Euro für sechs Gänge nicht gerade gering ist.
Wir bleiben dran und werden berichten!
Gruß, spumante.
Der Empfang durch den distinguierten Maitre, dessen französischer Akzent ein klein wenig eitel wirkte, war eher formell als freundlich. Erste Ängste kamen auf. Sind wir den Anforderungen der Hochküche gewachsen? Werden wir bereits am Eingang als unwürdige Anfänger enttarnt und sogleich des Hauses verwiesen? Glücklicherweise wurden wir dann doch an unseren Tisch begleitet und kamen den Rest des Abends kaum noch mit dem ehrfurcht-einflößenden Herrn Thomann in Berührung. Stattdessen bediente uns ein junges Serviceteam ganz ohne Affektiertheit und Dünkel.
Es folgte die unweigerliche Frage, ob‘s ein Glas Champagner sein darf, worauf ich regelmäßig die Gegenfrage nach einem Winzersekt stelle, der auch selbstverständlich serviert wurde und sehr gut war. Dermaßen eingestimmt ließen wir den Blick schweifen. Hier wurde behutsam modernisiert, viele Brauntöne, riesige Lampenschirme an der Decke, grüne Ledersessel - alles ganz schick, wenn da nicht dieses lästige Notausgangsschild wäre, das sich den ganzen Abend über immer wieder penetrant in meinen Blick warf. Aber Sicherheit muss ja sein.
Dann der erste Gruß aus der Küche. Ein Croustillant von der Meeresspinne und eine Art Minisandwich vom Tobinambur. Sah erstklassig aus und schmeckte auch so. Jawoll, dachte ich, das ist Drei-Sterne-Küche. Ausgewogene Aromen und ein souveränes Spiel der Texturen, Präzision und Detailverliebtheit sowohl beim Anrichten als auch bei der handwerklichen Ausführung, phantasievolles Zusammenstellen außergewöhnlicher und hochwertiger Ausgangsprodukte, das alles traf auf diese kleinenGaumenschmeichler zu. Der Abend verhieß groß zu werden.
Auch der zweite Gruß wunderbar. Drei Varianten des Estragon, mal mit Fisch, mal mit Bries - köstlich.
Wir entschieden uns für die Degustation Pure Nature (wird das eigentlich englisch oder französisch ausgesprochen) in 6 Gängen. Dem Wunsch meiner Frau, die Gänseleber gegen die Wildgarnele zu tauschen wurde gerne entsprochen, was darüberhinaus noch dazu führte, daß sie zu ihrer großen Freude auch von anderen Innereien verschont blieb (z.B. dem Bries im Amuse), bzw. Alternativen angeboten bekam.
Der junge, freundliche Sommelier ging souverän auf meine Bitte ein, jeweils einen Weiß- und einen Rotwein auszusuchen, da ich noch fahren musste.
Die erste Schwäche zeigte sich dann in der Qualität der Brotauswahl. Es gab fluffiges, brötchenartiges Gebäck in verschiedenen Geschmacksrichtungen, deren Inhalt mehr Luft als Teig war. Das kennen wir selbst aus unbesternten Häusern besser.
Dann der erste Gang: Flusskrebse/Gurke/Kräuteremulsion/Johannisbeeren/Dickmilch
Bemerkenswert die vertikale Anordnung auf dem Teller, wohl ein Einfluss der skandinavischen Gourmetküche. Sieht toll aus, ist aber äußerst unpraktisch. Da man die, in hauchdünne Gurkenscheiben eingewickelten Teile nun mal nicht vertikal in den Mund bekommt, fummelt man so lange auf dem Teller rum, bis alles flach und unansehnlich darniederliegt. Am Ende bleibt ein deutlicher Geschmack nach....naja, Gurke halt, die zusammen mit den Kräutern und den Flusskrebsen immerhin einen frischen Start ins Menu bildeten. Eben Pure Nature.
Der zweite Gang Seeteufel/Puro de Bellota Schinken/Palbohnen im Bohnenkrautsud
war dann optisch das genaue Gegenteil. Ein schönes, perfekt gegartes Stück Seeteufel auf einem Soßenspiegel, belegt mit zwei Scheiben Schinken und ein paar Bohnen an der Seite. Einfach, klassisch, fast ein bißchen langweilig. Da wird wohl der Geschmack umwerfend sein, dachte ich noch und versuchte den Schinken zu zerteilen - allein, der wehrte sich, entpuppte sich dessen Konsistenz doch als merkwürdig gummiartig, so als hätte man vergessen, das Cellophan vom Schinken zu nehmen (was natürlich nicht der Fall war). Um ihn zu zerteilen, musste man ihn vom Seeteufel herunternehmen, auf den Telleboden legen und dann durchschneiden. Nachdem das geklappt hat, freute ich mich auf das kommende Geschmackserlebnis und wurde wieder enttäuscht. Eine irgendwie seifige, laugige Note belegte meine Zunge und wollte auch erstmal nicht so schnell weichen, so daß der tolle Fisch geschmacklich leider etwas unterging.
Gut, dachte ich, vielleicht ist dieser Bellota-Schinken einfach nichts für mich, kann ja passieren.
Aber auch im dritten Gang Felchenfilet/Holunderkapern-Vinaigrette/Petersilie/Felchenkaviar zeigte sich ein Missverhältnis der Aromen. Im Gegensatz zum winzigen Filet waren einfach zu viele Holunderkapern auf dem Teller, was dazu führte, daß der Fisch nur wenig Chance hatte, zu beeindrucken. Texturell durch die knusprigen Kapern eine feine Sache, aber leider nicht ganz ausgewogen. (Da ist meine Frau übrigens anderer Meinung - sie fand den Gang ausgezeichnet, aber vielleicht hatte sie auch nicht so viele Kapern?)
Dann mein Lieblingsgang Gebratene Gänseleber/Zuckermais/Junge Erbsen/Vanilleessig. Herrlich. Großartig. Konnte ich nicht genug von bekommen. Fulminant die Verbindung der zarten, prallen Leber mit dem süßsauren Vanilleessig. Ein großer Genuss.
Der Alternativgang meiner Frau, die Wildgarnele, kam auch sehr gut an, mit dem kleinen Schönheitsfehler, daß die Garnele von einem Schaum gekrönt wurde, der wohl der reinen Optik diente und nach nichts schmeckte und insofern eine moderne Variante der altehrwürdigen, handgeschnitztenKarottenrose darstellet, die so manchen Teller meiner Jugend zierte. Auf diese „Airs“, die auch später die Desserts krönten, kann ich gut und gerne verzichten.
Der Hauptgang: Rehrücken mit Pfeffer/Kümmeljus/Rote Bete/Waldpilze/Rehbeuscherl
Ein herrliches Stück Fleisch, saftig und zart, auf den Punkt gegart und wunderbar im Geschmack. Allerdings war ich nicht darauf vorbereitet, was mich im Töpchen neben dem Teller erwartete. Als ich mit der Gabel durch die Soße stieß, wehte mir ein beißender Essiggeruch entgegen, der mir den weiteren Genuss stark eintrübte. Da ich noch nie zuvor Beuscherl, also ein Ragout aus Innereien, gegessen habe, bin ich auch nicht in der Lage zu vergleichen - aber diese extreme Essignote, die wohl noch durch den Kümmeljus verstärkt wurde, hat mich davon abgehalten, das ansonsten tadellose Gericht aufzuessen. (Da habe ich wohl jetzt was mit Zeitblom gemeinsam).
Das Dessert stimmte mich dann wieder versöhnlich: Zwetschgen und Mirabellen/Maceschokolade/Marzipan/Zimtblüte/Eberraute
Sowohl optisch (mal abgesehen vom „Air“) als auch geschmacklich zauberhaft und genau so ausgewogen im Zusammenspiel der Aromen und Texturen, wie ich es mir von allen anderen Gerichten ebenfalls gewünscht hätte.
Köstliche Pralinen und ein eher schwacher koffeinfreier Espresso, zu dem auch kein Zucker gereicht wurde - so endete ein zwiespältiger Abend mit einem ebensolchen Ausklang.
Zurück bleiben einige Fragen, die ich jetzt einfach mal in den Raum stelle.
Sind wir noch nicht reif für die Drei-Sterne-Küche?
Können wir die Kreationen von Nils Henkel nicht goutieren, weil uns die Erfahrung mit außergewöhnlichen Zutaten fehlt?
Ist das Konzept der Rückbesinnung auf die Natur stimmig oder hat es Schwachstellen?
Oder ist das derzeitige Menü von Nils Henkel einfach nicht unser Fall und wir hatten einfach Pech?
Fest steht für uns, daß wir uns nicht entmutigen lassen und weiterhin Ausflüge in die Sterne machen werden. Fest steht aber auch, daß die Wahl in absehbarer Zeit wohl nicht auf Nils Henkel fallen wird, zumal der Preis von 160 Euro für sechs Gänge nicht gerade gering ist.
Wir bleiben dran und werden berichten!
Gruß, spumante.
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