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Favorite*, Mainz

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  • Favorite*, Mainz

    So kurz nach Weihnachten mag die Frage noch erlaubt sein: „Wart Ihr auch alle schön brav? Wenn ja, warum?“

    Abgewandelt auf das Gourmetrestaurant des Parkhotels Favorite in Mainz muss der junge Küchenchef Tim Meierhans kleinlaut eingestehen, dass er ganz brav gekocht hat. Und man fragt sich erstaunt warum!

    Vor 5 Jahren hat sich das seit den 70er Jahren stetig gewachsene Hotel am Rhein ein Gourmetrestaurant zugelegt und mit Tim Meierhans einen ambitionierten Koch engagiert, der hier gelernt hat und nach Stationen in der Traube Tonbach, im Kronenschlösschen und bei Frank Buchholz ins Parkhotel zurückgekehrt ist. Der Michelin anerkennt seine Leistung seit 2011 mit einem Stern.

    Mit seinem fast ausschließlich klassischen Repertoire bleibt aber unklar, welche Klientel Meierhans bedienen will. Hier isst man so, wie man das auch in den 80er und 90er Jahren landauf landab getan hat, so wie ein ambitionierter Hobbykoch es im Zweifel auch hinbekommt oder erstklassige Hotels ihre Hausgäste verköstigen.

    Ein Menü im Favorite liest sich dann so:

    Elsässer Gänsestopfleber, Orange, Dattel, Brioche

    Polentaravioli, Perigord-Trüffel, Kürbis-Sud

    Norwegische Jakobsmuschel, Nussbutterschaum, Petersiliencrème, Pata Negra

    Bretonischer Steinbutt, Spinat, Risotto

    Französische Maisente, 2x Rote Bete, Himbeere

    Rinderfilet „dry aged“, Ochsenmarkkruste, Trüffeljus, Rosenkohl

    Schokoladenschnitte mit Mango


    Ich muss diese Gänge nicht näher beschreiben, auf dem Teller ist alles so platziert, wie es annonciert ist, nicht mehr und nicht weniger. Sie sind handwerklich korrekt ausgeführt und schmecken auch „ganz lecker“, aber der Pfiff, das Überraschende, das Spiel mit Aromen und Texturen fehlen gänzlich. Die Erwartungshaltung, die man einem jungen Sternerestaurant mit einem jungen Küchenchef entgegenbringt, ist eine völlig andere. Sehr schade!

    So möchte ich Tim Meierhans wohlwollend unterstellen, dass die Politik des privat geführten Hauses ihn am Ausleben seiner Kreativität hindert und in erster Linie die konservative Klientel des renommierten Hotels angesprochen werden soll. Ein Zukunftskonzept ist das aber sicherlich nicht!

    Beste Grüße, Merlan

  • #2
    Ich kenne das Restaurant und den Koch zugegebenermassen nicht, aber ich kann Ihre Überraschung nicht ganz nachvollziehen. Die von Ihnen genannten Ausbildungsstationen sind ja nicht gerade für ihre Avantgarde-Küche bekannt. Was genau ist daran verwunderlich wenn er so kocht, wie er es gelernt hat und dem Michelin es gefällt ?

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    • #3
      Zitat von Max.Vanderveer
      Was genau ist daran verwunderlich wenn er so kocht, wie er es gelernt hat und dem Michelin es gefällt ?
      Nicht jeder, der einmal bei Wohlfahrt gearbeitet hat, kocht auch später dessen Stil, wobei es vermessen wäre, die Gerichte von Tim Meierhans mit denen des Baiersbronner Meisters zu vergleichen. Ich erwarte von einem jungen Koch eigentlich, dass er auf dieser besten Basis eine eigene Handschrift entwickelt.

      Im Übrigen war Meierhans bei Bucholz in Mainz Sous-Chef und da wird deutlich kreativer und mutiger gekocht. Also kein Grund, in der Klassik zu verharren!

      Beste Grüße, Merlan

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      • #4
        Zitat von merlan
        Nicht jeder, der einmal bei Wohlfahrt gearbeitet hat, kocht auch später dessen Stil... Ich erwarte von einem jungen Koch eigentlich, dass er auf dieser besten Basis eine eigene Handschrift entwickelt.
        Bei einigen der bekannten Köche ist das natürlich so. Sie haben dort handwerkliche Dinge mitgenommen und das für den eigenen Stil genutzt. Aber jenseits dieser bekannten kreativen Top-Köche gibt es sicher auch genug "Schüler" die so weiterkochen, wie sie es gelernt haben. Ich finde das persönlich nicht verwunderlich. zumal es ja noch viele Gäste gibt, die diesen Stil schätzen.

        Ich habe gerade auch mal das aktuelle Menü von F. Buchholz gelesen, das klingt auch nicht gerade nach Avantgarde (kenne natürlich die Umsetzung nicht):

        Waldorfsalat mit Schinken und gebackenem Langustino

        Gebratene Jakobsmuschel mit Zucchini, Tomate und Safran

        Gänsebraten "Klassisch" mit Rotkraut, Kartoffelkloß und Bratapfel

        Schneekugel Buchholz"


        Vermutlich fällt der Apfel nicht weit vom Stamm .......
        Zuletzt geändert von Max.Vanderveer; 01.01.2013, 19:34.

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        • #5
          Damit das nicht in eine falsche Richtung abdriftet, lieber Max, da Sie ja ein bekennender Nicht-Wohlfahrt-Fan sind: Es wäre ein kaum zu übertreffender Abend gewesen, wenn Meierhans auch nur annährend so gekocht hätte, wie Wohlfahrt dies vermag! Auch wenn ich die Avantgarde sehr schätze, bleibt Wohlfahrt für mich immer eine Referenz!

          Beste Grüße, Merlan

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          • #6
            Zitat von merlan
            Es wäre ein kaum zu übertreffender Abend gewesen, wenn Meierhans auch nur annährend so gekocht hätte, wie Wohlfahrt dies vermag!
            Das können Sie aber bei einem Einterner, der gerade mal 2 Jahre auf dem Chefposten steht kaum erwarten.

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            • #7
              Hab´ich ja auch nicht! Der Wohlfahrt-Bezug kam von Ihnen!

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              • #8
                Donnerstag Abend, erste Frage: „Was hälst Du davon, wenn wir Samstag einen Ausflug nach Mainz machen?“ Ich überlege kurz. Gegenfrage: „Wie lange dauert das?“ Keine ganz unwichtige Frage, denn wenn wir jetzt über Ausflüge sprechen, dann sind die meistens mit dem Deutschland-Ticket gemeint. Die Strecke ist schön, immer entlang des Rheins, aber dann doch gute drei Stunden lang. Nun verbinde ich mit Mainz nichts Besonderes, so dass ich zögere.
                Zweite Frage: „Gibt es in Mainz eigentlich Sternerestaurants?“ Ich weiß, dass es welche gibt, aber ob die auch mittags geöffnet haben, kann ich mir nicht vorstellen. Also kurz recherchiert und siehe da: Alle vom Michelin gelisteten Häuser haben auch Samstag mittags geöffnet. Auf einmal scheinen mir drei Stunden gar nicht mehr so lang und die Aussicht auf eine gemächliche Tour entlang des Mittelrheins und an der Loreley vorbei durchaus ganz charmant. Wie die Aussicht auf ein gutes Mittagessen doch die Perspektiven verändern kann.

                Die Wahl für die Mahlzeit fällt auf das „Favorite“, dem Gourmetrestaurant im gleichnamigen Parkhotel. Dort wirkt seit 2020 Tobias Schmitt, der es trotz Corona-bedingt schwierigem Jahr schaffte, 2021 den Michelinstern ins Haus zurückzuholen. Zuvor war Schmitt, übrigens Sohn von Harald Schmitt, ehemaliger Chef der legendären Wiesbadener „Ente“, fünf Jahre Sous-Chef bei Andreas Krolik im „Lafleur“. Weitere Stationen in der bemerkenswerten Vita des erst Mitte Dreißigjährigen sind die „Villa Merton“ in Frankfurt, das „La Rive“ in Amsterdam, „Poletto“ und „Louis C. Jakob“ in Hamburg sowie ein Jahr in Australien.

                Nun also das „Favorite“, seine erste Position als Küchenchef. Die Preise für das reguläre Abendmenü, das aber offenbar auch mittags geordert werden kann, liegen bei selbstbewussten 160€ für vier Gänge bis zu 190€ für sechs Gänge. Dagegen nimmt sich das Lunch-Menü für 59€ bzw. 74€ für drei oder vier Gänge geradezu wie ein Schnäppchen aus. Und diese vier Gänge sollen es heute auch für uns sein.

                Das Restaurant selbst auf der Bel Étage des Hotels ist klassisch elegant eingerichtet. An diesem moderat warmen Tag nehmen die meisten Gäste, so wie wir, allerdings auf der Terrasse Platz. Sehr viel angenehmer kann man es, mit Blick auf den Rhein, kaum treffen.


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                Interieur

                Zum Apéritif werden die ersten Snacks gereicht. Ein cremiger Räucheraalsalat im Rote Bete-Knusperröllchen mit Petersiliencreme sowie ein Tatar auf Brioche mit Gänselebereis zeigen bereits, wie elegant und präzise hier gearbeitet wird. Ein sehr feiner und erfreulicher Auftakt.


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                Apéros

                Auch die beiden frisch gebackenen Brote, ein klassisches Baguette sowie ein kompakteres Sauerteigbrot, können sehr überzeugen. Vor allem das Baguette finde ich, zusammen mit der ausgezeichneten gesalzenen Butter, ganz hervorragend.


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                Brot, Butter & Olivenöl

                Bevor es mit dem eigentlichen Menü beginnt, schickt die Küche auch noch ein Amuse Bouche in Form eines Tatars von der Gelbschwanzmakrele mit Blumenkohl in Texturen und Salzzitronen-Blumenkohl-Eis. Das Tatar ist relativ mild abgeschmeckt, das Eis zeigt tatsächlich eine leicht salzige Note, die dem Fisch aber gut steht. Eine kleine, feine Fingerübung.


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                Amuse Bouche

                In der Vorspeise serviert Tobias Schmitt bretonischen Hummer auf zweierlei Art, als marinierte Schwanzstücke und cremigen Salat. Beides ist elegant in Rundform gebracht und wird begleitet von aromatischen kleinen Tomatillos, Avocadocreme und Salty Fingers sowie einem grünen Gazpachoeis. Angegossen wird noch ein klarer, intensiver Tomatenfond. Dies ist ein elegantes, sommerliches Gericht, das gelungen zwischen der Süße des Hummerfleisches und den cremigen Elementen changiert.


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                Zweierlei vom Europäischem Hummer | konfierte Schwanzstücke & Hummersalat |
                eingelegte gelbe Tomaten | Avocadocreme | Salty Fingers | klarer Tomatensud | Burrataespuma | grünes Gazpachoeis

                Weiter geht es mit Saibling als marinierte Scheiben und als Tatar. Das hübsche Arrangement wird komplettiert mit kleinen Zwiebel- und Lauchsegmenten mit Röstzwiebelcreme. Die Fischmenge ist zugegebenermaßen etwas sparsam portioniert, aber den entscheidenden Kick bekommt dieser Gang ohnehin durch den angegossenen Saiblingsfumet mit sehr prägnantem Geschmack, der konzentriert eingekocht ist und eine leicht gebundene Konsistenz aufweist. Sehr gelungen.


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                Zweierlei vom Saibling | gebeizte Tranchen & roh mariniertes Tatar | weiße Zwiebel | Ofenlauch | Bärlauchknospen | Saiblingsfumet | Weizengrasöl

                Im Hauptgang gibt es auf den Punkt gegarten Kalbsrücken mit einer schönen Kruste, begleitet von recht bissfester Petersilienwurzel, Artischocken und Kräuterseitlingen. Wird ja mittlerweile häufig noch ein geschmortes Stück vom Tier mitserviert, reicht Schmitt knuspriges Kalbsbries sowie Kalbszunge. Ich finde das eine ganz wunderbare Abwechslung und schöne Produktvariation, zumal vor allem Zunge ein völlig zu Unrecht vernachlässigtes Stück ist.
                Das ohnehin schon abwechslungsreiche Ensemble wird ergänzt durch Béarnaise-Espuma und einen gut reduzierten, aromatischen, aber nicht zu dominanten Kubebenpfefferjus.
                Dieser Teller ist sehr aufwändig, präzise und sehr stimmig gearbeitet.


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ID: 73753
                Deutsches Milchkalb | gebratener Rücken mit Röstzwiebel-Pinienkruste | gebackenes Bries | glasierte Zunge | Petersilienwurzel | Artischocke | gebratene Kräutersaitlinge | Sauce Béarnaise Espuma | Kubebenpfefferjus

                Auch das Dessert lässt sowohl in Präsentation als auch Geschmack im bisher schon hohen Niveau nicht nach. Eine Lemontarte, pochiert, wobei ich mich frage, wie das bei einer Tarte funktioniert, weist einen typischen Eigengeschmack auf. Dazu gibt es recht weiches Baiser, gefüllt mit Olivenölemulsion, Crumble von Zitronenmadeleines und ein Büffelricottaeis. Angegossen wird ein eher dezenter Basilikumsud. Hier gibt es vor allem ein feines Spiel von Säure und Süße, die vor allem von den Baisers, die auch auf die Tarte aufdressiert wurde, kommt. Das ist elegant, sehr ästhetisch arrangiert und macht an einem Sommertag viel Spaß.


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                Pochierte Lemontarte | Büffelricottaeis | Olivenölemulsion | gebackene Zitronenmadeleine | Basilikumsud

                Mit ein paar Petits Fours, darunter Salted Caramel, Whiskey-Praline, Nougat, Fudge und Mango-Maracuja-Praline mit Original Beans-Schokolade, geht ein mehr als angenehmer Lunch zu Ende.


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                Petits Fours

                Auch wenn das umfangreichere Abendmenü mit noch ausgefeilteren Kombinationen und höherwertigen Zutaten lockt, hatten wir nicht das Gefühl, das für das deutlich preisgünstigere Mittagsmenü am Aufwand gespart wird. Damit ist es ein mehr als gelungener Einstieg, um die Küche von Tobias Schmitt kennenzulernen, die sich auf klassischem Fundament bewegt, aber viel Kreativität und Abwechslungsreichtum mitbringt. Der Fokus liegt hierbei eindeutig auf harmonischem Wohlgeschmack und nicht auf Polarisierung.

                Die Weinkarte ist gut sortiert und folgt dem recht anspruchsvollen Preisniveau, aber mit etwas Glück kann man hier durchaus auch die ein oder andere Offerte finden. Der Service, geleitet von Marleen Kaufhold und Sommelier Sebastian Lisges, agiert professionell und aufmerksam, aber mit einem angenehm lockeren Touch.


                So marschieren wir gut gesättigt und gut gelaunt zurück zum Bahnhof. Die Stadt selbst verleitet jetzt nicht zwingend dazu, sich noch viel anschauen zu müssen. Und sehr viel besser kann es heute ohnehin nicht mehr werden. Also machen wir uns zurück auf die dreistündige Fahrt, die noch ganz entspannt beginnt, aber für viele Reisende in der letzten Stunde zu einer echten Herausforderung wird, wenn schon der Lokführer die Zusteigenden in der „Sardinenbüchse“ begrüßt. Gut, dass wir einen Sitzplatz haben. Und die Erinnerung an einen gelungenen Mittag.


                Bericht wie immer auch auf meinem Blog: http://tischnotizen.de/favorite-mainz/

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