Hier mein letzter Bericht aus der Vor-Corona-Zeit über das Pietsch in Wernigerode:

Robin Pietsch ist nicht nur der einzige Sternekoch Sachsen-Anhalts, er hat neben Benjamin Peifer vom Guide Michelin in diesem Jahr den zweiten Stern für sein zweites Restaurant bekommen. Am Tag nach unserem Club-Essen im Aqua war ich mit Bookholder in Wernigerode. Im Zeitwerk gibt es modern interpretierte Regionalküche. Im Pietsch will Robin Pietsch sich weltoffen präsentieren. Ein Tresenrestaurant mit klaren Geschmackslinien, intensiven Aromen und erstklassiger Produktqualität lautet das Versprechen.
Das Restaurant besteht seit dem Sommer und startete unter dem Namen Pieket, das ket stand für Wolfgang Kettner, der aber das Haus wieder hat, daher heißt es nun allein Pietsch.
Der Weg zwischen beiden Restaurants ist maximal 100 Meter lang, so ist Robin Pietsch in beiden Restaurants präsent – bei uns am Anfang des Abends. Den weiteren Ablauf überlässt er dem sehr jungen Team mit Sous Chef Luis Hendriks und Restaurantleiterin Ulrike Weisel an der Spitze.
Ein Tresenrestaurant ist es auf jeden Fall – und es sieht zunächst richtig cool aus. Glatter grauer Beton und warmes Holz erzeugen eine weltläufige Atmosphäre. Die Theke ist ganz gerade. Nur am Kopfende haben zwei Gäste den Blick von der Seite auf die übrigen zehn Gäste und die Mitarbeiter, die hinter der Theke die Gerichte finalisieren – großartige Kochaktivitäten kann man nicht beochten. Für die anderen ergibt sich eine recht frontale Anordnung. Die warmen Holzelemente sind nun weitgehend im Rückem und die Vorstellung der Gerichte erfolgt ein wenig wie beim Frontalunterricht in der Schule: Vorne steht einer und spricht, zwölf Gäste hören zu. So geht ein wenig der Atmosphäre verloren. Bei Kevin Fehlings geschwungener Theke oder im Ernst, wo der Tresen etwa zwei gleich lange Seiten hat, kann man Küche und andere Gäste sehen. Aber trotzdem gelingt es, urbanes, städtisches Flair zu etablieren.
Das Menü – inclusive Kaffee und Brotgang – besteht aus 14 Positionen für 110 Euro.
Umami Brühe steht am Anfang. Die wirklich wärmende Brühe (es war ein kalter Nachmittag und Abend) auf Entenbasis bekommt mit etwas Frühlingszwiebelringen einen leicht scharf-frischen Touch.

Lachs Label Rouge Ikura Rogen klingt nach einem puristischen Gericht, leider wird der Eigengeschmack von Lachs und Kaviar von der Proportionierung der Halbschale und dem Kartoffelstroh merklich zurückgedrängt -das kann man besser umsetzen.

Rinderbrust Schwarzer Rettich ist eine recht eigenständige Interpretation des Frantzen-Klassikers. Das Brot ist mittelsaftig und recht röstig. Darauf kommt dann die saftige Rinderbrust und der scharf-erdige Rettich. Das ist interessant und richtig lecker zugleich – ein modernes Gericht, das aber auch den Bauch anspricht.

Ei Kartoffel | Trüffel ist dann – bei aller modernen Optik – geschmacklich klassisch und schlotzig. Allerdings ist der Trüffel nicht übermäßig präsent.

Harzer Brot Zitrus – Butter ist bemerkenswert gut: es ist röstig und hat eine gute, saftige Krume. Sehr lecker ist die recht frische Butter mit den Zitronenzesten.

Garnelen Dim Sum Krustentier Bisque ist dann ein üppigerer und absolut leckerer Gang. Die Garnele könnte etwas mehr Präsenz bekommen, wenn der Dim Sum Teig nicht so dick wäre.

Kabeljau Kombu Beurre Blanc | Kaviar vom Stör besteht aus einem glänzend zubereiteten Stück Kabeljau mit einer dezent algigen Beurre Blanc. Der Kaviar passt natürlich gut dazu, so ist die Kombination nicht besonders überraschend, aber gut gemacht.

Tomate Zitrone hat dann den wieder richtig Pfiff. Hier wird mit Temperaturen und Säuren spannend gespielt. Die Tomatenaromatik ist etwas breiter, die Zitrone kühler und spitzer. Dadurch zeigt das Gericht, je nachdem, wie der Löffel zusammengestellt ist, unterschiedliche Ausprägungen von Säuren.

Schweinebacke Topinambur | Buchweizen |Holunder ist ein tadellos zubereitetes Stück Schmorfleisch – mit dem Vorteil der Wohligkeit und dem Nachteil der etwas barocken Wirkung durch die Sauce. Durch die Erdigkeit der Topinambur und der Säure des Holunders bekommt das Gericht Schliff.

Birnensorbet folgt als Erfrischung

Geröstete Kokosnuss Anans hat eine dezente, feine Exotik bei minimaler Süße.

Mit Kaffee bzw. Tee, Pralinen und einer Likörauswahl endet der Abend im Pietsch.

Handwerklich und Gang für Gang betrachtet, ist der Stern gerechtfertigt. Alle Gerichte sind ohne Fehl und Tadel zubereitet. Was mir jedoch gefehlt hat, ist die Klarheit in der kulinarischen Linie. Einige Gänge verharren sehr in klassischen Geschmacksbildern, andere sind deutlich moderner und durchaus auch eigenständig, sodass sie besser in coole Atmosphäre passen. Hier wirkt es so, als laufe noch ein Entwicklungsprozess der zu mehr Stimmigkeit führen kann..
Verbesserungswürdig ist die Weinbegleitung und die Weinkarte. So wurden hier zwei Sauvignon Blancs für die ersten Gänge (einer von der Loire und einer von Knipser) ausgewählt, deren frisches, wenig komplexes Geschmacksprofil sich nur minimal voneinander unterscheiden. Auch die übrigen Weine, ein trockener Riesling von Fritz Haag, ein einfacher Côte du Rhône und ein Dönnhoff Kabinett als Süßwein sind insgesamt für 65 Euro, die die Weinbegleitung kostet, ok, aber ich hätte die Weinbegleitung nicht gewählt, wenn nicht im Grunde die Flaschenweinauswahl im Wesentlichen aus den Weinen der Weinbegleitung bestanden hätte. Die Weinkarte bietet im Bereich Schäumer und Rotweine zwar Alternativen, aber bei den Weißweinen bleibt es im Grunde bei Weintypen, die so ähnlich auch in der Begleitung sind – jung und eher einfach.
Trotz alledem: das Pietsch ist ganz sicher das coolste Restaurant zwischen Wolfsburg und Berlin.
Vor dem Menü konnte ich auch ein Podcast-Interview mit dem sympathischen Robin Pietsch führen, deren Veröffentlichung sich wegen des Corona-Einschnitts verzögert hat, aber in einigen Wochen wird sie nun online gehen.
Robin Pietsch ist nicht nur der einzige Sternekoch Sachsen-Anhalts, er hat neben Benjamin Peifer vom Guide Michelin in diesem Jahr den zweiten Stern für sein zweites Restaurant bekommen. Am Tag nach unserem Club-Essen im Aqua war ich mit Bookholder in Wernigerode. Im Zeitwerk gibt es modern interpretierte Regionalküche. Im Pietsch will Robin Pietsch sich weltoffen präsentieren. Ein Tresenrestaurant mit klaren Geschmackslinien, intensiven Aromen und erstklassiger Produktqualität lautet das Versprechen.
Das Restaurant besteht seit dem Sommer und startete unter dem Namen Pieket, das ket stand für Wolfgang Kettner, der aber das Haus wieder hat, daher heißt es nun allein Pietsch.
Der Weg zwischen beiden Restaurants ist maximal 100 Meter lang, so ist Robin Pietsch in beiden Restaurants präsent – bei uns am Anfang des Abends. Den weiteren Ablauf überlässt er dem sehr jungen Team mit Sous Chef Luis Hendriks und Restaurantleiterin Ulrike Weisel an der Spitze.
Ein Tresenrestaurant ist es auf jeden Fall – und es sieht zunächst richtig cool aus. Glatter grauer Beton und warmes Holz erzeugen eine weltläufige Atmosphäre. Die Theke ist ganz gerade. Nur am Kopfende haben zwei Gäste den Blick von der Seite auf die übrigen zehn Gäste und die Mitarbeiter, die hinter der Theke die Gerichte finalisieren – großartige Kochaktivitäten kann man nicht beochten. Für die anderen ergibt sich eine recht frontale Anordnung. Die warmen Holzelemente sind nun weitgehend im Rückem und die Vorstellung der Gerichte erfolgt ein wenig wie beim Frontalunterricht in der Schule: Vorne steht einer und spricht, zwölf Gäste hören zu. So geht ein wenig der Atmosphäre verloren. Bei Kevin Fehlings geschwungener Theke oder im Ernst, wo der Tresen etwa zwei gleich lange Seiten hat, kann man Küche und andere Gäste sehen. Aber trotzdem gelingt es, urbanes, städtisches Flair zu etablieren.
Das Menü – inclusive Kaffee und Brotgang – besteht aus 14 Positionen für 110 Euro.
Umami Brühe steht am Anfang. Die wirklich wärmende Brühe (es war ein kalter Nachmittag und Abend) auf Entenbasis bekommt mit etwas Frühlingszwiebelringen einen leicht scharf-frischen Touch.
Lachs Label Rouge Ikura Rogen klingt nach einem puristischen Gericht, leider wird der Eigengeschmack von Lachs und Kaviar von der Proportionierung der Halbschale und dem Kartoffelstroh merklich zurückgedrängt -das kann man besser umsetzen.
Rinderbrust Schwarzer Rettich ist eine recht eigenständige Interpretation des Frantzen-Klassikers. Das Brot ist mittelsaftig und recht röstig. Darauf kommt dann die saftige Rinderbrust und der scharf-erdige Rettich. Das ist interessant und richtig lecker zugleich – ein modernes Gericht, das aber auch den Bauch anspricht.
Ei Kartoffel | Trüffel ist dann – bei aller modernen Optik – geschmacklich klassisch und schlotzig. Allerdings ist der Trüffel nicht übermäßig präsent.
Harzer Brot Zitrus – Butter ist bemerkenswert gut: es ist röstig und hat eine gute, saftige Krume. Sehr lecker ist die recht frische Butter mit den Zitronenzesten.
Garnelen Dim Sum Krustentier Bisque ist dann ein üppigerer und absolut leckerer Gang. Die Garnele könnte etwas mehr Präsenz bekommen, wenn der Dim Sum Teig nicht so dick wäre.
Kabeljau Kombu Beurre Blanc | Kaviar vom Stör besteht aus einem glänzend zubereiteten Stück Kabeljau mit einer dezent algigen Beurre Blanc. Der Kaviar passt natürlich gut dazu, so ist die Kombination nicht besonders überraschend, aber gut gemacht.
Tomate Zitrone hat dann den wieder richtig Pfiff. Hier wird mit Temperaturen und Säuren spannend gespielt. Die Tomatenaromatik ist etwas breiter, die Zitrone kühler und spitzer. Dadurch zeigt das Gericht, je nachdem, wie der Löffel zusammengestellt ist, unterschiedliche Ausprägungen von Säuren.
Schweinebacke Topinambur | Buchweizen |Holunder ist ein tadellos zubereitetes Stück Schmorfleisch – mit dem Vorteil der Wohligkeit und dem Nachteil der etwas barocken Wirkung durch die Sauce. Durch die Erdigkeit der Topinambur und der Säure des Holunders bekommt das Gericht Schliff.
Birnensorbet folgt als Erfrischung
Geröstete Kokosnuss Anans hat eine dezente, feine Exotik bei minimaler Süße.
Mit Kaffee bzw. Tee, Pralinen und einer Likörauswahl endet der Abend im Pietsch.
Handwerklich und Gang für Gang betrachtet, ist der Stern gerechtfertigt. Alle Gerichte sind ohne Fehl und Tadel zubereitet. Was mir jedoch gefehlt hat, ist die Klarheit in der kulinarischen Linie. Einige Gänge verharren sehr in klassischen Geschmacksbildern, andere sind deutlich moderner und durchaus auch eigenständig, sodass sie besser in coole Atmosphäre passen. Hier wirkt es so, als laufe noch ein Entwicklungsprozess der zu mehr Stimmigkeit führen kann..
Verbesserungswürdig ist die Weinbegleitung und die Weinkarte. So wurden hier zwei Sauvignon Blancs für die ersten Gänge (einer von der Loire und einer von Knipser) ausgewählt, deren frisches, wenig komplexes Geschmacksprofil sich nur minimal voneinander unterscheiden. Auch die übrigen Weine, ein trockener Riesling von Fritz Haag, ein einfacher Côte du Rhône und ein Dönnhoff Kabinett als Süßwein sind insgesamt für 65 Euro, die die Weinbegleitung kostet, ok, aber ich hätte die Weinbegleitung nicht gewählt, wenn nicht im Grunde die Flaschenweinauswahl im Wesentlichen aus den Weinen der Weinbegleitung bestanden hätte. Die Weinkarte bietet im Bereich Schäumer und Rotweine zwar Alternativen, aber bei den Weißweinen bleibt es im Grunde bei Weintypen, die so ähnlich auch in der Begleitung sind – jung und eher einfach.
Trotz alledem: das Pietsch ist ganz sicher das coolste Restaurant zwischen Wolfsburg und Berlin.
Vor dem Menü konnte ich auch ein Podcast-Interview mit dem sympathischen Robin Pietsch führen, deren Veröffentlichung sich wegen des Corona-Einschnitts verzögert hat, aber in einigen Wochen wird sie nun online gehen.
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