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Sinne*, Amsterdam

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  • Sinne*, Amsterdam

    Die Gastro-Szene in Amsterdam hat in den vergangenen Jahren eine beeindruckende Entwicklung genommen. Der Michelin listet derzeit 14 Sterne-Restaurants, davon vier mit zwei Sternen und 14 mit einem Bib Gourmand ausgezeichnete Betriebe. Nahezu wöchentlich kommen Neueröffnungen und Pop Ups dazu. Allen gemeinsam ist, dass sie auf ein junges, aufgeschlossenes und genusswilliges Publikum treffen, das gutes Essen und Service ohne formelles Getue schätzt.

    Das Restaurant Sinne fügt sich hier nahtlos ein. 2013 vom gebürtigen Schweden Alexander Ioannou und seiner niederländischen Frau Suzanne Sluijter eröffnet, kam der erste Stern bereits im Folgejahr. Im langgezogenen Restaurant, an dessen Kopfende man einen direkten Blick in die offene Küche hat, sitzt es sich bequem. Wen es stört, dass man am Ende des Abends allerdings die Essensgerüche in der Kleidung hat, sollte sich besser einen Tisch im unteren Bereich reservieren.

    Die Begrüßung ist herzlich und der Apéritif wird zügig mit einigen Kleinigkeiten gebracht. Dass wir dann allerdings bald eine Viertelstunde warten müssen, bis wir überhaupt die Karte gebracht bekommen, lässt meine Laune rapide sinken, bevor es hier überhaupt richtig losgegangen ist. Es soll die einzige Irritation bleiben, denn der Service bekommt gerade noch rechtzeitig die Kurve und unser Kellner stellt sich im Laufe des Abends als überaus freundlich und angenehm kommunikativ heraus.

    Aus der Karte mit je drei kalten und warmen Vorspeisen, drei Hauptgerichten und zwei Desserts plus Käse sowie einigen Tagesempfehlungen kann man sich sein Menü selbst zusammen stellen. Drei Gänge sind für 38 Euro zu haben, acht Gänge für 85 Euro. Wir entscheiden uns für sieben Gänge und nach einem sehr cremigen Amuse, an das ich mich im Detail nicht mehr erinnere, geht es auch zügig los.

    Mein leicht abgeflämmter Kabeljau wird von einer fruchtig frischen Bouillon aus Apfel, Fenchel und Sellerie begleitet. Die begleitenden Gemüseröllchen sind mit einer Joghurtcreme gefüllt und Currychips liefern Textur. Das ist ein leichter und eleganter Einstieg ins Menü, während es auf der anderen Tischseite mit einer relativ mächtigen Cheddarcreme deutlich rustikaler zugeht. Zwar sind die crispen Grünkohlblätter als Ergänzung originell, schaffen es jedoch nicht, dem Gericht zu etwas Leichtigkeit zu verhelfen.



    Viel überzeugender dann der rote Gamberoni, der in einer kräftigen Krustentiersauce badet, die mit Kokosmilch verfeinert wurde.



    Herausragend der nächste Gang, bei dem Sellerie in unterschiedlichen Konsistenzen kombiniert wird mit gehackten Haselnüssen, flüssigem Eigelb, einer sehr fluffigen Hollandaise und einer üppigen Sauce, der Knoblauch und Trüffel den entscheidenden Kick geben. Insgesamt ein absolutes Wohlfühlgericht, ohne dabei eindimensional oder langweilig zu wirken.



    Beim folgenden Steinbutt passiert mir auf dem Teller deutlich zu viel und auch die rechte Harmonie zwischen den Komponenten will sich für mich nicht einstellen. Vor allem das mit Kreuzkümmel aromatisierte Spinatpüree gefällt mir nicht und kommt mir wie ein Fremdkörper gegen Spargel, Reiscreme und ansonsten gute Jus vor. Hier wäre Reduktion sicherlich von Vorteil.



    Dass uns beim nächsten Gericht erneut Spinat begegnet, ist der Tatsache geschuldet, dass die Küche die Abfolge der bestellten Gänge in den für sie sinnvollsten Ablauf gebracht hat. Denn das Stück vom Shortrib stammt zwar aus der Abteilung der Vorspeisen und hätte mir da ebenso gefallen, aber ich kann nachvollziehen, dass man auch zugunsten einer passenderen Weinbegleitung, die Fleisch- komplett nach den Fischgängen serviert. Das Shortrib ist butterzart, aber ansonsten eher konventionell eingefasst. Erbsenpüree, Blattspinat und Schwarzwurzel tun sich nicht weh, die gehackten Nüsse bringen da mehr Abwechslung und passen gut.



    Ähnlich in der Machart das Black Angus Beef, wieder mit einem Püree und diversen Gemüsen, diemal Pilze, Chicoree, Rübchen, Zwiebeln. Insgesamt aber ein, auch durch die kräftige Jus, herzhafterer Gang.



    Beim Pré-Dessert verlässt mich meine Erinnerung. Es könnte Rhababersorbet gewesen sein, aber beim Espuma müsste ich lügen. Es war auf jeden Fall leicht und erfrischend.



    Das abschließende Dessert für mich ist dann ein verspieltes Allerlei von weißer Schokolade und Blutorange. Genau richtig für mich, denn das Sorbet von Blutorange ist intensiv und fruchtig und federt jegliche Schwere der weißen Schokolade ab.



    Gegenüber gibt es aus der Tagesempfehlung erneut einen viel mächtigeren Nachtisch mit einem warmen, halbflüssigen Schokoladenkuchen, Kaffeeeis und Butterbröseln. Das ist auch gut, aber relativ überraschungsarm. Zudem ist, wenn es nicht ohnehin schon seit den Fleischgängen der Fall wäre, spätestens jetzt der Sättigungsgrad mehr als erreicht.



    Aber wir wollen nicht klagen. Ganz überwiegend war das, was aus der kleinen Küche des „Sinne“ kommt anspruchsvoll, klug kombiniert und sehr lecker. Optisch legt Alexander Ioannou Wert auf ausgeprägte, zeitgemäße Ästethik.
    „Elizabethonfood“ konstatiert in ihrem Blog „his complex preparations*sometimes resulted in borderline fussy plates“. Das traf bei unserem Besuch eigentlich nur auf den Steinbutt-Gang wirklich zu. Generell aber scheint hier weniger in der Tat manchmal mehr sein könnte.

    Dennoch ist dies ein empfehlenswertes Restaurant, das wir auch gerne beim nächsten Mal wieder besuchen werden. Dies ist nicht zuletzt dem charmanten Service zu verdanken, der auch mit einer originellen Weinbegleitung, die einen Bogen spannte von Südafrika über Griechenland, Deutschland, Italien, Spanien bis nach Frankreich zu überzeugen wusste. Darunter waren neben einigen soliden, wenn auch nicht überwältigenden Tropfen vor allem mit dem 2014 Braunewell Grauer Burgunder „Teufelspfad“ und dem 2006 Marboré der Bodega Pirineos echte Entdeckungen.

    Kritik und sämtliche Fotos auch unter https://www.facebook.com/thomas.west...=3&pnref=story
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    Zuletzt geändert von QWERTZ; 11.05.2016, 23:56.

  • #2
    Danke für diesen Bericht und die Bilder aus Amsterdam.

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    • #3
      Wenn wir unterwegs sind, mischen wir gerne neue Adressen mit Bekanntem. So haben wir es auch bei unserem letzten Amsterdam-Besuch gehalten. Im „Sinne“ waren wir bereits vor zwei Jahren und hatten dort einen sehr angenehmen und relaxten Abend, wozu neben der kreativen Küche des Schweden Alexander Ioannou seinerzeit auch der sympathische Service beigetragen hatte. Zudem hat das Restaurant den Vorteil, auch sonntags abends geöffnet zu haben. Man tut gut daran zu reservieren, denn wie beim letzten Mal ist es auch heute ausgebucht.

      Die Preise sind für ein Michelin besterntes Haus weiterhin sehr günstig. Man wählt von 3 Gängen (39 Euro) bis zu 8 Gängen (88 Euro). Wir entscheiden uns heute für sechs Gänge.

      Zu Beginn serviert die Küche zwei Grüße, einmal ein schwarzes Teigbällchen mit Pilzen und im Cocktailglas Kartoffelwürfel, die mit einem Schaum von BBQ Kastanie bedeckt sind. Das hat eine leichte Schärfe, ist würzig, erdig und lecker.

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      Teigbällchen mit Pilzen

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      Amuse Bouche: Kartoffel, Kastanienschaum

      Im ersten Gang startet mein Mann mit einer marinierten Auster, die durch eine Zitrusvinaigrette, Rettich und Blutorange scharfe und säuerlich frische Noten bekommt. Das ist bereits sehr präzise abgestimmt, aber besonders gefällt mir an diesem Gang das Reisknusperblatt mit seiner etwas undefinierbaren Würzung. In meinen Notizen findet sich hierzu allerdings der Vermerk „sehr geil“...

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      Auster - Marinierte Auster mit geräucherter Zitrusvinaigrette, Limette, Rettich und Blutorange

      Ich starte vegetarisch und freue mich darüber, wie kreativ hier Kohlrabi in Szene gesetzt wird. Auch hier stimmt wieder alles. Erdigkeit durch Pilze, Textur durch getrocknete Grünkohlblätter, eine geräucherte Jus gibt Tiefe und eine mit Raucharomen versetzte Mayonnaise steuert als verbindendes Element Süffigkeit bei. Abwechslungsreich und geschmackvoll.

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      Kohlrabi - Steak von Kohlrabi mit Kohl, Portulak, BBQ Mayonnaise und geräucherte Bouillon

      Optisch beeindruckend präsentiert sich der zweite Gang – auch wenn ich aufgrund der Farbgebung des Gerichts die Befürchtung habe, dass die Foie Gras geschmacklich eher eindimensional sein könnte. Der erste Bissen belehrt mich schnell eines besseren. Die Foie Gras kommt als Terrine und darüber als Mousse, die in ihrer Leichtigkeit eher an ein Espuma erinnert. Macadamia liefert Crunch und am Boden, zunächst nicht sichtbar, kommen durch Kumquats bittere und fruchtige Akzente. Etwas Kaffeestaub rundet das Ganze ab – und ich denke nur: Wow! Was für eine originelle Komposition und Ausführung. In einem spontanen Anflug landet das Gericht bei mir in den Jahres Top 10. Es hat gute Chancen, dort auch zu bleiben.

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      Foie Gras - Verschiedene Zubereitungen von Foie Gras, Salzgemüse, Kumquat und Macadamia, Rote Bete und Kaffee

      Mit einem Signature Dish von Alexander Ioannou geht es weiter. Den Sellerie vom Grill mit Eigelb, einer Hollandaise als Espuma und am Tisch geriebenem Trüffel hatten wir auch bei unserem ersten Besuch. Und erneut ist dies eine Kombination, die einfach gut funktioniert und in der alle Komponenten harmonisch ineinander greifen. Das ist Soul- und Comfortfood vom Feinsten und zu Recht hat dieser Gang einen Dauerplatz auf der Speisekarte.

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      Sellerie - Sellerie vom BBQ mit 63° Eigelb, Haselnuss, Hollandaise, Knoblauchsauce und Trüffel

      Danach hat es der Fischgang etwas schwer, aber der Skrei ist nicht schlecht. Perfekt gegart mit Topinambur in knuspriger Form und als Creme, dazu Bonitoflocken und eine süffig, schaumige Sauce auf Dashibasis. Etwas dominant empfinde ich die Kräuter, aber insgesamt ist auch dies ein guter Gang.

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      Skrei - Langsam gegarter Skrei mit Topinambur, Salzgemüse, Bonitocrumble, Ponzu und Dashi

      Das australische Short Rib ist butterweich gegart und erinnert in der Konsistenz fast an Pulled Beef. Schön dazu die Minicrumbles. Zusammen mit der intensiven Jus, die einen süßen Touch hat und mit der deutlichen Sternanisnote ist das ein durchaus winterliches Gericht. Dazu passen auch die Gemüsebeilagen aus Karotte, Chicoree, Grünkohl und Buchenpilzen.

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      Short Rib vom Grill mit Schwarzwurzel, Pilze und Jus

      Als Pré-Dessert folgt ein Schälchen mit Sticky Rice und Mango. Allerdings ist diese Version deutlich modernisierter. Der Reis kommt erneut als Espuma und in gepuffter Form. Ein deutlicher Ton von Zitronenblättern ist schmeckbar, das angekündigte Basilikumpuder hingegen nicht. Trotzdem ein schöner Übergang zu den Desserts, bei dem wir uns wieder für unterschiedliche Gerichte entscheiden.

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      Pré-Dessert: Sticky Rice und Mango

      Für mich wird es eher fruchtig. Vanillequark und ein Sorbet von Karotten und Orangen sind mit einer Aprikosenjus und getrocknetem Fenchel kombiniert. Das ist harmonisch und erfrischend. Gefällt mir sehr gut.

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      Quark - Vanillequark mit Fenchel, Sauerteig und Sorbet von Karotte und Orange

      Für meinen Mann darf es gerne wieder schokoladig werden. Die Form mit dem Sinne-Logo ist mit Karamellmousse gefüllt, die Schokolade mit Nougat gefüllt, dazu ein Haselnuss-Pralineneis. Etwas Zitrusgel liefert Säure und sorgt dafür, dass etwas Leichtigkeit ins Gericht kommt.

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      Schokolade & Karamell - Schokolade und Karamell Ganache mit Zitrusfrucht und Haselnuss-Eiscreme

      Beim letzten Besuch hatte ich festgestellt, dass die meisten Gerichte zwar harmonisch komponiert waren und gut geschmeckt hatten, aber vor allem durch ein Übermaß an Komponenten auffielen. Das führte dazu, dass der Fischgang für mich seinerzeit massiv abfiel und komplett aus dem Gleichgewicht rutschte.

      Auch dieses Mal waren die Teller alles andere als puristisch zu nennen, aber ich hatte den Eindruck, dass alles einen ganzen Tick fokussierter war und die Gerichte noch klarer strukturiert waren.

      Das Menü war eindeutig auf Sterneniveau und hatte mit dem Sellerie, aber mehr noch mit der Foie Gras herausragende Gänge, die ich noch höher einstufen würde.

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      Petits Fours

      Es ist selten, dass ein Zweitbesuch mich noch mehr begeistern kann als der erste Besuch. Hier ist dies gelungen. Und damit haben wir ein Problem. Denn mittlerweile gibt es kaum noch ein Restaurant in Amsterdam, das wir nicht unbedingt wieder besuchen würden. Das „Sinne“ gehört nach diesem Abend eindeutig dazu.


      Bericht auch auf meinem Blog: http://tischnotizen.de/sinne-amsterdam-2/
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      • #4
        Ich bewundere Servicepersonal häufig für ihr phänomenales Gedächtnis. Da mag man lange Zeit ein Restaurant nicht besucht haben und doch weiß man noch, wo man zuletzt gesessen hat und welchen Wein man getrunken hat. Ich erkenne manchmal Menschen kaum wieder, die ich gerade vor drei Tagen zuletzt gesehen habe.

        Auch im „Sinne“ in Amsterdam begegnet uns dieses fabelhafte Erinnerungsvermögen. Einem leicht zögerlichen Blick und etwas Getuschel mit dem Kollegen folgt die Gewissheit und die direkte Frage, ob wir nicht schon mal da waren und nicht die mit dem Blog sind. Und tatsächlich springt Nick Riethoff, der Sommelier zur Seite und weiß in der Tat, dass es beim letzten Besuch, der immerhin mehr als ein Jahr zurück liegt, der Chardonnay aus Südafrika im Glas war und wir auf der anderen Seite gesessen hatten. Aber auch Joost Van Der Werf, mit dem er gemeinsam den Service schmeißt, weiß noch vieles von unserem letzten Besuch und so entwickelt sich ein unterhaltsamer Abend, in dessen Verlauf es zu zahlreichen Smalltalks kommt.

        Zum dritten Mal sind wir nun hier. Zum einen, weil es eines der besseren Restaurants ist, die auch sonntags geöffnet haben und zum anderen, weil es uns einfach die ersten Male so gut gefallen hatte.
        Verändert hat sich eigentlich seitdem nichts. Aus 12 Gerichten kann sich der Gast weiterhin sein Menü von 3 bis 8 Gängen selbst zusammen stellen. Die einzige Vorgabe dabei ist, dass ein Dessert enthalten sein muss. Ansonsten totale Wahlfreiheit, wobei die Küche vielleicht den ein oder anderen Gang von der Reihenfolge etwas anders einplant, wenn es für die Abläufe einfacher ist. Aber das war es auch schon. Die Preise sind weiterhin nicht anders als günstig zu bezeichnen. Drei Gänge gibt es für 39 Euro, jeder weitere Gang kostet 10 Euro. Auch hier hat sich nichts zum Vorjahr verändert.

        Als ersten Gruß schickt die Küche einen Rote Bete Macaron. Der ist ja mittlerweile so etwas wie der Lieblings-Apéro in der Gastronomie. Auch dieser hier ist schön gearbeitet, hat aber erstaunlich viel Wumms durch eine prägnante Pfefferschärfe. Überraschend und gut.

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ID: 64257
        Apéro: Rote Bete Macaron

        Deutlich vielschichtiger, wenngleich auch recht scharf gewürzt, gestaltet sich der zweite Gruß. Im Glas befinden sich am Boden Stücke von Gurke und Paprika, eine nicht genauer identifizierbare Creme, flüssiges Eigelb und Ingwerwurzel, getoppt von Reisschaum und gepufftem Reis. Aromatisch erinnert mich das an Indonesien, macht aber auf jeden Fall schon mal deutlich, dass hier durchaus beherzt gewürzt wird.

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        Amuse Bouche: Eigelb, Reisschaum

        Ein erstes Highlight kommt gleich mit der gemeinsam gewählten Vorspeise. Flankiert von einem schönen Arrangement aus gepickeltem Gemüse, mit cremigem Gambatatar gefülltem Rettich und Creme von Kaffirlimette befindet sich eine formidable Red Gamba. Angegossen wird noch eine Escabeche. Da passiert insgesamt schon eine ganze Menge auf der Gabel. Vor allem die Sauce liefert eine ausgeprägte Würze. So bunt es klingt und aussieht, so gut geht das in Kombination auf. Ein prima Start.

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ID: 64258
        Gebratene rote Gamba, gesalzene Gemüse, Radieschen, Pimento Biquinho, Escabeche Sauce

        Für die nächsten drei Gänge trennen sich dann unsere Wege. Mein Mann entscheidet sich für Cantaloupe Melone, die zum einen süß-sauer mariniert und als Sorbet kommt, begleitet von Tomaten und bedeckt von einer sehr schaumigen Curry-Hollandaise. Auch hier wird es wieder etwas pikant, aber insgesamt ist das nett und erfreulich unkompliziert, wenn halt auch nicht allzu komplex konzipiert.

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ID: 64255
        Cantaloupe Melone süß-sauer, Tomaten, Curry-Hollandaise

        Für mich geht es weiter mit einer Roulade vom Perlhuhn, die mit Pflaumen gefüllt ist. Am Tisch wird das mit einer recht kräftigen Jus nappiert. Das alleine ist gut gegart und mutet fast schon klassisch an, aber die eigentliche Hauptrolle auf dem Teller spielt für mich das Ensemble aus Salat, Spinatcreme und knuspriger Hühnerhaut. Warm und kalt ergänzen sich hier sehr gut und der Salat ist so vielschichtig gestaltet, dass er auch als eigenständiger Gang durchgehen könnte.

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ID: 64254
        Perlhuhnroulade mit Pflaumen, Speck, Spinatcreme, knusprige Hühnerhaut, Perlhuhnjus

        Es folgt eine gut und knusprig gebratene Dorade, bei der vor allem der relativ roh belassene Fenchel bei den Gemüsen hervor sticht. Die angekündigte Chorizo machen wir nicht aus. Möglicherweise ist sie im Bouillabaisse-Schaum verarbeitet. In Summe ist das aber ein sehr süffiges, harmonisches Gericht.

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ID: 64250
        Dorade mit Fenchel, Schwertmuscheln, Zucchini, Rettich, und Bouillabaisse

        Ich wähle für den nächsten Gang aus den Hauptgerichten Steinbutt mit wildem Spargel und Topinambur, der als Creme verarbeitet ist. Pfifferlinge spielen auch noch mit, ebenso Radieschen und reichlich Pinienkerne, die für eine angenehm nussige Note und Crunch sorgen. Die Beurre Blanc nimmt sich dagegen schon fast zurückhaltend aus.
        Wie auch bei den übrigen Gänge denke ich, dass hier erneut eine Menge auf dem Teller passiert. Und wenn ich das denke, schwingt immer etwas Angst mit, dass es zu viel sein könnte. Aber erstaunlicherweise geht auch diese üppige Mischung noch gut auf.

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ID: 64246
        Steinbutt, Topinambur, Pinienkerne, Beurre Blanc

        Ein Klassiker auf der Karte des „Sinne“ ist der würzig gegrillte Sellerie mit wachsweichem Eigelb, Haselnusscrunch, einer schaumigen Knoblauchsauce und Hollandaise. Am Tisch wird noch Trüffel über das Gericht gerieben. Schon bei der Aufzählung der Zutaten wird klar, dass es sich hier um eine Killer-Kombi handelt, die nichts anderes als Attribute wie schlotzig, süffig und lecker zur Folge haben muss. War gut, ist gut, bleibt gut.

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ID: 64251
        Sellerie vom BBQ mit 63° Eigelb, Haselnuss, Hollandaise, Knoblauchsauce und Trüffel

        Ich mache weiter mit Kalbsbries. Das ist perfekt knusprig gebraten und innen noch ganz zart. Ich bin schon davon alleine begeistert. Aber das cremige Ragout von frischen Erbsen und Bohnen mit Crunch von Senfchips ist ebenso uneingeschränkt köstlich. Für mich der bisher beste Gang des Abends.

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ID: 64256
        Knusprig gebratenes Kalbsbries mit grünen Erbsen, Fava Bohnen, Steckrübe, Senfchip und Kalbsjus

        Während wir uns angeregt entweder mit uns selbst oder mit dem Service unterhalten, dürfen wir Zeuge eines unterhaltsamen Spektakels am Nebentisch werden. Drei Japaner genießen, wie wir, mehrere Gänge und haben sich dazu für die Weinbegleitung entschieden. Eine Frau ist offenbar jedoch von so heftigem Jetlag geplagt, dass sie zwischen den Gängen und teilweise auch beim Essen einschläft. Mitunter auch so tief, dass sie kaum mitbekommt, wenn ein Teller vor ihr platziert wird. Wird sie aber geweckt und hat sie noch kaum die Augen geöffnet, ist der erste Handgriff zielsicher zum Smartphone, um zunächst das Gericht festzuhalten. Dass sie dann mitunter nicht in der Lage ist, es überhaupt zu Ende zu essen, scheint niemanden am Tisch so wirklich zu stören.

        Ich gebe ja zu, dass mich auch ab und zu die Frage bewegt, ob man das Smartphone nun links oder rechts vom Teller legt. Und ja, auch mir ist es mitunter unangenehm, erst mal ein paar Fotos zu machen, bevor es dann ans Essen gehen kann. Aber der reflexartige Griff meiner asiatischen Nachbarin war schon bemerkenswert.

        Zum Hauptgang gehen wir wieder gemeinsam und wählen den Lammnacken vom Green Egg, der mit Baharat gewürzt ist, ein arabisches Gewürz, das offenbar in dieser Saison schwer angesagt ist, denn es wird uns auf unserer Benelux-Tour häufiger begegnen. Das Fleisch ist intensiv und super zart. Es ließe sich problemlos mit dem Löffel essen. Sehr schön gefällt mir die Auflage aus Buchweizencrunch. Aubergine und Tatar vom Bell Pepper, die den durchaus mediterranen Charakter unterstützt. Der ebenfalls mit Baharat abgeschmeckte Ring aus Süßkartoffeln hat es etwas schwer, sich gegen die kräftige Jus und die auch ansonsten nicht gerade dezenten Mitspieler zu behaupten. Aber insgesamt ist dies ein sehr guter Hauptgang.

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ID: 64253
        Lammnacken vom BBQ mit Baharat, Aubergine, Paprikakompott und Lammjus

        Als Pré-Dessert serviert die Küche Mango mit lauwarmem Passionsfruchtschaum und Kokosbröseln, die auch tatsächlich noch solche sind. Erneut unkompliziert und im positiven Sinne nett.

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        Pré-Dessert: Mango mit Passionsfruchtschaum & Kokosnuss

        Sehr schön macht sich das Dessert, obwohl ich eigentlich kein großer Freund von Meringue bin. Aber hier ist sie sehr dünn und elegant geraten. Darunter befindet sich eine komplette Deklination von Erdbeeren, als Sorbet, mariniert und als flüssig gefüllte Kugel. Das ganze thront auf sehr buttrigem Kekscrunch. Das ist fokussiert, raffiniert und sehr, sehr gut.

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        Erdbeere, Sorbet und mariniert, Meringue mit Cabernet Sauvignon Vinaigrette

        Zwei ausgezeichnete Pralinen beschließen dieses Abendessen. Ein Schokoladentrüffel, mit flüssiger Kalamansi ist etwas säuerlich und erinnert ein wenig an Erfrischungsstäbchen. Schokolade, Mandel und Nougat ist cremig und deutlich fülliger.

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ID: 64252
        Petits Fours

        Auch der dritte Besuch im „Sinne“ hat die bisherigen Erfahrungen bestätigt. Die Küche ist kreativ, manchmal fast überbordend, aber immer harmonisch. Handwerklich ist das, was aus der offenen Küche kommt, ohnehin ohne Makel. Und das auch, wenn der Chef Alexander Ioannou, gebürtiger Schwede, nicht im Haus ist, wie an diesem Abend. Viele Gerichte werden auch von den jungen Köchen serviert und sie machen das mit erkennbarer Begeisterung.

        Mit Joost und Nick im Service haben wir einen mehr als unterhaltsamen Abend. Natürlich sprechen wir auch wieder viel über Restaurants und beide wissen, dass wir in Amsterdam wieder einige Besuche geplant haben. Joost fragt uns folglich irgendwann, warum wir uns bei der Vielzahl von infrage kommenden Restaurants wieder für das „Sinne“ entschieden haben. Die Antwort ist ziemlich naheliegend. Weil es gut ist und einfach Spaß macht. Manchmal ist es halt so einfach.


        Bericht wie immer auch auf meinem Blog: http://tischnotizen.de/sinne-amsterdam-3/

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        • #5
          Zitat von thomashaj
          Ich bewundere Servicepersonal häufig für ihr phänomenales Gedächtnis. Da mag man lange Zeit ein Restaurant nicht besucht haben und doch weiß man noch, wo man zuletzt gesessen hat und welchen Wein man getrunken hat. Ich erkenne manchmal Menschen kaum wieder, die ich gerade vor drei Tagen zuletzt gesehen habe.
          Ich möchte Ihnen ja ihre Bewunderung nicht madig machen. Aber der Tisch an dem Sie sassen, den Wein den Sie getrunken haben, ihre Vorlieben, Abneigungen, Allergien etc. das wird alles bei ihrem Besuch notiert und im Computer abgespeichert und beim nächsten Besuch schaut sich das Personal dann ihre Datenbank an. Daher rührt also diese Allwissenheit und ist keineswegs der überdurchschnittlichen Gedächtnisleistung des Personals geschuldet ;-)

          Ansonsten danke für den Bericht.

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          • #6
            Ja, von Zwei- und Dreisternern kenne ich das natürlich. Aber das "Sinne" gehört meiner Meinung nach nicht unbedingt in diese Kategorie. Ich habe das auch schon in Restaurants erlebt, die alleine aufgrund des Durchsatzes und der Größe des Betriebs gar nicht die Zeit hätten, all das festzuhalten. Und selbst wenn es so wäre, hätten sie es charmant verpackt.

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