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Bord'Eau**, Amsterdam

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  • Bord'Eau**, Amsterdam

    Amsterdam ist meine uneingeschränkte Lieblingsmetropole in Europa. In dem Moment, in dem ich aus dem Bahnhof trete, geht mein Herz auf und die Liebe ist unmittelbar wieder da. Beim Anblick der ersten Gracht möchte ich die Stadt am liebsten nie wieder verlassen.
    Unser Besuch heute ist eigentlich also absurd, denn wir gehen vom Bahnhof zum Restaurant und nach dem Essen wieder zum Bahnhof zurück. Eine klassische Anschlagtour also nur für ein Mittagessen.

    Das Ziel meiner Begierde ist das „Bord'eau“ im hochnoblen Hotel de L'Europe, vom Michelin seit 2014 mit zwei Sternen ausgezeichnet. Dies war auch das Jahr, als wir das letzte Mal dort waren. Bei unseren Amsterdam-Trips danach waren wir leider mit den Reservierungen immer zu spät und das Haus ausgebucht.

    So nutzen wir den Feiertag an diesem Donnerstag für einen Abstecher, um die noch sehr präsente Erinnerung aufzufrischen. Richard van Oostenbrugges Küche hatte mich seinerzeit nachhaltig beeindruckt, denn sie war klassisch französisch fundiert, aber modern und kreativ umgesetzt. Alleine die optische Präsentation vieler Gerichte habe ich auch nach vielen Jahren noch genau abgespeichert.

    Mittags kann das Menü auf drei Gänge reduziert werden und dürfte mit 48€ eines der größten Schnäppchen sein, das man auf diesem Niveau bekommen kann, denn Grüße, Pré-Dessert und Petits Fours gibt es hier ganz genau so. Aber für drei Gänge nehmen wir den weiten Weg natürlich nicht auf uns und so sollen es sechs Gänge sein (mittags 98€, abends 128€).

    Zum Apéritif gibt es, wie auch bei unserem letzten Besuch, zunächst eine kleine Suppe, in diesem Fall eine intensive Velouté vom Seeigel.

    Das folgende Viererlei als Amuse Bouche ist eine beeindruckende Präsentation holländischer Meeresfrüchte, bei der Muscheln, Austern und Krabben in Miniformat, aber mit großem Aufwand ihren Auftritt bekommen.
    Eine Muschel im Zitronengrassud und Dill-Kalamansi-Crème, Krabben mit XO-Sauce und einer Remoulade von Sellerie und Meerrettich, eine Scheidenmuschel mit Soffrito, Pernod-Gelee und einem Clementinenschaum sowie eine Jus marinière mit Herzmuscheln und Auster – all das sind Miniaturen, die so präzise einen individuellen Geschmack herausarbeiten, dass dies wie ein kleines Menü wirkt. Was für ein Auftakt!


    Amuses Bouches

    Makrele ist bekanntlich im Moment schwer angesagt auf allen Speisekarten. Auch hier ist das nicht anders, aber diese optisch sehr reduziert anmutende Version im ersten offiziellen Gang ist schon besonders. Dünne, marinierte – und wie ich meine angeräucherte – Scheiben sind mit Quinoa gefüllt und zu Röllchen geformt. Eine Creme sowie ein bei Tisch angegossener, leicht angelierter Sud aus Tomaten – das ist alles. Und doch hat das Gericht alles, was es braucht: Würzigkeit, Säure, Frische, Textur. Angesichts der sommerlichen Außentemperaturen ein perfekter Start.


    Marinierte Makrele mit Quinoa, Brühe von Sommertomaten

    Den folgenden Gang kennen wir von unserem ersten Besuch. Es ist ein Signature Dish von Richard van Oostenbrugge und führt den Gast zunächst auf eine falsche Fährte, denn was aussieht, wie ein Knochen ist in Knochenmark gekochte Kartoffel, die dann in Form gebracht wird. Das bringt eine durchaus schnittfeste Konsistenz und erlaubt das Füllen mit Kalbstatar, das wiederum mit geräuchertem Hering abgeschmeckt ist. Dazu Sauerrahmschaum, ein Ochsenschwanzgelee und am Tisch mit einer Nocke Kaluga-Kaviar getoppt. Das ist ausgeklügelt, perfekt in den Proportionen und einfach köstlich. Die Optik begeistert mich wie beim ersten Mal – auch wenn damals eine blaue Blüte die Präsentation perfekt machte.


    Kalbstatar, Kartoffel in Knochenmark gekocht, geräucherter Hering und Kaluga Kaviar

    Es geht weiter mit einem stattlichen Kaisergranat, der in Entenfett pochiert wurde. Am Tisch wird Katsuobushi, also getrockneter Bonito über das Gericht gehobelt. Die Flocken sind so dünn, dass der leiseste Lufthauch den Eindruck entstehen lässt, als würden sie tanzen. Aber unabhängig davon liefert der Bonito auch eine angenehme Würze. Den entscheiden Kick gibt dem Gang jedoch gezielt eingesetzter Kaffeestaub. Spannend und originell.


    Langustine pochiert in Entenfett mit "Katsuobushi Albufeira" und Kaffee

    Etwas weniger plakativ wird es mit gedämpftem Seebarsch in Limettenbrühe mit Passionsfrucht. Unter der Kohlrabischeibe finden sich einige Würfel rohen Fisches, die einen interessanten Temperaturkontrast beisteuern. Dies ist ein eleganter Gang, der erneut hinter einer zurückgenommenen Präsentation einen überraschend konzentrierten und klug konzipierten Geschmacksakkord offenbart.


    Oosterschelde Seebarsch gedämpft und roh, Limetten-Brühe mit Passionsfrucht

    Der Hauptgang wird auf zwei Tellern serviert. Dünn aufgeschnittene Scheiben vom rohen Filet der Holsteiner Milchkuh und Pilze werden mit einer intensiv duftenden und schmeckenden Heu-Consommé aufgegossen. Parallel dazu gibt es geschmorten BBQ Ochsenschwanz, klassisch begleitet von Zwiebelconfit und cremiger Polenta. Das kräftige Fleisch liefert einen schönen Kontrast zu dem insgesamt eher zurückhaltenden rohen Fleisch in der Brühe.


    Holsteiner Milchkuh - Filet dünn geschnitten und serviert in Heuconsommée mit Zitronenthymian und Pilzen


    ...à part: BBQ Ochsenschwanz mit Mark, Polenta und Zwiebelmarmelade

    Als Pré-Dessert schickt die Küche das vermutlich meist fotografierte Gericht von van Oostenbrugge: sein berühmtes Apfeldessert. In einer hauchdünnen zum Apfel geformten Zuckerhülle befindet sich Apfelsorbet auf marinierten Apfelkügelchen und Blätterteig. Das ist geschmacklich nicht übermäßig komplex, aber die Präsentation eines wie angebissen aussehenden Apfels in dieser Form ist originell und verfehlt seinen Effekt nicht. Kameras werden gezückt, Grinsen und Staunen allerorten.


    Pré-Dessert

    Das Dessert an diesem Tag ist für mich leider der am wenigsten überzeugende Gang. Drei halbe, saftige Kirschen finden sich in einem Kirschsud. Dazu ein Schaum aus Holunderblüte. Irgendwo im Dessert dann noch Honig. Dieser kommt von Bienen vom Dach des Amsterdamer Doubletree-Hotels. Nice to know. Aber es ändert nichts daran, dass ich ihn nicht heraus schmecke. Und auch insgesamt ist mir das, vor allem im Vergleich zu der Originalität der vorherigen Gänge, zu simpel konstruiert. Meinem Mann gefällt's. Ich finde es in Ordnung und hätte es als Pré-Dessert gut gefunden. Als Abschluss des Menüs ist es für mich etwas enttäuschend.


    Kirsche, Consommé mit Amsterdamer Dachhonig und Holunderblüte

    Zum Kaffee bewegt der Service einen mehr als mannshohen Baum an den Tisch. Er ist aus 70kg Schokolade gefertigt. Er beherbergt die Petits Fours, Zuckerblüten und gefüllte Schokoladeneier, dazu noch nachgeformte schmale Blätter mit Tautropfen.


    Petits Fours

    Hat sich diese Anschlagtour gelohnt? Auf jeden Fall! Die Küche im „Bord'Eau“ hat Klasse, ist von einer einnehmenden Eleganz in Präsentation und Geschmack. Es hat sich nicht viel seit unserem ersten Besuch geändert. Sehr gute, häufig regionale Produkte setzt Richard van Oostenbrugge in kluge Zusammenhänge, die oftmals überraschen, aber immer eine klassische, französische Grundlage erkennen lassen. Damit passt diese Küche perfekt in das edle Ambiente eines traditionsreichen Luxushotels wie des „de L'Europe“, das trotz allem die Lockerheit und Modernität dieser jugendlichen Großstadt atmet. Auch Walk-Ins in kurzen Hosen werfen hier niemanden aus der Bahn. (Das japanische Paar bestellt nach dem 3 Gang-Menü übrigens gleich für den folgenden Tag erneut einen Tisch. Das nenne ich „proof of concept“.)

    Dass das Dessert bei diesem Besuch etwas abgefallen ist, trübt meinen Gesamteindruck nicht wirklich. Dazu war die Gesamtperformance einfach zu gut. Und zu der gehört, wie bereits beim ersten Mal, ein makelloser und extrem freundlicher Service. Es sind die Kleinigkeiten, an denen man erkennt, wie wohlüberlegt für den Gast mitunter heikle Situationen umschifft werden. Wenn der Champagner-Wagen an den Tisch gerollt wird und einem die diversen Sorten erläutert werden, traut sich selten ein Gast zu fragen, was das jeweils kostet. Und wie oft hat man dann auf der Rechnung die unangenehme Überraschung erlebt, die sich negativ als Erinnerung einprägt. Hier wird das einfach umschifft, indem man parallel zur Erläuterung der Sorten dezent eine Karte auf den Tisch stellt, auf der der Gast die Preise sieht. Perfekt!

    Ebenso die Weinberatung. Die Weinkarte gleicht eher einem in dickes, schweres Leder gebundenen Lexikon, dessen Studium auch mühelos bis zum Hauptgang hätte dauern können. Die super-sympathische Sommelière greift in ihrer ersten Empfehlung zwar in die richtige Abteilung, aber in ein deutlich zu hohes Preissegment. Nach Umreißen des vorgesehenen Rahmens hat sie aber etliche Empfehlungen parat, die sie en detail erläutert. Mit dem gewählten 2013 Fire Gully Chardonnay aus Australien sind wir sehr zufrieden, ebenso mit den offenen Weinen im Anschluss, zum Beispiel einem 2012 Pinot Noir von Craggy Range aus Neuseeland – der im übrigen großzügig eingeschenkt und moderat abgerechnet wird.

    Die Liebe war nicht nur beim Atmen des Amsterdamer Flairs sofort wieder da. Auch das „Bord'Eau“ hat mich wieder bezaubert. Mit einem Dauerlächeln trete ich den Weg zurück zum Bahnhof an. Es wird nicht wieder drei Jahre dauern, bis ich zurück komme.


    Bericht und sämtliche Bilder wie immer auch auf meinem Blog: http://tischnotizen.de/bordeau-amsterdam-2/
    Angehängte Dateien
    Zuletzt geändert von QWERTZ; 06.08.2017, 11:48.

  • #2
    Zitat von thomashaj
    Als Pré-Dessert schickt die Küche das vermutlich meist fotografierteste Gericht von van Oostebrugge

    Ganz genau!

    Zitat von thomashaj
    Das Dessert an diesem Tag ist für mich leider der am wenigsten überzeugende Gang. Drei halbe, saftige Kirschen finden sich in einem Kirschsud. Dazu ein Schaum aus Holunderblüte.
    Ich fand es Klasse, perfekt ausgewogen in Süße, Säure und Fruchtigkeit.

    Gruß
    Jürgen

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    • #3
      Keine Überraschung, dass Dein Bild um Klassen besser ist als meins...:-) Fotografieren war diesmal für mich wirklich schwer. Toller Fensterplatz, aber massiver Sonneneinfall... Nicht einfach.

      Abgesehen vom unterschiedlichen Eindruck beim Dessert: wie war Dein Gesamteindruck vom Bord'Eau?

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      • #4
        wir hatten auch einen Platz am Fenster aber wir waren Abends da (9 Tage später), da waren die Lichtverhältnisse natürlich besser. Wir hatten die Makrele (fand ich nicht so überzeugend), den „Knochen“ (sehr lecker) und die Langustine (Klasse) gemeinsam.

        Insgesamt hat es uns sehr gut gefallen, wir hatten u.a. auch das Ciel Bleu und das Samhoud Places besucht und da fällt mir ein Ranking wirklich schwer. Ich möchte da keinen Favoriten herausheben, alle drei waren sehr interessant und hatten ihre Stärken und Schwächen.

        Gruß
        Jürgen

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        • #5
          Ich habe im Sommer das gleiche Menü genossen, das auch thomashaj und Jürgen3D schon beschrieben haben. Hier meine subjektiven ergänzenden Anmerkungen:
          Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht  Name: bord-eau.jpg Ansichten: 2 Größe: 58,6 KB ID: 58959
          Richard van Oostenbrugge achtet nicht nur auf den Geschmack, er mag auch den Effekt. Das gerät mir manchmal etwas zu vordergründig. Das Pre-Dessert mit dem Apfel aus transparentem gezogenem Zucker und einer Apfekitsche aus Apfelsorbet sieht toll aus, als Dessert finde ich es nicht so spannend. Die relativ große – nur süße, nicht aromatische – Menge des geblasenen Zuckers stört sogar ein wenig das Gesamtergebnis.
          Auch der Singnature-Dish mit dem Kalbstartar in einem aus Kartoffel nachgebildetem Knochen kann mich nicht wirklich überzeugen. Das Kalbstartar hat große Mühe, sich gegen die salzigen Fischaromen von Kaviar und in einer Art Creme-Fraiche-Deckel mit Hering (?) zu behaupten.
          Genial die marinierte Makrele mit Quinoa. Wunderschön auf den Teller gebracht mit einem intensiven – und perfekt passenden – transparentem Tomatensud.
          Beim Langoustinen-Gang überzeugt mich die Soße absolut. Auch das Kirschdessert hat mir gut gefallen, die Menge war allerdings schon stark reduziert.

          In der Küche von Richard van Oostenbrugge wird extrem präzise gearbeitet und das sieht man dann auch auf den Tellern. Das Bod’Eau ist dabei ein wunderbar gastfreundliches Restaurant, in dem ich einen sehr schönen Mittag verbracht habe.
          Zuletzt geändert von bernard; 03.11.2017, 22:30.

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          • #6
            danke, lieber bernard, für den kleinen Bericht

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            • #7
              Das Restaurant Bord’Eau hat zum Jahresende nicht nur seinen bisherigen Küchenchef Richard von Oostenbrugge verloren, sondern auch den zweiten Stern. Bas van Kranen und Marcel Bonda leiten nun die Küche.

              Ist der Verlust des zweiten Sterns nun eine Bewertung der bisherigen Küchenleistung oder eine prophylaktische Bewertung mit Blick auf den Wechsel, der bereits im August angekündigt wurde? Nach Michelin-Kriterien müsste es ja eine rückwirkende Bewertung sein…

              Richard von Oostenbrugge kocht jetzt im neuen Restaurant 212, das auf den Bildern der Website so aussieht wie eine entfernt eckige Variante von Kevin Fehlings „The Table“. Eine Michelin-Bewertung wäre hier wegen der Eröffnung im Januar 2018 auch nicht möglich gewesen.

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