Das Relæ liegt in einem nach meinem Eindruck eher alternativen, hipppen Viertel Kopenhagens. Das Restaurant ist nicht sehr groß und recht schlicht eingerichtet. Man könnte es auch für eine Kneipe/Bistro halten, in dem sich studentisches Publikum wohlfühlt, man was einfaches isst und trinkt, es aber vornehmlich auf die Geselligkeit ankommt.
Das Mittagessen dort gehörte nicht zu unserem regulären Programm, so waren wir mit acht Personen vertreten und nahmen an einem großen, langgezogenen Holztisch Platz. Wir waren (fast) die ersten Gäste im Restaurant, aber wenig später war das Relæ bis zu auf den letzten Platz gefüllt und ich schätze, wir waren der Tisch mit dem höchsten Durchschnittsalter. Ein sehr hipes, sehr junges Publikum, das den Eindruck machte, es sei für sie Selbstverständlichkeit, in Hipster-Klamotten, die mit einer Natürlichkeit getragen wird, wie ich es in Deutschland kaum erlebe, mittags mal eben in dieses Restaurant zu gehen.
Mittags werden drei Menüs angeboten: je ein viergängiges vegetarisches, ein fleischhaltiges sowie ein siebengängiges Menü. Außerdem gibt es eine Weinbegleitung, die allein aus Vins naturelle besteht.
Sehr pfiffig war der Tisch konstruiert. Neben jedem Sitzplatz war eine Schulbade unter der Tischplatte angebracht, in der sich Karte, Serviette und Besteck befanden.
Als Einstimmung gab es Radieschen sowie Brot und Öl.
Das Menü begann mit Squid, seaweed and ramson. Nach den vielen kalten und spartanischen Speisen am Vorabend war dies schon eine erste Erholung: der Tintenfisch war in feinste Stücke geschnitten, die großzügig mit einem Fett und dem Knoblauch-Aroma des Bärlauch umgeben waren. Die Algen machten das Gericht noch leicht salzig. Dazu gab es einen Vigna Vecchia 2013 von Collecapretta aus Umbrien.
Der zweite Gang war reduzierter: Rye bread an sprouted grains mit brauner Butter. Ein warmes unnd wärmendes Porridge, dass durch braune Butter aufgewertet wurde. Dies zeigte, dass die mir bislang etwas freudlos erscheinende Nordic Cusine auch mal üppig sein kann, ohne ihren puren Geschmack und ihre Geradlinigkeit aufzugeben. Dazu bekamen wir einen 2007er Navine von Les Griottes, Anjou. Dieser reife Chenin blanc war hier – aufgrund des geschmacklichen Purismus des Essens – eine willkommende Ergänzung.
Als Hauptgang gab es dann eine – ich möchte nach den Hauptgängen im Noma und AOC sagen – üppige Fleischportion: Sødam chicken, chervil and cabbage sprouts. Man denkt es angesichts des simpel aussehenden Tellers nicht, aber es war ziemlich lecker. Die Frische vor allem des Kohls mit einer leichten Sauce und das Hähnchenfleisch passten in der Intensität und Feinheit bestens zusammen. Dazu gab es einen 2013er Thimoteus vom Gut Oggau aus dem Burgenland.
Das Dessert war Yoghurt, lemon and egg. Dieses hübsche Dessert kann ich geschmacklich kaum wiedergeben, weil ich mit der für mich vollkommen ungeeigneten Präsentation in dem Becher beschäftigt war, nicht allzu sehr zu kleckern. Aber geschmeckt hat es auf jeden Fall. Dazu gab es 2011er Orionides von J.F. Chené, Anjou.
Auf die Weine bin ich hier nicht besonders eingegangen. Zunächst passten sie – außer beim Porridge nicht besonders gut zum Essen, zum anderen schmeckten für mich diese Vins nataurelle im Wesentlichen gleich. Rebsorten waren nur im Ansatz zu erkennen. Die Mineralik schien mir präsenter. Irgendwie hatte alles den Geschmack von feuchtem Ton-Blumentopf. Ich bin nicht sehr erfahren, was solche Weine angeht. Ein einzelner kann, wie ich finde, mal Spaß machen und interessant sein. Hier hatte ich den Eindruck, dass mit nicht viel Wissen und Verstand kombiniert wurde und es eher darum ging, einen gewissen Hipness-Faktor zum Ausdruck zu bringen.
Zum Schluss gab es erneut einen per Hand aufgebrühten Kaffee. Sehr aromatisch, aber wenig kräftig.
Dennoch war das Essen recht erfreulich. Alles hat sehr gut geschmeckt, einfach und pur, wie wir es nun am dritten Tag in Kopenhagen langsam gewohnt waren, aber dennoch zeigte es nochmal eine ganz neue eigenständige Seite des Nordic Cusine-Konzepts.
Ich vermute, viele Gastromen überlegen, wie so ein urbanes Konzept nach Deutschland transferiert werden kann. So wie es sich liest, geht das Nobelhart und Schmutzig ziemlich in diese Richtung.
Ich bin gespannt wie dies funktioniert. Ich kann mir im Relæ ein längeres Abendessen schwerer vorstellen, als ein Mittagessen. Warum? Gute Frage, ist so ein Gefühl.
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