Unsere jüngste Gourmet-Club-Reise hat uns nach Norwegen geführt. Zunächst ging es nach Oslo – die Berichte dazu folgen -, aber das Finale war das mit einem Stern ausgezeichnete Unterwasserrestaurant Under in Lindeness.
Mit dem Auto sind es gute fünf Stunden gemütlicher Fahrt von Oslo an die Südspitze Norwegens. Die Landschaft ist geradezu lieblich und ideal für Angler und Wassersportler. An den Ufern des Meeres und der Binnengewässer stehen viele Ferienhäuser und trotzdem ist es hier Mitte Juni zur Sonnenwende ruhig und entspannt. Eine sehr erholsame Atmosphäre – zumal bei den angenehmen Witterungsbedingungen, die während unseres Besuchs herrschten.
Kulinarisch ist das Under das Highlight weit und breit und auch das einzige Sternerestaurant Norwegens außerhalb einer größeren Stadt.
Wir haben mit den Mitfahrern dieser Gourmet-Club-Tour im Havhotel Lindesnes Quartier bezogen, das einen schönen Blick auf die ganze Bucht bietet. Die Ausstattung des Hotels ist relativ einfach gehalten, aber für zwei Nächte ist es absolut ausreichend.
Auf dem kurzen Fußweg zum Restaurant kommen wir an einer kleinen Holzhütte vorbei, die sich „Informationszentrum“ nennt. Dort drin sind einige Tafeln bzw Monitore mit Informationen über das Meer, Algen und den Bau des Unders zu sehen. Demzufolge wurde der Betonbau in einer Werft gefertigt und nach Lindesnes geschifft, um dort von einem Kranschiff an seinen endgültigen Bestimmungsort gesetzt zu werden. Das Restaurant fügt sich so in die felsige Küste ein. Es wirkt praktisch wie ein Felsen, aber nicht wie ein Fels in der Brandung, denn die ist dort relativ gering.


An der Tür werden wir von einem Norweger empfangen, der uns in das Gebäude geleitet. Es geht einige Stufen hinab. Er erläutert einiges zum Gebäude, die dicke der Scheiben und wie in etwa der Ablauf des Abends sein wird. Kernaussage: it’s not just a meal, it’s an experiance. Außerdem deutet er auf das Michelin-Schilchen am Eingang und gibt zum Ausdruck, dass man sehr hoffe, dass es in Kürze durch ein Zwei-Sterne-Schild ersetzt werden müsse. Das ist mal eine selbstbewusste Aussage. Aber klar, bei so einer Location geht es auch um die Gesamtwahrnehmung von Stimmung und Raum. Er betont auch wie international das Team ist, rund ein Dutzend Nationen seien unter den gut 25 Mitarbeitenden vertreten, nur eine weitere Person neben ihm komme aus Norwegen.
Die Atmosphäre in der Betonröhre ist trotz der rohen Betonwände und des bläulichen Lichts durchaus warm und angenehm. An den Fenstern schwimmen immer wieder Fische und Quallen vorbei – vermutlich angelockt durch das Licht bzw. den Algen unterhalb der Fenster. Zunächst werden an der Bar auf Höhe es Wasserspiegels einige Snacks serviert. Danach geht es dann weiter nach unten, eben fünf Meter unter den Meeresspiegel. In den ersten beiden Tischreihen hat man sicher den stärksten Meereseindruck. Wir sitzen im hinteren Bereich, wo es noch ein Seitenfenster und einen Blick in die offene Küche gibt.


Als Getränkebegleitung wird eine „Submerged“-Weinbegleitung angeboten, die weitgehend auf Natural Wein besteht (rund 170 EUR) oder ein klassisches Pairing für 300 EUR). Ich wähle die erste Option. Anzumerken ist, dass man für den Gegenwert in der Karte durchaus vernünftige, aber natürlich meist zu junge Flaschen findet, z.B. einen 2016er Hohenmorgen von Bürklin Wolf. Nun gibt es die ersten Snacks an der Bar:
Albueskjell – in diesen gebackenen Schalen ist eine erdig schmeckende Creme.

Borke Flatbred - sjokreps og fenelär – Der zweite Snack soll eine Birkenrinde darstellen. Zwischen der Rinde ist Krebsfleisch und Fenchel verarbeitet sein. Letzteren schmeckt man so gerade noch. Das Seafood geht in einem röstigen Geschmack des knackigen Brots leider unter. Aber der geschmackliche Eindruck ist trotzdem gut.

Taskekrabbe - gjæaret bokhvete og rødlin ost (Taschenkrebs - fermentierter Buchweizen und roter Flachskäse) – dieser Kuchen orientiert sich an einem typisch norwegischen Rezept, wird uns gesagt. Es ist ein saftiges, cremiges Mundgefühl, die Krabbe ist grundsätzlich als „meerig“-süßlich ebenso erkennbar, wie der Käse.

Blæretang - rognkjeks rogn og spekt svinefett (Blasentang - Rogenkekse, Rogen und Spektralschmalz) Die verschiedenen Algen bzw. Seetang-Arten haben einen knackigen Biss und grünlich-meerigen Geschmack. Der Küchenchef nenne sie „Seemöhren“, sagt die Servicekraft, was ich angesichts des Bisses gut nachvollziehen kann. In der Kombination ist noch Saiblingskaviar verarbeitet, der eine gut dosierte Salzigkeit in den Snack bringt. Das ist sehr schön gestaltet. Das ist klar der komplexeste Snack.

Nun geht es die Treppe nach unten... Zunächst wird uns eine große Schale mit den Meeresprodukten gezeigt, die an dem Abend serviert werden: Seafood, Muscheln, Meeresschnecken, sowie Algen sind dabei - Fisch überraschenderweise nicht.

Teppeskjell - gjær og jordskokker (Muscheln - Hefe und Topinambur) Die klare Muschel wird von einem erdig-umiamigeprägten Schaum begleitet, die den Muschelgeschmack schon dominiert..
Egon Schmitt – Sauvignon Blanc, Pfalz, Germany 2021 – ein frischer, geradliniger Wein, der aber auch eine gute mineralische Struktur hat. Für diese Qualitätsstufe bemerkenswert.


Kuskjell - fermentert tomat og hylleblomst (Kuskjell - fermentierte Tomaten und Holunderblüten) Diese Muschelart kann bis zu 500 Jahre alt werden, wird uns gesagt. Unser Exemplar wäre schätzungsweise 100 Jahre alt geworden. Wir kennen diese Muschelart schon aus dem Jordnær in einem durchaus ähnlich gestalten Gericht, aber man bleibt hier von der damals erlebten Feinheit und Fleischigkeit doch entfernt. Dies liegt daran, dass die Muschel recht kalt serviert wird, also sich ihr Aroma im Mund kaum entfaltet. Gleichzeitig ist der Sud aus Holunder und Tomate geschmacklich äußerst animierend, aber auch sehr intensiv. Das gilt vor vor allem für eine Tupfer Tomatenkompott. So überlagert die Begleitung der Muschel wieder den Eigenschmack.
Smockshop Band - Floreál Cider Il, Hood River, Oregon, USA – ein schöner, trockener Cidre, der allerdings dazu beiträgt, die fruchtige Intensität der Sauce noch zu verstärken.


Fiskepudding - fermentert mel og modnet silderogn (Fischpudding - fermentiertes Mehl und gereifter Heringsrogen) Jetzt wird es etwas reichhaltiger, denn hier handelt es sich um eine falsche Muschel. Der Inhalt der künstlichen Schale hat die Konsistenz von Kartoffelpüree und schmeckt angenehm „fischig“-salzig. Das kommt ein schönes Wohlgefühl im Mund auf
Milan Nestarec Melancholia, Moravia, Czechia 2019 – der Wein aus der Rebsorte Neuburger kommt verhältnismäßig klassisch rüber.


Sjøkreps - fermented honning og plomme med saltet gressløkblomst (Kaisergranat - fermentierter Honig und Pflaume mit gesalzener Schnittlauchblüte) – Der Kaisergranat ist relativ weich, aber schön fleischig im Biss. Die Sauce, in der fermentierter Honig und Pflaume verarbeitet wurden, passt in der Intensität und Kraft sehr gut zu dem herausgestellten Produkt und betont dessen süßliche, sanfte Seite – für eine besser Produktwahrnehmung könnte die Sauce für meinen Geschmack aber etwas dezenter gestaltet sein. Insgesamt ist das so ein relativ vollmundig gestaltetes Gericht, das weniger auf die Feinheit und mehr auf die Fleischigkeit des Kaisergranats abgestellt ist.
Mark Angeli La Lune, Anjou, Loire, France 2020 (Chenin Blanc)


Sea "Salad" - strandsnegle og tang (Meeres "Salat" - Strandschnecken und Algen) – Nach dem eher reduzierten Gang wird es nun strukturierter und vielfältiger. Es wird eine Art Chawanmushi serviert, das mit Algen aromatisiert und Strandschnecken enthält, die einen guten, fleischigen Biss haben. Dazu wird in einer Muschel ein Granité serviert, das einen fruchtigen Geschmack hat. Die Empfehlung lautet, zunächst von beidem getrennt zu probieren und dann beides zusammen. Dadurch verändert sich vor allem die geschmackliche Wahrnehmung des Granités, das zunächst eher fruchtig, dann würziger wirkt. Das ist ausgeklügelt und gelungen.
Clos Ste. Magdeleine Bel-Arme, Cassis, Provence, France 2015 – diese südfranzösische Cuvée hat schon einige Jährchen mehr auf dem Buckel als die vorherigen Weine, ist aber recht frisch und wirkt deutlich jünger.


Langerogn - hasselnøtt og poter – unter dem Schaum sind einige Haselnüsse und wenn ich es richtig in Erinnerung habe, sehr bissfest gegarte, kleine Kartoffelstücke. Der Schaum hat einen fischigen Geschmack, wirkt vielleicht wie der Schaum eines Fischfonds. Die Kombination ist schlüssig. Das Gericht hate eine gute Substanz und ist definitiv eine für mich ungewohnte Aromenkombination.
Domaine Sébastien Riffault Auksinis, Sancerre, Loire, France 2016 – der „härteste“ Stoff in der Weinbegleitung. Ist schon recht anstrengend, weil sehr erdig.


Osters - nepe grøt og ville urter (Austern - Rübenbrei und Wildkräuter). Die Auster mit ist mit dem Rübensaft lackiert worden. Dadurch hat sie einen süßlich-fleischigen Geschmack. Die Wildkräuter geben dem Gang eine gewisse Leichtigkeit und Frische und etwas Säure, die die üppige Auster gut ausgleichen. Das gefällt mir ganz ausgezeichnet.
Azores Wine Company Branco Vulcânico, Azores, Portugal 2020 – der Wein ist schon sehr schön, dicht und komplex und salzig.


And - lagret løk og furu (Ente - Zwiebeln und Kiefer) – Die Ente soll, wenn ich es richtig verstanden habe, zwar aus einer Zucht stammen, aber nicht gemästet worden sein, sondern habe das gegessen, was sie „in der Natur gefunden hat“, wie uns erklärt wird. Das Fleisch ist außerordentlich aromatisch, vor allem die Haut mit dem darunter befindlichen Fett ist ein Highlight. Für mich eine der besten Stücke Entenfleisch, die ich je gegessen habe. Allerdings ist mein Stück auch perfekt gegart. Das kann man nicht von allen Fleischstücken in unserer Gruppe sagen, einige sind einfach zu rosa, was sich gleich negativ in der Textur bemerkbar macht. Dazu gibt es einen schönen, aromatisierten Entenjus und eine intensive Zwiebelcreme, die wie Senf vorsichtig als Würzmittel einsetzt werden soll. Schon dieser Teller – die ideale Garung der Brust vorausgesetzt – ist für mich ein Highlight, weil ich nur selten Ente von der Qualität so puristisch präsentiert bekommen habe. Hinzu kommen aber noch weitere Ergänzungen, die den Genusswert und den Spaßfaktor dieses Gerichts noch weiter steigern. Ein kleine Kugel, in dessen Teig offenbar Entenfett eingearbeitet wurde, jedenfalls interpretiere ich das so. Vom Service wurde davon gesprochen, das dafür das Fleisch der Keulen verwendet wurde, vielleicht wurde dieses sehr püriert? Fleischstücke kann ich jedenfalls nicht entdecken. Außerdem gibt es noch ein kleines Fladenbrot, das mit dem Salat gegessen werden kann. Unter dem Salat befindet sich noch mal gezupftes, sehr würzig abgeschmecktes Entenfleisch. Durch den Salat ist das aber eine frische. Leckere, fleischgesprägte Kombination. Der Gang hat mir hervorragend gefallen.
Mythopia Shining, Valais, Switzerland 2009 – sieht aus wie ein Rosé, ist aber doch ein ausgewachsener Pinot Noir mit toller Frische und Eleganz. Der Wein eine tolle Struktur und wirkt blutjung. Von der Optik mal abgesehen, hätte ich nie auf einen Natural Wine getippt.


Yoghurt - rogneskudd og maur (Joghurt - Roggenprossen und Ameisen) – Ein leichter Käsegang soll es sein. Der Joghurt oder (Frisch)käse – auf dem zweiten Teller gefroren und luftig aufgeschlagen, so wie Luftschokolade. Insgesamt ist das Gericht leicht säuerlich – nicht zuletzt wegen der Ameisen.
Royal Tokajt Late Harvest, Tokaji, Hungary 2018 – ein verhältnismäßig schlanker Tokaijer.


Lagret eple – caramel og søl – (Gelagerter Apfel – Karamell) – unter der „Kruste“ ist eine Creme, insgesamt mit Geschmack nach reifem Apfel bzw. Apfelkuchen. Das ist einfach und lecker.
Mjoderiet Midgard, Bergen, Norway – der Honigwein ist mir hier etwas zu süß und üppig.


Mariabolle - brunost og lagret rabarbra (Mariabolle - brauner Käse und gereifter Rhabarber) -
Macaron - furu og hasselnott (Macaron - Kiefer und Haselnuss)
Tindved – bipollen (Tindved – Bienenpollen)
sind die drei Petit Fours.




Was für ein spektakuläres Projekt: Ein Restaurant fünf Meter unter dem Meeresspiegel. Die Küche ist aus meiner Sicht bemüht, ebenso spektakuläres zu bieten, aber das gelingt (noch) nicht durchweg auf dem Niveau der Arbeit, die die Architekten hier abgeliefert haben. Das Konzept in erster Linie mit dem zu arbeiten, was das Meer regional direkt an der Küste anbietet ist interessant. Komischerweise sind aber gerade die Muschelgerichte am Beginn aromatisch etwas grob und mir nicht filigran genug für das feine Produkt. Auffällig ist auch, dass viel mit erdigen und nussigen Aromen gespielt wird. Das passt gut zum Seetang und Schnecken, ist aber für ein „meeriges“ Menü natürlich ungewohnt. Die zweite Menühälfte wird dann zunehmend spannender und die Gerichte sind insgesamt stimmig. Ich hätte aufgrund des Produktfokus eine viel filigranere, puristischere Küche erwartet. Doch es werden Gerichte geboten, die durchaus kräftig und ausdrucksstark gestaltet sind. Die Gänge die zusätzlich auch ein ausreichendes Maß an Präzision in der Aromenabstimmung zeigen, sind dann auch wirklich außergewöhnlich und spannend.
Der Service insgesamt ist sehr bemüht, wirkt aber relativ angestrengt. Ich denke, das liegt an der Sprachbarriere. Eine Mitarbeiterin spricht so gut deutsch, dass sie uns die Gerichte vorstellen kann, aber sie ist nicht immer an unserem Tisch. Ihre Kollegin, die häufiger Gerichte an unserem Tisch vorstellt, spricht Englisch mit starkem spanischem Akzent, so dass ich nur die Hälfte der Beschreibungen verstehe. Dadurch gehen sicher viele Detailinformationen, die zum Verständnis von Gerichten und Philosophie hilfreich wären verloren.
Insgesamt ist es so wie angekündigt: Eine Erfahrung.




Mit dem Auto sind es gute fünf Stunden gemütlicher Fahrt von Oslo an die Südspitze Norwegens. Die Landschaft ist geradezu lieblich und ideal für Angler und Wassersportler. An den Ufern des Meeres und der Binnengewässer stehen viele Ferienhäuser und trotzdem ist es hier Mitte Juni zur Sonnenwende ruhig und entspannt. Eine sehr erholsame Atmosphäre – zumal bei den angenehmen Witterungsbedingungen, die während unseres Besuchs herrschten.
Kulinarisch ist das Under das Highlight weit und breit und auch das einzige Sternerestaurant Norwegens außerhalb einer größeren Stadt.
Wir haben mit den Mitfahrern dieser Gourmet-Club-Tour im Havhotel Lindesnes Quartier bezogen, das einen schönen Blick auf die ganze Bucht bietet. Die Ausstattung des Hotels ist relativ einfach gehalten, aber für zwei Nächte ist es absolut ausreichend.
Auf dem kurzen Fußweg zum Restaurant kommen wir an einer kleinen Holzhütte vorbei, die sich „Informationszentrum“ nennt. Dort drin sind einige Tafeln bzw Monitore mit Informationen über das Meer, Algen und den Bau des Unders zu sehen. Demzufolge wurde der Betonbau in einer Werft gefertigt und nach Lindesnes geschifft, um dort von einem Kranschiff an seinen endgültigen Bestimmungsort gesetzt zu werden. Das Restaurant fügt sich so in die felsige Küste ein. Es wirkt praktisch wie ein Felsen, aber nicht wie ein Fels in der Brandung, denn die ist dort relativ gering.
An der Tür werden wir von einem Norweger empfangen, der uns in das Gebäude geleitet. Es geht einige Stufen hinab. Er erläutert einiges zum Gebäude, die dicke der Scheiben und wie in etwa der Ablauf des Abends sein wird. Kernaussage: it’s not just a meal, it’s an experiance. Außerdem deutet er auf das Michelin-Schilchen am Eingang und gibt zum Ausdruck, dass man sehr hoffe, dass es in Kürze durch ein Zwei-Sterne-Schild ersetzt werden müsse. Das ist mal eine selbstbewusste Aussage. Aber klar, bei so einer Location geht es auch um die Gesamtwahrnehmung von Stimmung und Raum. Er betont auch wie international das Team ist, rund ein Dutzend Nationen seien unter den gut 25 Mitarbeitenden vertreten, nur eine weitere Person neben ihm komme aus Norwegen.
Die Atmosphäre in der Betonröhre ist trotz der rohen Betonwände und des bläulichen Lichts durchaus warm und angenehm. An den Fenstern schwimmen immer wieder Fische und Quallen vorbei – vermutlich angelockt durch das Licht bzw. den Algen unterhalb der Fenster. Zunächst werden an der Bar auf Höhe es Wasserspiegels einige Snacks serviert. Danach geht es dann weiter nach unten, eben fünf Meter unter den Meeresspiegel. In den ersten beiden Tischreihen hat man sicher den stärksten Meereseindruck. Wir sitzen im hinteren Bereich, wo es noch ein Seitenfenster und einen Blick in die offene Küche gibt.
Als Getränkebegleitung wird eine „Submerged“-Weinbegleitung angeboten, die weitgehend auf Natural Wein besteht (rund 170 EUR) oder ein klassisches Pairing für 300 EUR). Ich wähle die erste Option. Anzumerken ist, dass man für den Gegenwert in der Karte durchaus vernünftige, aber natürlich meist zu junge Flaschen findet, z.B. einen 2016er Hohenmorgen von Bürklin Wolf. Nun gibt es die ersten Snacks an der Bar:
Albueskjell – in diesen gebackenen Schalen ist eine erdig schmeckende Creme.
Borke Flatbred - sjokreps og fenelär – Der zweite Snack soll eine Birkenrinde darstellen. Zwischen der Rinde ist Krebsfleisch und Fenchel verarbeitet sein. Letzteren schmeckt man so gerade noch. Das Seafood geht in einem röstigen Geschmack des knackigen Brots leider unter. Aber der geschmackliche Eindruck ist trotzdem gut.
Taskekrabbe - gjæaret bokhvete og rødlin ost (Taschenkrebs - fermentierter Buchweizen und roter Flachskäse) – dieser Kuchen orientiert sich an einem typisch norwegischen Rezept, wird uns gesagt. Es ist ein saftiges, cremiges Mundgefühl, die Krabbe ist grundsätzlich als „meerig“-süßlich ebenso erkennbar, wie der Käse.
Blæretang - rognkjeks rogn og spekt svinefett (Blasentang - Rogenkekse, Rogen und Spektralschmalz) Die verschiedenen Algen bzw. Seetang-Arten haben einen knackigen Biss und grünlich-meerigen Geschmack. Der Küchenchef nenne sie „Seemöhren“, sagt die Servicekraft, was ich angesichts des Bisses gut nachvollziehen kann. In der Kombination ist noch Saiblingskaviar verarbeitet, der eine gut dosierte Salzigkeit in den Snack bringt. Das ist sehr schön gestaltet. Das ist klar der komplexeste Snack.
Nun geht es die Treppe nach unten... Zunächst wird uns eine große Schale mit den Meeresprodukten gezeigt, die an dem Abend serviert werden: Seafood, Muscheln, Meeresschnecken, sowie Algen sind dabei - Fisch überraschenderweise nicht.
Teppeskjell - gjær og jordskokker (Muscheln - Hefe und Topinambur) Die klare Muschel wird von einem erdig-umiamigeprägten Schaum begleitet, die den Muschelgeschmack schon dominiert..
Egon Schmitt – Sauvignon Blanc, Pfalz, Germany 2021 – ein frischer, geradliniger Wein, der aber auch eine gute mineralische Struktur hat. Für diese Qualitätsstufe bemerkenswert.
Kuskjell - fermentert tomat og hylleblomst (Kuskjell - fermentierte Tomaten und Holunderblüten) Diese Muschelart kann bis zu 500 Jahre alt werden, wird uns gesagt. Unser Exemplar wäre schätzungsweise 100 Jahre alt geworden. Wir kennen diese Muschelart schon aus dem Jordnær in einem durchaus ähnlich gestalten Gericht, aber man bleibt hier von der damals erlebten Feinheit und Fleischigkeit doch entfernt. Dies liegt daran, dass die Muschel recht kalt serviert wird, also sich ihr Aroma im Mund kaum entfaltet. Gleichzeitig ist der Sud aus Holunder und Tomate geschmacklich äußerst animierend, aber auch sehr intensiv. Das gilt vor vor allem für eine Tupfer Tomatenkompott. So überlagert die Begleitung der Muschel wieder den Eigenschmack.
Smockshop Band - Floreál Cider Il, Hood River, Oregon, USA – ein schöner, trockener Cidre, der allerdings dazu beiträgt, die fruchtige Intensität der Sauce noch zu verstärken.
Fiskepudding - fermentert mel og modnet silderogn (Fischpudding - fermentiertes Mehl und gereifter Heringsrogen) Jetzt wird es etwas reichhaltiger, denn hier handelt es sich um eine falsche Muschel. Der Inhalt der künstlichen Schale hat die Konsistenz von Kartoffelpüree und schmeckt angenehm „fischig“-salzig. Das kommt ein schönes Wohlgefühl im Mund auf
Milan Nestarec Melancholia, Moravia, Czechia 2019 – der Wein aus der Rebsorte Neuburger kommt verhältnismäßig klassisch rüber.
Sjøkreps - fermented honning og plomme med saltet gressløkblomst (Kaisergranat - fermentierter Honig und Pflaume mit gesalzener Schnittlauchblüte) – Der Kaisergranat ist relativ weich, aber schön fleischig im Biss. Die Sauce, in der fermentierter Honig und Pflaume verarbeitet wurden, passt in der Intensität und Kraft sehr gut zu dem herausgestellten Produkt und betont dessen süßliche, sanfte Seite – für eine besser Produktwahrnehmung könnte die Sauce für meinen Geschmack aber etwas dezenter gestaltet sein. Insgesamt ist das so ein relativ vollmundig gestaltetes Gericht, das weniger auf die Feinheit und mehr auf die Fleischigkeit des Kaisergranats abgestellt ist.
Mark Angeli La Lune, Anjou, Loire, France 2020 (Chenin Blanc)
Sea "Salad" - strandsnegle og tang (Meeres "Salat" - Strandschnecken und Algen) – Nach dem eher reduzierten Gang wird es nun strukturierter und vielfältiger. Es wird eine Art Chawanmushi serviert, das mit Algen aromatisiert und Strandschnecken enthält, die einen guten, fleischigen Biss haben. Dazu wird in einer Muschel ein Granité serviert, das einen fruchtigen Geschmack hat. Die Empfehlung lautet, zunächst von beidem getrennt zu probieren und dann beides zusammen. Dadurch verändert sich vor allem die geschmackliche Wahrnehmung des Granités, das zunächst eher fruchtig, dann würziger wirkt. Das ist ausgeklügelt und gelungen.
Clos Ste. Magdeleine Bel-Arme, Cassis, Provence, France 2015 – diese südfranzösische Cuvée hat schon einige Jährchen mehr auf dem Buckel als die vorherigen Weine, ist aber recht frisch und wirkt deutlich jünger.
Langerogn - hasselnøtt og poter – unter dem Schaum sind einige Haselnüsse und wenn ich es richtig in Erinnerung habe, sehr bissfest gegarte, kleine Kartoffelstücke. Der Schaum hat einen fischigen Geschmack, wirkt vielleicht wie der Schaum eines Fischfonds. Die Kombination ist schlüssig. Das Gericht hate eine gute Substanz und ist definitiv eine für mich ungewohnte Aromenkombination.
Domaine Sébastien Riffault Auksinis, Sancerre, Loire, France 2016 – der „härteste“ Stoff in der Weinbegleitung. Ist schon recht anstrengend, weil sehr erdig.
Osters - nepe grøt og ville urter (Austern - Rübenbrei und Wildkräuter). Die Auster mit ist mit dem Rübensaft lackiert worden. Dadurch hat sie einen süßlich-fleischigen Geschmack. Die Wildkräuter geben dem Gang eine gewisse Leichtigkeit und Frische und etwas Säure, die die üppige Auster gut ausgleichen. Das gefällt mir ganz ausgezeichnet.
Azores Wine Company Branco Vulcânico, Azores, Portugal 2020 – der Wein ist schon sehr schön, dicht und komplex und salzig.
And - lagret løk og furu (Ente - Zwiebeln und Kiefer) – Die Ente soll, wenn ich es richtig verstanden habe, zwar aus einer Zucht stammen, aber nicht gemästet worden sein, sondern habe das gegessen, was sie „in der Natur gefunden hat“, wie uns erklärt wird. Das Fleisch ist außerordentlich aromatisch, vor allem die Haut mit dem darunter befindlichen Fett ist ein Highlight. Für mich eine der besten Stücke Entenfleisch, die ich je gegessen habe. Allerdings ist mein Stück auch perfekt gegart. Das kann man nicht von allen Fleischstücken in unserer Gruppe sagen, einige sind einfach zu rosa, was sich gleich negativ in der Textur bemerkbar macht. Dazu gibt es einen schönen, aromatisierten Entenjus und eine intensive Zwiebelcreme, die wie Senf vorsichtig als Würzmittel einsetzt werden soll. Schon dieser Teller – die ideale Garung der Brust vorausgesetzt – ist für mich ein Highlight, weil ich nur selten Ente von der Qualität so puristisch präsentiert bekommen habe. Hinzu kommen aber noch weitere Ergänzungen, die den Genusswert und den Spaßfaktor dieses Gerichts noch weiter steigern. Ein kleine Kugel, in dessen Teig offenbar Entenfett eingearbeitet wurde, jedenfalls interpretiere ich das so. Vom Service wurde davon gesprochen, das dafür das Fleisch der Keulen verwendet wurde, vielleicht wurde dieses sehr püriert? Fleischstücke kann ich jedenfalls nicht entdecken. Außerdem gibt es noch ein kleines Fladenbrot, das mit dem Salat gegessen werden kann. Unter dem Salat befindet sich noch mal gezupftes, sehr würzig abgeschmecktes Entenfleisch. Durch den Salat ist das aber eine frische. Leckere, fleischgesprägte Kombination. Der Gang hat mir hervorragend gefallen.
Mythopia Shining, Valais, Switzerland 2009 – sieht aus wie ein Rosé, ist aber doch ein ausgewachsener Pinot Noir mit toller Frische und Eleganz. Der Wein eine tolle Struktur und wirkt blutjung. Von der Optik mal abgesehen, hätte ich nie auf einen Natural Wine getippt.
Yoghurt - rogneskudd og maur (Joghurt - Roggenprossen und Ameisen) – Ein leichter Käsegang soll es sein. Der Joghurt oder (Frisch)käse – auf dem zweiten Teller gefroren und luftig aufgeschlagen, so wie Luftschokolade. Insgesamt ist das Gericht leicht säuerlich – nicht zuletzt wegen der Ameisen.
Royal Tokajt Late Harvest, Tokaji, Hungary 2018 – ein verhältnismäßig schlanker Tokaijer.
Lagret eple – caramel og søl – (Gelagerter Apfel – Karamell) – unter der „Kruste“ ist eine Creme, insgesamt mit Geschmack nach reifem Apfel bzw. Apfelkuchen. Das ist einfach und lecker.
Mjoderiet Midgard, Bergen, Norway – der Honigwein ist mir hier etwas zu süß und üppig.
Mariabolle - brunost og lagret rabarbra (Mariabolle - brauner Käse und gereifter Rhabarber) -
Macaron - furu og hasselnott (Macaron - Kiefer und Haselnuss)
Tindved – bipollen (Tindved – Bienenpollen)
sind die drei Petit Fours.
Was für ein spektakuläres Projekt: Ein Restaurant fünf Meter unter dem Meeresspiegel. Die Küche ist aus meiner Sicht bemüht, ebenso spektakuläres zu bieten, aber das gelingt (noch) nicht durchweg auf dem Niveau der Arbeit, die die Architekten hier abgeliefert haben. Das Konzept in erster Linie mit dem zu arbeiten, was das Meer regional direkt an der Küste anbietet ist interessant. Komischerweise sind aber gerade die Muschelgerichte am Beginn aromatisch etwas grob und mir nicht filigran genug für das feine Produkt. Auffällig ist auch, dass viel mit erdigen und nussigen Aromen gespielt wird. Das passt gut zum Seetang und Schnecken, ist aber für ein „meeriges“ Menü natürlich ungewohnt. Die zweite Menühälfte wird dann zunehmend spannender und die Gerichte sind insgesamt stimmig. Ich hätte aufgrund des Produktfokus eine viel filigranere, puristischere Küche erwartet. Doch es werden Gerichte geboten, die durchaus kräftig und ausdrucksstark gestaltet sind. Die Gänge die zusätzlich auch ein ausreichendes Maß an Präzision in der Aromenabstimmung zeigen, sind dann auch wirklich außergewöhnlich und spannend.
Der Service insgesamt ist sehr bemüht, wirkt aber relativ angestrengt. Ich denke, das liegt an der Sprachbarriere. Eine Mitarbeiterin spricht so gut deutsch, dass sie uns die Gerichte vorstellen kann, aber sie ist nicht immer an unserem Tisch. Ihre Kollegin, die häufiger Gerichte an unserem Tisch vorstellt, spricht Englisch mit starkem spanischem Akzent, so dass ich nur die Hälfte der Beschreibungen verstehe. Dadurch gehen sicher viele Detailinformationen, die zum Verständnis von Gerichten und Philosophie hilfreich wären verloren.
Insgesamt ist es so wie angekündigt: Eine Erfahrung.