Der zweite Lunch in London führt mich und einen Gourmet-Freund aus unserer Reisegruppe ins Hotel The Berkeley. Von außen sieht es unscheinbar aus, von innen zeigt es sich als modernisiertes Grandhotel der klassicheren Sorte. Mich erinnert es an das Vier Jahreszeiten in Hamburg, wobei die Innenarchitektur hier eine Spur moderner ausfällt.
Zum Lunch ist das Restaurant gut zur Hälfte besetzt. Es wird ein Lunch-Menü für 55 Pfund angeboten, das Gericht enthält, die als Lieblingsgerichte wichtiger Mitarbeiter dargestellt werden. Für das doppelte gibt es das reguläre Menü, für das wir uns entscheiden. Der Service ist souverän, professionell-locker. Ah, Sie kommen aus Deutschland, woher denn? Da wird an Fußball angeknüpft und einen Hamburg-Besuch, der Restaurantleiter, der aus Peru stammt, weiß´schnell Anknüpfungspunkte zu schaffen und erkennt, dass wir des Genuss wegen unterwegs sind. Auch mit der Sommeliere klären wir rasch unsere Weinauswahl...
Der Einstieg fällt mit einem kleinen Hörchen knapp aus:
Shrimp tartar, shellfish bisque, coriander – Das Krabben-Tatar versteckt sich unter der gebackenen, einer Muschel nachempfunden Form. Bisque ist geeist, in Form der leicht bestäubt wirkenden Elemente in der Mittel des Tellers. Dadurch wird die Entwicklung der Aromen immer wieder gestoppt. Der Geschmack der Garnelen verschwindet in einem Aromen-wirr-warr. Der Gang wirkt auf mich unentschieden. Er geht in eine salatartige Richtung, die Würze und Aromenkomposition ist angenehm, aber es fehlt ein klarer Fokus. Der schwächste Gang des Menüs, da sich die Aromenkomposition nicht klar entwickelt.
Grilled mackerel, smoked eel, dill, fennel ist schon bedeutend ernsthafter: die Markrele hat eine gute Fettstruktur. Die verschiedenen Cremes haben teilweise ein intensives Aroma, dass dem Gericht eine angenehme Würze verschafft und die gerösteten Brotstücke geben der Kombination auch noch einen leichten Grillanklang. Es wirkt auf mich irgendwie britisch. Die Proportionen sind aus meiner Sicht nicht ideal, aber hier ist der Fokus vorhanden, den ich im ersten Gang vermisst habe.
Sharpe’s Express 1900, trompette, Tunworth ist richtig anspruchsvoll. Die Pilze sind ziemlich sauer eingelegt. Die Kartoffeln waren allein eher von der etwas minder aromatischen Sorte (ich würde sagen, ähnlich einer Linda, weniger einem Bamberger Hörnchen) Das passt aber gut zu den intensiven anderen Aromen. Ein spannender Gang mit Kontrast, dessen Einzelteile nicht wirklich toll sind, der aber in der Summe ausgewogen und somit wirklich gelungen ist.
Crispy pork jowl, purple sprouting broccoli, liquorice erinnert ein wenig an Grüner Spargel mit Hollandaise. Das Schweinefleisch ist von einer wunderbar knusprigen Kruste umgeben und innen luftig. Der Broccoli ist durch einige Brösel aufgewertet. Die „Hollandaise“ hat eine schöne, dezente und feine Säure. Das Geschmacksbild eines bekannten Gerichts ist so mit einer Portion Spannung aufgewertet worden.
Herdwick lamb, crispy breast, chimichurri, Tropea onion
Der Lammrücken hat ein unvergleichlich gutes Aroma. Es schmeckt intensiv nach Lamm. Überraschend laff ist hingegen die Kugel, die offenbar wie eine Frikadelle zubereitet wurde. Sie hat nur einen leichten Fleischgeschmack und keiner weitere auffällige Würze. Dies ist vielleicht in der Kombination mit den weiteren Zutaten sogar sinnvoll: das Fleisch liegt auf einer dünn gehobelten längs geschnittenen Gurke. Sie ist leicht warm und bringt sehr viel Frische und Eigengeschmack in das Gericht. Das gefällt mir richtig gut. Ein paar scharfe bzw. würzige Elemente vom Lauch ergänzen diesen sehr guten Hauptgang.
Toffee, peanut, milk chocolate nougat – in London schein kein Menü ohne dunklen Toffee bzw. Karamell auszukommen, gerne auch gewürzt. Diese Konstruktion ist zwar schön anzuschauen und geschmacklich sitzt auch alles, aber die Komplexität geht doch eher Richtung Presdessert.
Mit einer kleinen Auswahl an Pralinen endet das Menü im Marcus.
Das war eine überzeugende Leistung maximal mittlerem Zwei-Sterne-Niveau. Die Gerichte liegen zumeist an gängigen Geschmacksbildern. Haben aber stets einen schönen kleinen Twist. Sie sind durchweg gut bis markant gewürzt und die crispy-Textur darf offensichtlich in keinem Gericht fehlen. Ein erfreuliches Esserlebnis zum Mittag auf solidem Niveau.
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