Der Service ist souverän. An - und Abtransport der Eßwaren wie von John Cranko einstudiert. Der im besonderen Maße für uns Zuständige ist ein eleganter Herr, aus Hongkong stammend, charmant und auch oftmals sehr witzig, was uns besonders gefällt. Manchmal ist er schwer zu verstehen, weil er während des Sprechens enorm beschleinigen kann, als wolle er sich mit dieser propulsiven Artikulation selbst überholen.
Sowohl bei den Vorspeisen als auch bei den Hauptgerichten hatten wir unterschiedlich gewählt.
- Langustinenteile von betörender Qualität baden in einer Suppe. Es ist eine Linsensuppe mit deutlichem Linsenaroma, dabei jedoch nicht überkonzentriert. Ich kann das nicht beschreiben, wie gut und ausgewogen der Geschmack dieser Suppe ist.
- zwischen zwei zart/saftigen Rochenstücken noch zartere und noch saftigere Austern, auf eine grünliche Austernsauce gebettet. Eine zweite, helle Austensauce, die einige Gemüseteile umspielt, umkreist den Teller.
- Tourteau "graffitis", Krabbenfleisch mit rot/gelben Rüben in unterschiedlichsten Variationen, und der Teller sieht wirklich aus, als hätten sich Miro und Kandinsky zum Graffity verabredet. Auf einem Zweitteller liegt noch ein in Zellophan eingewickeltes Päckchen, ein Roterübentörtchen, und das Zellophan ist natürlich auch eßbar.
Als sich eine meiner bezaubernden Tischdamen entfernt hatte, um sich ein wenig frisch zu machen, nutzte sie die Gelegenheit, um einen Blick in die Küche zu werfen ... und wurde sofort verhaftet. Ein Servicemitarbeiter bestand darauf, ihr die Küche zu zeigen. Etwa zehn Köche arbeiteten in höchster Konzentration an Kupferkasserollen, ein großartiges Bild; dabei nahm man mit ihr keinerlei Kontakt auf, was der Ober entschuldigte mit der Bemerkung, es sei gerade rush hour.
- Bœuf - carotte en deux cuissons, das Fleisch einmal geschmort, einmal rot-rosa gebraten. Der Ochjsenschwanz schon fast braunschwarz, intensive, aber keinesfalls überkonzentrierte Sauce, wunderbarer Fleischgeschmack, dazu einige Kartoffelchips und aromatische Karotten. Und ein Glas fruchtiger Morgon. Ein vollkommen unaufgeregter Gang, der durch seine extreme Annäherung an eine angenommene Perfektion besticht. Als Gemüse- (und speziell Karotten-) Papst gilt Joël Thiébault, der Mittwoch und Samstag einen Stand am Marché du Président Wilson im 16.arr betreibt. Ob Savoy, wie seine Kollegen William Ledeuil, D.Toutain, Y.Alléno oder Akrame Benallal (der übrigens unter dem Pseudonym Bellarabi Fußball spielt), dort auch einkauft, weiß ich nicht. Tatsache ist, daß einen dieses Hauptgericht wenig berühren würde, wenn man von der Fleisch- und der Gemüsequalität nicht begeistert wäre.
- Hähnchenteile werden lackiert in einer intensiven Pilzsauce, Morcheln, Totentrompeten und diese dünnstieligen gelben Pseudopfifferlinge, ums Verrecken komm' ich gerade nicht auf den Namen, dazu ein Kartoffelpü, sehr schlank, als wolle es sich bewußt vom Robuchon'schen abheben. Ob das Ratte sind?
- Poulet de Bresse mit coquilletes in Trüffelsauce. Das Göckele rollbratenartig geschmort, darüber etliche gebratene Doof-wer's-dort-läßt gestreut. Die coquilletes, eine Art Hörnchennudeln, getrüffelt, mit schwarzem Trüffel, den ich, in hoher Qualität, schon immer für eleganter als seinen weißen Geschwister aus Alba angesehen habe. Erkennt der Ober meine Präekstase? Auf jeden Fall bringt er nochmals eine Kupfersautöschen nur mit Trüffelsauce (und wäre man dort nicht unter ständiger Beobachtung, hätt' ich mir den Sud womöglich in die Hose gekippt.)
Ein kleines Vordessert beruhigt die Gemüter. Dann das Halbfinale:
- Millefeuilles mit Vanillecreme. 989/1000. Sowohl der Blätterteig als auch die Creme sind h.c. (Ich werd' in meinem Fazit nochmals darauf eingehen)
- Agrumes; will heißen Zitrusfrüchte rauf und runtergebetet, sogar als Pulver!
- Birne, Pecannuss, Zitronengras, eine kleine Birnensorte, die mich an unsere Gaishirtle erinnern, Eis, Nüsse Karamell, extra Kupferpfännle ...
Und nun eine kleines Rätsel. Der Sommelier hatte drei verschiedene Süssweine empfohlen; gelingt Ihnen die Zuordnung?
- 2012 Sargamuskotaly Exaltation von Holdvölgy, also ein Tokayer aus Muskatellerbasis
- Les Churelles de Juchepie, Loire, Region Anjou, ein Coteaux de Layon, 100% Chenin
- 2011 Fronholz, Vendanges tardives, Gewürztraminer, Ostertag.
Finale: unser verschmitzter Hongkong-Chinese schiebt den Après-Dessert- Wagen heran. Er, der Wagen, sieht immer noch aus wie diese 1001 - Stellagen der Istanbuler Schuhputzer, Tigel der unterschiedlichsten Größen, hier aber mit anderer Füllung: Cremes. Parfaits, Mousses, Sorbets, Eis, Milchreis, rot und weiß, Zitrusküchlein, Käseküchlein, Schokoküchlein, Küchlein ...
Ich wähle dies und das und auch noch jenes, bin entsetzt über meine Gier, frage den Ober, ob das nicht schon unverfroren sei, und er antwortet, im Gegenteil, ich müsse noch dieses probieren ... und das da ... und er sei persönlich beleidigt, wenn ich seinen Empfehlungen nicht unbedingt und auch sofort nachkommen würde.
Natürlich gab es zum Café noch weitere fluffige Gebäckteilchen.
Fazit:
(Fortsetzung folgt)
___________________________________
- eigentlich wollt' ich ja heute fertig werden, nachdem mich der gute qwertz, zumindestens hatte ich das so verstanden, eindringlich um Entschleunigung gebeten hatte, will ich mich seinem Anliegen beugen.
- Auflösung des Weinrätsels: Tokay - Zitrusfrüchte; C de Layon - Blätterteig; Birne - Gewürz
- @mk: er, also Guy S., wolle die zwei Flaschen am Abend noch mit Freunden zischen
Jetzt kann ichs mir doch nicht verkneifen, ein paar Zwischenfragen zu stellen...
Das Zitrusdessert, wie hat das denn geschmeckt? Richtig großartig? Mich erinnert das in der Kurzbeschreibung nämlich an eine Zitrusvariation bei Ducasse, die war nahezu unessbar, so sauer war die.
Und haben Sie vielleicht den kürzlichen Erlebnisbericht bei "Trois Etoiles" über das Monnaie gelesen? Der war ja in jeder Hinsicht nicht so arg angetan, worauf ich wegen des Blätterteigdesserts komme, bei dem die Einschätzungen wie von zwei verschiedenen Sternen klingen.
Immer wieder spannend, wie unterschiedlich Gleiches empfunden werden kann.
Und als Letztes: würden Sie einen Vergleich mit der Küche von JF Piège ziehen wollen? Das fände ich spannend, da ich für demnächst zwischen beiden wählen muss...
Ich würde gerne, lieber brigante, erst noch mein Schlußwort formulieren, bevor ich Ihnen antworte ( und bevor ich den Text von *** lese).
MkG
s.
Dann grätsche ich einfach mal dazwischen. Das Blätterteigdessert hatten wir auch diesen Herbst. Das war schon ziemlich schmackig für mich, wenn auch ein bisschen einsilbig. Ich hatte vorher natürlich sofort an das Baba im Louis XV gedacht, was ich ja auch nie bestellt hätte und noch heute davon träume. Ein solcher Knaller war es nicht, aber direkt die Kategorie darunter.
In der Gesamteinschätzung hatten wir ein sehr gutes Essen und das Lunchangebot ("for guests wishing to discover – or rediscover – the delights of a French gourmet restaurant, but who hesitate." ....damit konnten nur wir gemeint sein...) würde ich jederzeit begeistert wieder buchen. Man isst ja wirklich von der normalen Karte - ich war allerdings nicht soooo begeistert dass ich in der Zukunft eine reguläre 1000-Euro-für-zwei Extravaganz erwägen würde.
Und noch ein Tip für den Lunch. Es empfiehlt sich sehr beim Wein die schlaraffische Herangehensweise einzuschlagen. Wenn man einfach mal so die Gläser nach Gusto anschleppen lässt wird die Rechnung schnell verdoppelt (oder mehr). Die Weine sind super gewählt, aber es wird skandinavisch eingeschenkt und abgerechnet. Mit Budget und einer gut gewählten Flasche als Hauptdarsteller fährt man da besser.
Von den von vielen höherbesternten Lokalen angebotenen Mittagsmenüs habe ich nun schon einige gegessen; dabei zeigte sich die Auswahl der Speisen im Vergleich zu den à la carte - Gängen auf eindeutig bescheidenerem Niveau. Was nicht bedeuten soll, daß es auch dort großartige Eßerlebnisse gegeben hätte. Bei Senderens bekam ich einmal als A.Gueule ein lackiertes Teilchen vom Perlhuhnflügel. das ich bis heute bewundernd in Erinnrung habe.
Bei Savoy war das, wie wir vor einigen Jahren erleben durften, anders. Aus der aktuellen Tageskarte durfte man sich drei Gänge aussuchen, den anzunehmenden Preis von gut zweihundert Euro bekam man - wenn man diesen einen Tisch zum Mittagessen ergattert hatte - halbiert. Nach dem Umzug in die Monnaie besteht dieses Angebot weiterhin. Verständlicherweise erscheinen die Gerichte mit den ultrakostspieligen Gerichten nicht auf der Karte, mit schwarzem Trüffel wird jedoch weiterhin geaast. Es wäre allerdings naiv, von diesem Déjeuner die gesamte Schaffenskraft der Küche erwarten zu wollen. Um die drei Sterne in ihrer vollen Strahlkraft erleben zu wollen, muß man wohl auch finanziell in die Vollen greifen. Die Idee der Küche, einem mit diesem Lunch Lust auf all-in zu machen, geht sehr gut auf. Übrigens hatte ich den Eindruck, daß dieses tolle Angebot nicht nur einem Tisch zugestanden wurde.
Der Besuch bei Savoy war großartig, es ist ein Erlebnis erster Güte. Alles, was wir gegessen haben, war voller Harmonie. Man kam sich in diesem herrlichen Saal mit diesem unglaublichen Ausblick, diesem Service-Balett, vor, wie auf einer Theaterbühne; und bei dem Stück durfte man sogar selbst mitspielen.
Und das zu einem Preis, der mit einem Besuch im Moulin Rouge vergleichbar ist; mit dem grandiosen Unterschied, daß es dort todlangweilig ist, es sei denn, ich tanz' an der Stange.
Der Besuch bei Savoy war großartig, es ist ein Erlebnis erster Güte. Alles, was wir gegessen haben, war voller Harmonie. Man kam sich in diesem herrlichen Saal mit diesem unglaublichen Ausblick, diesem Service-Balett, vor, wie auf einer Theaterbühne; und bei dem Stück durfte man sogar selbst mitspielen.
Und das zu einem Preis, der mit einem Besuch im Moulin Rouge vergleichbar ist; mit dem grandiosen Unterschied, daß es dort todlangweilig ist, es sei denn, ich tanz' an der Stange.
Ein sehr schönes Fazit, ohne dass ich dieses inhaltlich beurteilen könnte, da ich bei Guy Savoy noch nie essen war. Re Trois Etoiles und Guy Savoy: ich hab den Blogpost gelesen und frage mich dann doch manchmal, ob nicht seine Messlatte dadurch, dass er so häufig so gut essen geht, dann doch für uns Nullachtfuffzehngelegenheitsgourments etwas zu hoch angesetzt ist. Sicher gibt es immer mal etwas zu kritteln, aber wer auf der ganzen Welt das Beste vom Besten in einer atemberaubenden Frequenz konsumiert, hat eben unter Umständen etwas andere Maßstäbe.
Lieber Schlaraffe,
sollte dies in der ersten Februarwoche passieren, lassen Sie es mich und unseren Nachwuchs wissen, wie würden gewiß nach Zugabe rufen !
Danke nochmal vielmals für Ihre Pariseindrücke !
MkG, S
Da ich mein Fazit unvoreingenommen schreiben wollte, hab' ich den *** - Bericht erst jetzt gelesen; d.h. , lieber brigante, jetzt kann ich Ihnen auch besser antworten.
Der Bericht von Herrn Trois Étoiles beginnt etwas merkwürdig; Savoy habe sich für seine Herberge einen Palast ausgesucht, das sei doch übertrieben. Und dieses Museum, was ja so nicht stimmt, läge am Quai de la Monnaie, was allein deshalb nicht stimmt,weil es in Paris kein Quai de la Monnaie gibt. Dann ist dort ein Sicherheitsmensch in schwarzer Montur, ja nun, schon vor Charlie Hebdo wurden staatliche Gebäude besonders geschützt. Im Restaurant herrscht nun ein ungemütlicher Kontrast, grau, schwarz. dazu punktuelle Beleuchtung mit kühlen Spots (waren die ganzen kugelförmigen 19.Jhdt.-Leuchten ausgeschaltet?). Nein, was sich die Innenarchitekten und Designer monatelang für die Gestaltung der Säle überlegt hatten, findet nicht die Gnade von ***. Und schließlich sorgen auch noch Bilder an der Wand dafür, daß er sich merkwürdig fehl am Platz vorkommt.
Viel besser kann man sich wohl kaum in eine dysphorische Stimmung manövrieren, mir ist das alles etwas zu trotzig. Und dabei heißt es bei ihm doch an anderer Stelle:
"Ich habe in Restaurants, denen der Michelin eine der besten Küchen attestiert, im Laufe der letzten Jahre erfahren, was das genau bedeutet und welch großes Essensglück man durch die Zubereitung bestimmter Speisen erfahren kann, ganz gleich in welchem Ambiente. Ob das ein perfekter Salat ist, eine wunderbar gegrillte Dorade oder auch erheblich komplexere Kreationen: wenn ich von etwas schwärmen kann, dann von gutem Essen. Nicht umsonst hebe ich in meinen Berichten kaum den Service oder die Ausstattung eines Restaurants hervor. Es geht mir ums Essen. Das muss überhaupt nicht jedem so gehen, aber mir geht es so ... "
Aha. An den klassischen Toaststecken mit Foie Gras gibt es dann nichts auszusetzen. Dann eine schaumige Kartoffelsuppe (wie nun, war die gut, Savoy ist ja ein Meister der Suppen, wie waren die Kartoffeln?) und schließlich -und nun kommt mein Lieblingswort zum Einsatz - nichtssagende Tartelettes.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will hier Herrn T.É. keins überbraten - zumal mir seine Beschreibung des Locks in Dublin, das übrigens vor einem guten halben Jahr geschlossen hat, ausnehmend gut gefallen hat - aber sein Bericht über das Monnaie ist so augenfällig mißlaunig, daß ich ihn nicht richtig ernst nehmen kann. Selbst der Blätterteig ist nicht richtig essbar, weil er so bröselt, mon Dieu.
Ob mir das Dessert zu sauer war, fragen Sie. Zu sauer nicht, aber Zitrusfrüchte haben nun mal eine ordentliche Säure. Mißtrauisch werde ich eher, wenn es Züchtern gelungen ist, den pH Wert Richtung 7 zu mendeln. Interessant fand ich, daß der vom Sommelier empfohlene Tokayer hier gut mithalten konnte.
Piège oder Savoy? Lesen Sie die Piège-Berichte von rocco und mir, dann ahnen Sie, daß dort kulinarisch gesehen mehr passiert war. Dabei gilt es natürlich zu bedenken, daß wir bei Savoy nur ein reduziertes Menü gegessen hatten. Sollten Sie Sich jedoch mal fühlen wollen wie der Marquis de Brigandier, dann ist Savoy die beste Adresse.
Morgen wird offiziell das Restaurant Guy Savoy den dritten Stern verlieren. Das hat der Guide Michelin-Chef ja schon in der der vergangenen Woche öffentlich gemacht. Wir waren im Oktober 2021 mit dem Gourmet-Club dort. Der Bericht schlummert seitdem auf meiner Festplatte. Gäbe es einen besseren Moment, sich an den Besuch zu erinnern?
So habe ich es Oktober 2021 aufgeschrieben:
Großer Name, große Opfer in Paris – das sollte bei einem Gourmet-Aufenthalt in Paris auch dabei sein. Viele mehr als im Restaurant Guy Savoy geht kaum. Schon der Treppenaufgang im Monnaie de Paris, der Münzprägeanstalt mit Museum, ist beeindruckend. Bereits beim Empfang ist Guy Savoy zugegen und begrüßt zusammen mit seinem Team die Gäste. Da wir annähernd die ersten sind, bekommen wir eine kurze Führung durch das Restaurant und die Küche, bei der auch die beeindruckenden Kunstwerke vorgestellt werden. Das Restaurant ist verhältnismäßig groß und teilt sich in mehrere Räume auf, entsprechend personalstark ist auch die Küche und der Service. Doch da in den einzelnen Räumen nur vier oder fünf Tische stehen, kommt nicht das Gefühl eines „Massenbetriebs“ auf – bei einem Menüpreis von 530 Euro wäre das auch ein erstaunliches Zeichen. So ambitioniert bei aller Wertigkeit der Zutaten und Personalaufwand der Preis für das Menü ist, beruhigt doch, dass die Weinkarte durch eine eher „normale“ Kalkulation auffällt. Für 100 bis 150 Euro die Flasche findet sich einiges.
Die künstlerisch gestalteten Teller werden mit dem ersten Amuse abgetragen.
Als erste Kleinigkeit wird Rote Bete mit Senf (der rechte Taler) und ein Chip. Eine feinsäuerliche Schärfe und die Erdigkeit der Roten Bete sind gut aufeinander abgestimmt.
Die zweite Einstimmung ist deutlich feiner: Kaviar mit einem Wachtelei und etwas Spinat. Der Kaviar kommt schön zur Geltung und wird cremig umrahmt.
Huîtres concassée, granité algue et citon – die kleingeschnittenen Austern sind hier ebenfalls stimmig kombiniert. Die Kühle des Ganités macht den Gang leicht und frisch, aber dadurch entfaltet sich der Austerngeschmack nicht so sehr. Eher erfrischend als beglückend.
Bume, fonds marins et crutacés – mit etwas Trockeneis in Szene gesetzt, der den Morgennebel am Meer symbolisieren soll, sind hier Schellfisch, Hummer und Königskrabbe miteinander verbunden. Die Qualität des Seafood haut mich nicht unbedingt vom Hocker, auch verbinden sich Hummer und Schellfisch zu einem Meeresgeschmack, der harmonisch ist und gefällt – ein Ausrufezeichen setzt der Gang für mich nicht unbedingt.
Colors of caviar, sabayon fume dans l’oeuf – da ist alles drin, was Kaviar so wundervoll macht: der Knack des ganzen Kaviarkorns, der iodige Geschmack einer Kaviar-Creme. Das Ganze wird abgerundet mit etwas Wirsing-Püree und einer geräucherten Sabayon, die man dann auch noch aus dem extra gereichten Ei löffeln kann. Diese Sabayon ist schon Spitzenklasse, zumal sie den Kaviar nicht überlagert. Das Gericht ist natürlich ein Elfmeter, aber auch einen Elfmeter muss man erstmal reinmachen…
Pfifferlinge mit grünen Bohnen – ich kann mich an einen klaren, natürlichen Produktgeschmack erinnern, mehr aber auch nicht.
Saint Pierre étuvé, polychrome de la mer – der gedämpfte Saint-Pierre wird mit krosser Haut, einer Algen-Muschelbutter und kleinen Kartoffeln serviert. Durch die Zubereitungsart ist der Fisch schön zart. Die Kartoffeln erscheinen mir etwas grob dazu und nehmen natürlich auch viel vom maritimen Aroma auf.
Foie gras de canard <<poché-poêlé>>, grains torrefies, infusion des sous-bois – die Foie Gras ist ziemlich weich, aber geschmacklich perfekt. Dies wird ergänzt eine Creme aus Pilzen und Spinat, sowie ganzen Pilzen und eine Pilz-Consommé.
Dies bildet einen dezenten, erdig-bitteren Gegensatz. Geschmacklich und aromatisch ist das große Klasse und zeigt nach dem Kaviar für mich zum zweiten Mal die Spitzenqualität, für dieses Restaurant verspricht.
Soupe d’artichaut à la truffe noire, brioche feuilletée aux champignons et truffes, et encore plus – diese Suppe ist eines der Signature Dishes von Guy Savoy. Ein Suppe als Signature Dish? Oh ja: denn obwohl es eine cremige, samtige Suppe ist, kommt jeder Bestandteil perfekt einzeln zur Geltung. Durch die Artschocken-Basis hat sie insgesamt ein herbes, vegetabiles Fundament, das der Erdigkeit des Trüffels, dem Umami und der Salzigkeit des Parmesans Entfaltungsraum gewährt. Dazu gibt es in Brioche mit Pilzen und einer hervorragenden Trüffelbutter. Für mich der Höhepunkt des Menüs.
Mocreaux taillés dans un dos de veau rôti entier, longueurs de légumes, les pommes dauphine de mon enfance – da ist genau das drin, was angekündigt wird: Kalbrücken von beeindruckender Qualität. Das Gemüse, Mangold und Staudensellerie sind nicht sonderlich bearbeitet, sondern haben einen natürlichen Geschmack. Dazu kommen die handwerklich perfekten Kartoffeln. Sicherlich war dies ein sehr gutes Ausgangsprodukt, das gekonnt präsentiert wurde, kompositorisch sehe ich hier allerdings keine besondere Idee. Das Gericht ist eher rustikal als fein, aber ohne Fehl und Tadel.
Maturation multicolore – ein „nordischer Ansatz“ scheint mir. Praktisch als Erfrischung wird hier säuerlich eingelegtes, leicht fermentiertes Gemüse serviert. Das ist überraschend und erfrischend zugleich – vor allem nach den drei doch recht reichhaltigen Gängen zuvor.
Ein Saint Nectaire mit Spänen vom Ziegenkäse, Pilzen und Wiengelée ist das Käsegericht, das hier als Alternative zum Käsewagen gereicht wird. Interessanterweise wird uns hinterher weiterer Käse angeboten – vorher wäre vielleicht die Auswahl eher Richtung Käse vom Wagen gegangen. Aber der Käse ist sehr schön fein und die Komposition ausgewogen, es wirkt nicht zu stark vom Grundgeschmack entfernt.
Grapefruit mit Gurkensorbet ist die erfrischende Kombination dieses Predesserts.
Das Hauptdessert besteht aus Maronencreme, Birne und fermentiertem Tee. Es ist fein im Geschmack – etwas nussig, was für mich gut zum Birngengeschmack passt. Tiefe und Komplexität kommt vom Tee.
Puremont chocolat comme une tarte – eine dekonstruierte Schokoladentarte ist dieser Gang. Trotz der vielen Schokolade ist es Gericht noch gut essbar. Angeblich soll in der Sauce oder dem Eis auch Salz sein, was ich nicht schmecke. Aber die Kombination von verschiedenen Texturen und Intensitäten der Schokolade ist doch überzeugend...
Dann werden noch reichlich Kleinigkeiten angeboten. Vom Wagen mit Eis und Sorbets – ich wähle Karamell und Vanille – bis hin zu den weiteren Kleinigkeiten wird hier ein kleines Petit Fours-Feuerwerk abgebrannt. All das ist wirklich hervorragend.
Ich bin etwas irritiert: ich weiß nicht so recht, was ich stilistisch von dem Menü halten soll. Es hat keinen stilistisch roten Faden – zwischen Klassischem und Modernem geht es hin und her. Es wirkt eher wie ein Best-of-Album, als eine aus einem Guss gestaltete Speisenfolge. Da waren schlotzige Gerichte und strukturierte, feine und rustikale, moderne und sehr klassische dabei. Ein ziemliches Pingpong-Spiel, das sich vielleicht nur ein Koch erlauben kann, der nicht mehr an seinem Profil arbeiten muss. Andererseits kann man natürlich sagen, dass die Bandbreite der Gerichte beeindruckend ist, auch wenn außer der Gänseleber und der Suppe echte Highlights eher rar waren. Aber wenn ich doch eine Linie finden will, dann die, dass alles auf vollen Genuss ausgerichtet ist. Und das wird durch den wirklich hervorragenden, zuvorkommenden und extrem professionellen Service nicht nur, wie in vielen Restaurants unterstrichen, sondern regelrecht hervorgehoben. Und so ist das Guy Savoy in seiner Gesamtheit eines der immer rarer werdenden großen Genussorte, wo man sich als Gast voll im Mittelpunkt fühlt und man nicht nur die Kunst und das Konzept des Kochs bewundern kann. Und somit hat Maître Hubert Schwermer mit seinem Team mindestens genauso viel zum Gelingen dieses Abends beitragen, wie die Küchenmannschaft.
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