So habe ich es Oktober 2021 aufgeschrieben:
Großer Name, große Opfer in Paris – das sollte bei einem Gourmet-Aufenthalt in Paris auch dabei sein. Viele mehr als im Restaurant Guy Savoy geht kaum. Schon der Treppenaufgang im Monnaie de Paris, der Münzprägeanstalt mit Museum, ist beeindruckend. Bereits beim Empfang ist Guy Savoy zugegen und begrüßt zusammen mit seinem Team die Gäste. Da wir annähernd die ersten sind, bekommen wir eine kurze Führung durch das Restaurant und die Küche, bei der auch die beeindruckenden Kunstwerke vorgestellt werden. Das Restaurant ist verhältnismäßig groß und teilt sich in mehrere Räume auf, entsprechend personalstark ist auch die Küche und der Service. Doch da in den einzelnen Räumen nur vier oder fünf Tische stehen, kommt nicht das Gefühl eines „Massenbetriebs“ auf – bei einem Menüpreis von 530 Euro wäre das auch ein erstaunliches Zeichen. So ambitioniert bei aller Wertigkeit der Zutaten und Personalaufwand der Preis für das Menü ist, beruhigt doch, dass die Weinkarte durch eine eher „normale“ Kalkulation auffällt. Für 100 bis 150 Euro die Flasche findet sich einiges.
Die künstlerisch gestalteten Teller werden mit dem ersten Amuse abgetragen.
Als erste Kleinigkeit wird Rote Bete mit Senf (der rechte Taler) und ein Chip. Eine feinsäuerliche Schärfe und die Erdigkeit der Roten Bete sind gut aufeinander abgestimmt.
Die zweite Einstimmung ist deutlich feiner: Kaviar mit einem Wachtelei und etwas Spinat. Der Kaviar kommt schön zur Geltung und wird cremig umrahmt.
Huîtres concassée, granité algue et citon – die kleingeschnittenen Austern sind hier ebenfalls stimmig kombiniert. Die Kühle des Ganités macht den Gang leicht und frisch, aber dadurch entfaltet sich der Austerngeschmack nicht so sehr. Eher erfrischend als beglückend.
Bume, fonds marins et crutacés – mit etwas Trockeneis in Szene gesetzt, der den Morgennebel am Meer symbolisieren soll, sind hier Schellfisch, Hummer und Königskrabbe miteinander verbunden. Die Qualität des Seafood haut mich nicht unbedingt vom Hocker, auch verbinden sich Hummer und Schellfisch zu einem Meeresgeschmack, der harmonisch ist und gefällt – ein Ausrufezeichen setzt der Gang für mich nicht unbedingt.
Colors of caviar, sabayon fume dans l’oeuf – da ist alles drin, was Kaviar so wundervoll macht: der Knack des ganzen Kaviarkorns, der iodige Geschmack einer Kaviar-Creme. Das Ganze wird abgerundet mit etwas Wirsing-Püree und einer geräucherten Sabayon, die man dann auch noch aus dem extra gereichten Ei löffeln kann. Diese Sabayon ist schon Spitzenklasse, zumal sie den Kaviar nicht überlagert. Das Gericht ist natürlich ein Elfmeter, aber auch einen Elfmeter muss man erstmal reinmachen…
Pfifferlinge mit grünen Bohnen – ich kann mich an einen klaren, natürlichen Produktgeschmack erinnern, mehr aber auch nicht.
Saint Pierre étuvé, polychrome de la mer – der gedämpfte Saint-Pierre wird mit krosser Haut, einer Algen-Muschelbutter und kleinen Kartoffeln serviert. Durch die Zubereitungsart ist der Fisch schön zart. Die Kartoffeln erscheinen mir etwas grob dazu und nehmen natürlich auch viel vom maritimen Aroma auf.
Foie gras de canard <<poché-poêlé>>, grains torrefies, infusion des sous-bois – die Foie Gras ist ziemlich weich, aber geschmacklich perfekt. Dies wird ergänzt eine Creme aus Pilzen und Spinat, sowie ganzen Pilzen und eine Pilz-Consommé.
Dies bildet einen dezenten, erdig-bitteren Gegensatz. Geschmacklich und aromatisch ist das große Klasse und zeigt nach dem Kaviar für mich zum zweiten Mal die Spitzenqualität, für dieses Restaurant verspricht.
Soupe d’artichaut à la truffe noire, brioche feuilletée aux champignons et truffes, et encore plus – diese Suppe ist eines der Signature Dishes von Guy Savoy. Ein Suppe als Signature Dish? Oh ja: denn obwohl es eine cremige, samtige Suppe ist, kommt jeder Bestandteil perfekt einzeln zur Geltung. Durch die Artschocken-Basis hat sie insgesamt ein herbes, vegetabiles Fundament, das der Erdigkeit des Trüffels, dem Umami und der Salzigkeit des Parmesans Entfaltungsraum gewährt. Dazu gibt es in Brioche mit Pilzen und einer hervorragenden Trüffelbutter. Für mich der Höhepunkt des Menüs.
Mocreaux taillés dans un dos de veau rôti entier, longueurs de légumes, les pommes dauphine de mon enfance – da ist genau das drin, was angekündigt wird: Kalbrücken von beeindruckender Qualität. Das Gemüse, Mangold und Staudensellerie sind nicht sonderlich bearbeitet, sondern haben einen natürlichen Geschmack. Dazu kommen die handwerklich perfekten Kartoffeln. Sicherlich war dies ein sehr gutes Ausgangsprodukt, das gekonnt präsentiert wurde, kompositorisch sehe ich hier allerdings keine besondere Idee. Das Gericht ist eher rustikal als fein, aber ohne Fehl und Tadel.
Maturation multicolore – ein „nordischer Ansatz“ scheint mir. Praktisch als Erfrischung wird hier säuerlich eingelegtes, leicht fermentiertes Gemüse serviert. Das ist überraschend und erfrischend zugleich – vor allem nach den drei doch recht reichhaltigen Gängen zuvor.
Ein Saint Nectaire mit Spänen vom Ziegenkäse, Pilzen und Wiengelée ist das Käsegericht, das hier als Alternative zum Käsewagen gereicht wird. Interessanterweise wird uns hinterher weiterer Käse angeboten – vorher wäre vielleicht die Auswahl eher Richtung Käse vom Wagen gegangen. Aber der Käse ist sehr schön fein und die Komposition ausgewogen, es wirkt nicht zu stark vom Grundgeschmack entfernt.
Grapefruit mit Gurkensorbet ist die erfrischende Kombination dieses Predesserts.
Das Hauptdessert besteht aus Maronencreme, Birne und fermentiertem Tee. Es ist fein im Geschmack – etwas nussig, was für mich gut zum Birngengeschmack passt. Tiefe und Komplexität kommt vom Tee.
Puremont chocolat comme une tarte – eine dekonstruierte Schokoladentarte ist dieser Gang. Trotz der vielen Schokolade ist es Gericht noch gut essbar. Angeblich soll in der Sauce oder dem Eis auch Salz sein, was ich nicht schmecke. Aber die Kombination von verschiedenen Texturen und Intensitäten der Schokolade ist doch überzeugend...
Dann werden noch reichlich Kleinigkeiten angeboten. Vom Wagen mit Eis und Sorbets – ich wähle Karamell und Vanille – bis hin zu den weiteren Kleinigkeiten wird hier ein kleines Petit Fours-Feuerwerk abgebrannt. All das ist wirklich hervorragend.
Ich bin etwas irritiert: ich weiß nicht so recht, was ich stilistisch von dem Menü halten soll. Es hat keinen stilistisch roten Faden – zwischen Klassischem und Modernem geht es hin und her. Es wirkt eher wie ein Best-of-Album, als eine aus einem Guss gestaltete Speisenfolge. Da waren schlotzige Gerichte und strukturierte, feine und rustikale, moderne und sehr klassische dabei. Ein ziemliches Pingpong-Spiel, das sich vielleicht nur ein Koch erlauben kann, der nicht mehr an seinem Profil arbeiten muss. Andererseits kann man natürlich sagen, dass die Bandbreite der Gerichte beeindruckend ist, auch wenn außer der Gänseleber und der Suppe echte Highlights eher rar waren. Aber wenn ich doch eine Linie finden will, dann die, dass alles auf vollen Genuss ausgerichtet ist. Und das wird durch den wirklich hervorragenden, zuvorkommenden und extrem professionellen Service nicht nur, wie in vielen Restaurants unterstrichen, sondern regelrecht hervorgehoben. Und so ist das Guy Savoy in seiner Gesamtheit eines der immer rarer werdenden großen Genussorte, wo man sich als Gast voll im Mittelpunkt fühlt und man nicht nur die Kunst und das Konzept des Kochs bewundern kann. Und somit hat Maître Hubert Schwermer mit seinem Team mindestens genauso viel zum Gelingen dieses Abends beitragen, wie die Küchenmannschaft.
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