Es gibt Dinge, bei denen man meint, man müsse sie unbedingt mal machen, mit der Zeit steigt die Ehrfurcht, es setzen sich Mythen fest und plötzlich bekommt eine Flasche Wein, der Besuch eines Konzerts oder ein Restaurant plötzlich eine Aura des Unnahbaren. So war es bei mir mit dem L'Ambroisie am Place des Vosges. Seit sicher 15 Jahren will ich da hin, bin am Ende dann aber doch woanders hingegangen. Warum? Vielleicht war es die Sorge, enttäuscht zu werden, der Respekt vor der Rechnung, das angeblich so Förmliche in dem Restaurant. Durch eine etwas zufällige Fügung gab es letzte Woche aber keine Ausreden mehr. Auf dem Flughafen nach Paris reservierten wir einen Tisch noch für denselben Abend. Nicht ganz die richtige Kleidung dabei? Egal, wird schon gehen. Dass wir überhaupt so spontan einen Tisch bekamen, wunderte mich etwas, aber vielleicht plagen die Restaurants die gleichen Probleme wie die Hoteliers in Paris. Seit Charlie Hebdo und Bataclan haben viele Touristen Respekt vor der Gefahr.
Am Abend dann vor dem Restaurant zu stehen und sich mal nicht zu sagen "hätte ich doch reserviert", sondern eintreten zu können, hatte etwas Erhabenes. Obwohl es eher spät war (kurz vor 21 Uhr) war der hintere Raum, in den wir gebracht wurden, leer und wir hatten schon Sorge, den ganzen Abend alleine in dem großen Saal zu sitzen. Mit der Zeit füllte sich auch dieser Saal jedoch. Ein kleiner Gugelhupf aus Paprika und Parmesan wird gebracht. Buttrig und ziemlich lecker. Madame bekam die "Gästekarte" ohne Preise, ich die mit. Die Preise hatte ich mir schlimmer vorgestellt. Unser sehr, sehr netter Kellner wies uns schon darauf hin, dass wir nicht mehr als zwei Gänge (+ evtl. Käse und Dessert) bestellen sollten. Selbst wenn man sich bei der Bestellung nicht total zurückhält, bleibt man so noch halbwegs im Rahmen. Bei der Bestellung sind die Hinweise des Kellners sehr hilfreich, der einem Kombinationsempfehlungen gibt, vor eigenen Wünschen warnt (Vorspeise und Hauptgericht sind zu ähnlich vom Typ her) und die saisonalen Gänge empfiehlt.
Was beim Essen noch geht, bleibt beim Wein leider auf der Strecke. So eine krass teure Weinkarte wie im Ambroisie habe ich noch nicht gesehen. Unter ca. 130/140 Euro braucht man kaum zu suchen (und bekommt dafür z.B. einen Pouilly-Fuissé eines zweitklassigen Erzeugers), Weine wie der Meursault von Coche Dury, die woanders schon mit "Winzerbonus" kalkuliert sind, sind hier mit dreifachem Winzerbonus kalkuliert (aktueller Jahrgang: 410 Euro
). Das macht nur wenig Spaß. Hinzu kommen die schweren dickwandigen Bistrogläser (ein Standardglas für alle Weine), die mehr oder weniger jedem Wein ein Drittel seines Potenzials rauben. An den Nachbartischen wurden mittels eines Coravins Corton Charlemagnes, Bâtard-Montrachets und Clos de la Roches für sicher mindestens 100 Euro das Glas in diese Bistrogläser gefüllt. Das hat für mich nur am Rande mit Fokussierung aufs Essen zu tun und grenzt für mich an Respektlosigkeit vor dem Wein. Wir entschieden uns nach einigem Suchen für einen 2010 Hermitage Blanc von Jean-Louis Chave (kalkuliert mit Faktor 2, was ok ist), der sich sehr schön entwickelte und selbst aus den Bistrogläsern sehr gut schmeckte.
Nachdem wir die Wahl getroffen hatten, kamen die Amuses Gueules. Hier kriegt wohlgemerkt jeder Tisch etwas anderes, nämlich eine kleine Version eines anderen Gerichts, das man selbst nicht à la carte bestellt hat. In unserem Fall war das jeweils ein Hühnerei mit großzügig weißer Albatrüffel und einem Stick gebutterten Toasts. Ausgezeichnet, süffig, trüffelig, buttrig.
Ich startete mit Feuillantine de langoustines aux graines de sésame, sauce au curry, einem Klassiker des Hauses. Das war mindestens so gut, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ein Türmchen aus Spinat, einer Scheibe hauchdünnem Sesamcracker, drei enorm dicken Kaisergranaten, nochmal Spinat und noch einem Sesamcracker liegt in der Mitte und die Currysauce wird dazu angegossen. Die Kaisergranate waren vorzüglich, glasig gegart, intensiv und unglaublich fein im Geschmack. Das Gericht lebt aber von der Kombination aus Kaisergranat, Spinat, Sesamcracker und Sauce. Erst mit allem auf der Gabel entfaltet sich die gesamte Komplexität dieses Gerichts. Ein Gänsehautmoment. Einziger Wermutstropfen: es ist eine wirklich große Portion und wenn man sich Zeit nimmt, verliert das Gericht an Temperatur, wodurch die erste Magie ein wenig verloren geht. Das galt auch bei anderen Gängen.
Kurz bei Frau rocco probiert habe ich Melba de noix de Saint-Jacques au caviar golden, coulis de cresson. Ein Kreis Kartoffelpüree, darauf drei Jakobsmuscheln, auf jeder eine großzügige Nocke Caviar Golden und angegossen ein Kressesud. Von der Anrichtung und Komposition war das Gericht sehr ähnlich wie das Kaisergranatgericht. Und wirkte ähnlich simpel. Erst mit allen Zutaten auf der Gabel wird das Gericht zu etwas ganz besonderem. Die Jakobsmuscheln waren süßlich und buttrig, der Kaviar nicht salzig und nicht fischig, eher nussig und ganz leicht würzig, die Kartoffel und der Kressesud erden das Gericht ein bisschen.
Mein Hauptgang war Dos de sole braisé au vin jaune, effeuillée de choux de Bruxelles et truffe blanche. Auf dem Teller hatte ich zwei Seezungenfilets (aus einer Seezunge von stattlichen 2 Kilogramm) als Sandwich und in der Mitte eine Farce aus irgendetwas von der Seezunge. Darauf gerollt größere Mengen weißer Albatrüffel in einer interessanten Variante, nämlich mit rostrotem Rand. Laut unserem Kellner kommt das daher, dass genau diese Knolle neben einer Weide wuchs. Die Farbe des Baumes beeinflusse stark die Randfarbe der Trüffel. Ein paar recht englisch gegarte Rosenkohlblätter auf einem Rosenkohlmus in der Mitte und die Vin Jaune Sauce kommen dazu. Auch hier war die Kombination wieder himmlisch mit nur einer Ausnahme: die Trüffel waren besser zum so essen, da sie so subtil waren, dass sie in Kombination mit der Vin Jaune Sauce etwas untergingen. Ein sehr luxuriöses Gericht voller allerbester Zutaten.
Frau rocco durfte sich mit Fricassée de homard aux châtaignes et potimarron, sauce diable vergnügen, das erneut in einer gigantischen Portion aufgetischt wurde. Ein sehr herbstliches Hummergericht, das aber in sich sehr stimmig war und erneut durch brillante Produktqualität bestach. Auch die Kleinigkeiten wie der Kürbis waren von absoluter Referenzqualität.
Käse mussten wir leider auslassen, da nicht mehr viel ging. Auch ein Dessert ging eigentlich nicht mehr, aber unser Kellner überredete mich zu dem berühmten Schokoladenkuchen des Hauses (Tarte sablée au cacao amer, glace à la vanille Bourbon). Frau rocco kriegte, weil der Kellner traurig war, dass sie kein Dessert bestellen wollte, noch eine halbe Portion gratis oben drauf. Der Kuchen ist der Wahnsinn, luftig, leicht, hier knusprig, da weich, ultrafein im Geschmack. Auch das Vanilleeis ist wunderbar, sehr vanillig, aber nicht übertrieben vanillig. Das Gericht ist völlig einfach, ein Stück Kuchen und eine Kugel Eis. Das war's. Kein Minzblättchen, kein Fruchtklecks, nur Kuchen und Eis. Wer im *** Restaurant so ein simples Gericht auftischt, muss überzeugt davon sein, dass es für sich brillant ist. So einfach ist das und so wenig trauen sich trotzdem viele Restaurants ihre Teller zu.
Für die Mignardises war dann leider wirklich kein Platz mehr. Für uns war es ein ganz toller Restaurantbesuch, der mir sicher sehr lange in Erinnerung bleiben wird. Ich werde auf jeden Fall auch wieder hingehen, noch andere Gerichte probieren, vielleicht nach halben Portionen fragen. Schön ist auch das Gefühl, nicht nur ein Restaurant in einer Liste "abgearbeitet" zu haben, sondern einen tollen Abend gehabt zu haben, der durchaus nach Wiederholung verlangt. Nur das mit dem Wein bereitet mir wirklich größere Probleme im L'Ambroisie.
Am Abend dann vor dem Restaurant zu stehen und sich mal nicht zu sagen "hätte ich doch reserviert", sondern eintreten zu können, hatte etwas Erhabenes. Obwohl es eher spät war (kurz vor 21 Uhr) war der hintere Raum, in den wir gebracht wurden, leer und wir hatten schon Sorge, den ganzen Abend alleine in dem großen Saal zu sitzen. Mit der Zeit füllte sich auch dieser Saal jedoch. Ein kleiner Gugelhupf aus Paprika und Parmesan wird gebracht. Buttrig und ziemlich lecker. Madame bekam die "Gästekarte" ohne Preise, ich die mit. Die Preise hatte ich mir schlimmer vorgestellt. Unser sehr, sehr netter Kellner wies uns schon darauf hin, dass wir nicht mehr als zwei Gänge (+ evtl. Käse und Dessert) bestellen sollten. Selbst wenn man sich bei der Bestellung nicht total zurückhält, bleibt man so noch halbwegs im Rahmen. Bei der Bestellung sind die Hinweise des Kellners sehr hilfreich, der einem Kombinationsempfehlungen gibt, vor eigenen Wünschen warnt (Vorspeise und Hauptgericht sind zu ähnlich vom Typ her) und die saisonalen Gänge empfiehlt.
Was beim Essen noch geht, bleibt beim Wein leider auf der Strecke. So eine krass teure Weinkarte wie im Ambroisie habe ich noch nicht gesehen. Unter ca. 130/140 Euro braucht man kaum zu suchen (und bekommt dafür z.B. einen Pouilly-Fuissé eines zweitklassigen Erzeugers), Weine wie der Meursault von Coche Dury, die woanders schon mit "Winzerbonus" kalkuliert sind, sind hier mit dreifachem Winzerbonus kalkuliert (aktueller Jahrgang: 410 Euro

Nachdem wir die Wahl getroffen hatten, kamen die Amuses Gueules. Hier kriegt wohlgemerkt jeder Tisch etwas anderes, nämlich eine kleine Version eines anderen Gerichts, das man selbst nicht à la carte bestellt hat. In unserem Fall war das jeweils ein Hühnerei mit großzügig weißer Albatrüffel und einem Stick gebutterten Toasts. Ausgezeichnet, süffig, trüffelig, buttrig.
Ich startete mit Feuillantine de langoustines aux graines de sésame, sauce au curry, einem Klassiker des Hauses. Das war mindestens so gut, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ein Türmchen aus Spinat, einer Scheibe hauchdünnem Sesamcracker, drei enorm dicken Kaisergranaten, nochmal Spinat und noch einem Sesamcracker liegt in der Mitte und die Currysauce wird dazu angegossen. Die Kaisergranate waren vorzüglich, glasig gegart, intensiv und unglaublich fein im Geschmack. Das Gericht lebt aber von der Kombination aus Kaisergranat, Spinat, Sesamcracker und Sauce. Erst mit allem auf der Gabel entfaltet sich die gesamte Komplexität dieses Gerichts. Ein Gänsehautmoment. Einziger Wermutstropfen: es ist eine wirklich große Portion und wenn man sich Zeit nimmt, verliert das Gericht an Temperatur, wodurch die erste Magie ein wenig verloren geht. Das galt auch bei anderen Gängen.
Kurz bei Frau rocco probiert habe ich Melba de noix de Saint-Jacques au caviar golden, coulis de cresson. Ein Kreis Kartoffelpüree, darauf drei Jakobsmuscheln, auf jeder eine großzügige Nocke Caviar Golden und angegossen ein Kressesud. Von der Anrichtung und Komposition war das Gericht sehr ähnlich wie das Kaisergranatgericht. Und wirkte ähnlich simpel. Erst mit allen Zutaten auf der Gabel wird das Gericht zu etwas ganz besonderem. Die Jakobsmuscheln waren süßlich und buttrig, der Kaviar nicht salzig und nicht fischig, eher nussig und ganz leicht würzig, die Kartoffel und der Kressesud erden das Gericht ein bisschen.
Mein Hauptgang war Dos de sole braisé au vin jaune, effeuillée de choux de Bruxelles et truffe blanche. Auf dem Teller hatte ich zwei Seezungenfilets (aus einer Seezunge von stattlichen 2 Kilogramm) als Sandwich und in der Mitte eine Farce aus irgendetwas von der Seezunge. Darauf gerollt größere Mengen weißer Albatrüffel in einer interessanten Variante, nämlich mit rostrotem Rand. Laut unserem Kellner kommt das daher, dass genau diese Knolle neben einer Weide wuchs. Die Farbe des Baumes beeinflusse stark die Randfarbe der Trüffel. Ein paar recht englisch gegarte Rosenkohlblätter auf einem Rosenkohlmus in der Mitte und die Vin Jaune Sauce kommen dazu. Auch hier war die Kombination wieder himmlisch mit nur einer Ausnahme: die Trüffel waren besser zum so essen, da sie so subtil waren, dass sie in Kombination mit der Vin Jaune Sauce etwas untergingen. Ein sehr luxuriöses Gericht voller allerbester Zutaten.
Frau rocco durfte sich mit Fricassée de homard aux châtaignes et potimarron, sauce diable vergnügen, das erneut in einer gigantischen Portion aufgetischt wurde. Ein sehr herbstliches Hummergericht, das aber in sich sehr stimmig war und erneut durch brillante Produktqualität bestach. Auch die Kleinigkeiten wie der Kürbis waren von absoluter Referenzqualität.
Käse mussten wir leider auslassen, da nicht mehr viel ging. Auch ein Dessert ging eigentlich nicht mehr, aber unser Kellner überredete mich zu dem berühmten Schokoladenkuchen des Hauses (Tarte sablée au cacao amer, glace à la vanille Bourbon). Frau rocco kriegte, weil der Kellner traurig war, dass sie kein Dessert bestellen wollte, noch eine halbe Portion gratis oben drauf. Der Kuchen ist der Wahnsinn, luftig, leicht, hier knusprig, da weich, ultrafein im Geschmack. Auch das Vanilleeis ist wunderbar, sehr vanillig, aber nicht übertrieben vanillig. Das Gericht ist völlig einfach, ein Stück Kuchen und eine Kugel Eis. Das war's. Kein Minzblättchen, kein Fruchtklecks, nur Kuchen und Eis. Wer im *** Restaurant so ein simples Gericht auftischt, muss überzeugt davon sein, dass es für sich brillant ist. So einfach ist das und so wenig trauen sich trotzdem viele Restaurants ihre Teller zu.
Für die Mignardises war dann leider wirklich kein Platz mehr. Für uns war es ein ganz toller Restaurantbesuch, der mir sicher sehr lange in Erinnerung bleiben wird. Ich werde auf jeden Fall auch wieder hingehen, noch andere Gerichte probieren, vielleicht nach halben Portionen fragen. Schön ist auch das Gefühl, nicht nur ein Restaurant in einer Liste "abgearbeitet" zu haben, sondern einen tollen Abend gehabt zu haben, der durchaus nach Wiederholung verlangt. Nur das mit dem Wein bereitet mir wirklich größere Probleme im L'Ambroisie.
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