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Sterneküche - gestern und heute

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  • Sterneküche - gestern und heute

    Zitat von Schlaraffenland
    PS: Aber, geehrter rocco, die Künstler, die einen Stil gefunden haben, der sich gut verkauft und die mit kleinen Variationen darauf beharren , werden, nicht ganz zu Unrecht, von ihren suchenden und innovativen Kollegen mit teilweise schlimmen Worten aus dem Rotlichtmilieu belegt
    Ich kann mir denken, welches Wort gemeint ist. Fängt es mit H an?

    Noch einmal zum Thema Kartenvariation, Innovation, usw.: Ohne selber schon einmal im Belle Epoque gewesen zu sein (ich lese aber immer fleißig die QWERTZ'schen Berichte und hoffe, im Juni dabei sein zu können), ist QWERTZ vielleicht die nicht ganz so große Variation im Menu im Vergleich zu den letzten Menus deshalb aufgefallen, weil sie vorher laufend deutlich größer war?

    In diesem Zusammenhang hätte ich auch eine Frage an die erfahrenen Sternerestaurantszenekenner hier im Forum. Waren die Köche, die heute gemeinhin eher in die Klassik-Ecke gesteckt werden (Wohlfahrt, Thieltges, Winkler z.B.), in ihren jüngeren Jahren in ihrem Kochstil eigentlich draufgängerischer als sie das heute waren - jeweils verglichen mit den damals eher konservativeren Köchen? Oder kann man das gar nicht vergleichen, weil vor 20 Jahren einfach allgemein "nur" klassisch französisch mit Nouvelle-Cuisine Einfluss gekocht wurde?

  • #2
    Zitat von rocco
    Waren die Köche, die heute gemeinhin eher in die Klassik-Ecke gesteckt werden (Wohlfahrt, Thieltges, Winkler z.B.), in ihren jüngeren Jahren in ihrem Kochstil eigentlich draufgängerischer als sie das heute waren - jeweils verglichen mit den damals eher konservativeren Köchen? Oder kann man das gar nicht vergleichen, weil vor 20 Jahren einfach allgemein "nur" klassisch französisch mit Nouvelle-Cuisine Einfluss gekocht wurde?
    Das ist eine interessante Frage, werter rocco, die eigentlich einen eigenen Thread wert wäre (deshalb, sorry, OT! Kann gerne verschoben werden!).

    Da ich die wichtigen Dinge im Leben aufschreibe, habe ich mal nachgeschaut:

    Heinz Winkler 1992: Krebsschwänze auf Salat mit Pfifferlingen, Lachs-Dukaten auf Lauch mit Balsamico, St.Pierre in der Kartoffelkruste mit Steinpilzen, Rehmedaillon auf Wirsing mit Specklinsen.

    Tantris 1993: Salat vom Saibling auf Gurken-Carpaccio, Kalbsbries mit geschmolzenen Tomaten, Steinbutt mit Pfifferlingen.

    Wohlfahrt 1994: Offener Raviolo mit Ragout von Kalbsbries und Pfifferlingen, Wolfsbarsch mit provencalischem Gemüsefächer, Topfenknödel auf Kirschragout.

    Alles nicht wirklich draufgängerisch, aber zu dieser Zeit sicherlich nicht alltäglich und vor allem in hervorragender Qualität und perfekter Zubereitung.

    Mit besten Grüßen, Merlan

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    • #3
      Zitat von merlan
      Heinz Winkler 1992: Krebsschwänze auf Salat mit Pfifferlingen, Lachs-Dukaten auf Lauch mit Balsamico, St.Pierre in der Kartoffelkruste mit Steinpilzen, Rehmedaillon auf Wirsing mit Specklinsen. Tantris 1993: Salat vom Saibling auf Gurken-Carpaccio, Kalbsbries mit geschmolzenen Tomaten, Steinbutt mit Pfifferlingen. Wohlfahrt 1994: Offener Raviolo mit Ragout von Kalbsbries und Pfifferlingen, Wolfsbarsch mit provencalischem Gemüsefächer, Topfenknödel auf Kirschragout.
      Über solche Details aus alter Zeit bin ich wirklich dankbar. Vielleicht sollten die alten Hasen hier im Forum mal auspacken, was sie in den 70er, 80er und 90ern in der Gastronomie so alles erlebt haben. In einem 80er-Kochbuch, das ich neulich abgekupfert habe, stehen folgende hübsche Bildunterschriften (die Bilder selbst sind übrigens noch hübscher - vor allem das von Vincent Klink mit Querflöte):

      "Kochte dies feine Erbspüree: Wilhelm Brunner vom RITTER in Durbach."
      "Hans-Peter Wodarz, DIE ENTE VON LEHEL, kreierte mit Wirsing und Morcheln gefüllte Hafermaultaschen."
      "Johann Lafer, LE VAL D'OR, hat dies Omelett mit Mais und Sojasprossen entwickelt."
      "Kreierte dies feine Kürbiskern-Soufflé: Christian Begyn, Chefkoch in Franz Kellers SCHWARZEM ADLER".
      "Kichererbsen und Vollwertiges sind Neuland für Heinz Winkler, TANTRIS."
      "Heinz Wehmann vom LANDHAUS SCHERRER kochte Mais mit Mungokeimen auf Tomaten-Concassée."

      Das sind, wohlgemerkt, keine Gerichte aus den Restaurants, sondern Kreationen für dieses spezielle Kochbuch.

      Grüße, mk

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      • #4
        Eine ähnliche Thematik hatten wir ja bereits einmal unter dem Titel "meine ersten ***/kulinarischen Erfahrungen".

        Dort hatte ich einmal über einen Kabeljau im Reisblatt geschrieben. Aubergine München, 1986. Ich war elf, fand das aber den absoluten Hammer.
        Gerne erinnere ich mich auch an einen Familienbesuch in Ravensburg bei A. Bouley, keiner außer mir (dann schon 18) mochte die Algen im Menue, man fand das ein wenig kurios, um nicht zu sagen bizarr

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        • #5
          Zitat von rocco
          Waren die Köche, die heute gemeinhin eher in die Klassik-Ecke gesteckt werden (Wohlfahrt, Thieltges, Winkler z.B.), in ihren jüngeren Jahren in ihrem Kochstil eigentlich draufgängerischer als sie das heute waren - jeweils verglichen mit den damals eher konservativeren Köchen?
          Ich glaube, dass die genannten Köche, die "heute eher in die Klassik-Ecke gesteckt werden", auch damals schon "Klassiker" und nicht Avantgarde waren, man hat sie nur noch nicht so bezeichnet. Für deutsche Verhältnisse waren sie durchaus innovativ, orientierten sich aber im Wesentlichen an der französischen Küche mit ihren Nouvelle-cuisine-Erkenntnissen; als "Klassik" bezeichnete man in dieser Zeit eher das, was in Frankreichs Traditionrestaurants serviert wurde (F.Point: "Du beurre, du beurre, du beurre"!).

          Die Avantgarde jener Zeit waren Leute wie Albert Bouley und Doris Katharina Hessler mit ihrer asiatisch bzw. vollwertig inspirierten Küche, aber auch Schubeck, der die regionale Küche verfeinerte und damit salonfähig machte. Unvergessen auch ein Koch wie Ingo Holland, der in seinem "Winzerstübchen" den legendären "Kartoffel-Ziegenkäse-Knödel mit Tannenwipfelgelee" auf die Teller brachte. Das war die Zeit, als Vincent Moissonnier und Eric Menchon in Köln die "Küche gegen die Langeweile" postulierten und bis heute damit Erfolg haben; "Kaninchenfilet in Koriander gebraten mit Gemüsetarte in Knoblauch-Thymian-Honigcreme" würde ich auch heute noch bestellen und als "modernes" Gericht durchgehen lassen.

          Kochen denn die heute als "Klassiker" bezeichneten Köche noch so wie früher? Ein klares "Nein"! Selbstverständlich haben sie sich weiterentwickelt und nehmen die aktuellen Einflüsse auf, aber eben sehr behutsam und mit klassischen Mitteln. Wenn Winkler heute ein "Carpaccio vom Thunfisch mit Limonen-Ingwervinaigrette" serviert, dann ist er mit seiner Interpretation durchaus auf der Höhe der Zeit, setzt aber keinen überraschenden Akzent, der die Avantgarde vielleicht reizen würde. Auch einen "Steinbutt in einer Bisque mit Topinambur, Erbsen und Blumenkohl" würde man sicherlich nicht als draufgängerisch bezeichnen, genießt aber die vertrauten Geschmacksbilder und die überragende Qualität der Produkte und des Handwerks.

          Frage beantwortet, werter rocco?

          Beste Grüße, Merlan

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          • #6
            Zitat von merlan
            aber auch Schubeck, der die regionale Küche verfeinerte
            Ach ja, unvergessen "Saure Zipfel" als Amuse, damals noch gueule, in Waging am See...

            S.

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            • #7
              Zitat von Sphérico
              Ach ja, unvergessen "Saure Zipfel" als Amuse, damals noch gueule, in Waging am See...
              Ein sog. "Mongdratzerl", wenn ich recht erinnere.

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              • #8
                "damals noch gueule" - tja, werter Sphérico, die politische und korrekte Abgeschliffenheit, die dafür sorgen wird, daß es irgendwann nicht mehr Bettseucher, sondern Löwenzahnsalat heißen wird, Hagebutte, heißt das, nicht Arschkratzer, mal sehen, wie die Italiener ihren Culatello nennen werden ...
                Zum Thema: meine 70ger-80ger- Erinnerungen, wertes Mohnkalb, - zumal meine 70er eher einfältiger Natur waren - liegen nur noch in mündlicher/zunehmend verklärter Art, bereit.
                Von vor zwanzig Jahren hätte ich aber noch folgendes Menü zu bieten:
                Salatbouquet mit jungen Bohnen und gebeizten Gänseleberscheiben in Pinienvinaigrette --- Kartoffelcrêpes mit Lachs und Imperialkaviar auf Limonenbutter --- Gratin vom bretonischen Hummer mit grünen Spargelspitzen --- Rehmedaillon an Pfefferrahmsauce mit sautierten Pfifferlingen --- Käse vom Wagen --- Gratin von Himbeeren auf weißem Schokoladeneis --- Passionsfruchttarte mit zweierlei Sorbets
                1990 Schloß Saarsteiner Riesling Spätlese --- Châteauneuf-du-Pape Vielle Vigne Beaucastel --- 1985 Corton Domaine Rapet --- 1982 Châteu Pichon-Lalande
                Juni/1983 TraubeTonbach

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                • #9
                  Zitat von Schlaraffenland
                  Juni/1983 TraubeTonbach
                  20 oder 30 Jahre?

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                  • #10
                    Pardon, Juni 1993, also zwanzig

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                    • #11
                      Die Weinbegleitung war also auch schon damals akzeptabel....

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                      • #12
                        Ich denke schon, dass manche der heutigen Klassiker damals zu Recht eher der Avantgarde zugeordnet wurden.
                        Ich erinnere mich noch gut wie ich lechzend vor dem neuen Gourmetmagazin sass und auf die Falsche Prinzregententorte und die Meeresfruechteweisswurst von Otto Koch starrte. Das war schon cuting edge. Und heute nennt der Gusto das dann "museal" (schmecken tut es trotzdem auch wenn der aha Effekt natuerlich nicht mehr der gleiche ist).

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                        • #13
                          Na, dann steuere ich doch noch ´was aus dem Jahr 1980 bei:

                          Aubergine***, München

                          - Tatar mit Wachelspiegelei
                          - Gänseleberparfait mit kleinem Salat
                          - Jakobsmuschel auf Gemüsebeet
                          - Seeteufel an beurre rouge mit Brokkoli
                          - Orangensorbet
                          - Kaninchen auf Blattspinat
                          - Rehfilei in Armagnac-Sauce
                          - Käse vom Brett
                          - Dessertteller "Duchesse"

                          Ja, ja, das war die Zeit als Witzigmann der Gottvater der nouvelle cuisine in Deutschland war und z.B. die Brüder Troigros in Roanne ihren "Lachs in Sauerampfersauce" rauf und runter gekocht haben. Schön und aufregend war´s!

                          Beste Grüße, Merlan

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                          • #14
                            Ja das waren noch Zeite, hier die Speisekarte von unseren Besuch 1981 bei Eiermann.

                            Klicke auf die Grafik für eine vergrößerte Ansicht

Name: 1980 Friedrichsruhe Innen.jpg
Ansichten: 1
Größe: 78,2 KB
ID: 48147

                            Siehe auch hier.http://speisekarten.wordpress.com/

                            Gruß Calvados

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                            • #15
                              Oh, wie schön, werter calvados, Sie sind ja auch so ein Sammler!

                              Wenn ich die Speisekarte mit der Widmung von Lothar Eiermann sehe, erinnere ich mich wieder daran, wie aberwitzig wir es fanden, dass er ständig durchs Restauarnt hetzte, um alle Gäste in den Genuss seines Autogramms kommen zu lassen. Er gehörte in den 80ern schon zur absoluten Spitze in Deutschland, war aber einer mit Ecken und Kanten, der auch nicht davor zurückschreckte, sich mit dem Michelin anzulegen, als er ihm später den zweiten Stern entzog. Kulinarisch denke ich aber gerne an Eiermanns "Hohenloher Täubchen mit Lauch-Trüffelgratin" zurück. Formidabel! Interessant fand ich auch, dass er damals schon einen speziellen Käsegang statt einer Käseauswahl servierte: "Morbier mit Chicoréesalat".

                              Beste Grüße, Merlan

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