Werte Gourmets,
als Komplement zu Sphéricos Thread über private Weihnachtsmenüs eröffne ich dieses Thema zu Weihnachts- und Silvester-Menüs 2009 in der Sterne- Gastronomie.
Vielleicht bekommen wir zusammen einen kleinen Querschnitt zustande, wie Sterneköche aktuell ein Festtagsmenü interpretieren.
Ich starte selber mit Steinheuers Weihnachtsmenü I vom 2. Weihnachtsfeiertag:
Kleine Appetizer zum Apéritif:
Jahrgangssardine mit Sardellencrème und Staudensellerie
Topinambur mit Kaninchenniere und Senföl
Cotta mit Herzmuschelsud und Knoblauchkresse
*
Amuse gueule:
Schweinerei mit Grünkohl, Rahmsauerkraut und Pürée
( Bauch, Schulter, krosse Blutwurst)
***
Gebratener Kaisergranat mit Taschenkrebstartar, Orangengelée,
Fingerlimes und gebackener Bisque
*
Vol-au-vent mit Sot l´y laisse, Froschschenkel, grünem Spargel und Enoki-Pilzen
*
Saint Pierre-Filet mit Chicorée mit geröstetem Pulpo
*
Feines vom Laacher See Aal und Hecht im Kürbis-Karottensud
*
Entrecôte vom Rhön-Ochsen und Rippe im Duccaaromaöl gegart
*
Robbiola Tris mit schwarzem Trüffel
*
Pré-Dessert: Punschpraline mit Clementinen und Kardamomcrème
*
Meringue mit geeistem Schmorapfelsud, Christstollensoufflée und Eis von kandierten Winterfrüchten
***
Patisseries: Pralinen mit Cognac, Brandy, Whisky
Alles in allem ein tolles Menü von enormer Tiefe und Komplexität der einzelnen Gänge ohne nennenswerte Schwächen an schön eingedeckten weihnachtlichen Tischen!
Fast jeder Gang des 7-Gänge-Menüs (zum Preis von € 159) bestand wiederum aus 7 unterscheidbaren Bestandteilen, die ihrerseits natürlich in der Zubereitung mit weiteren Zutaten in Kontakt gewesen waren.
So befanden sich z.B. beim ersten Gang zusätzlich zum gebratenen Kaisergranat, dem Taschenkrebstartar, dem Orangengelee, der Fingerlimescreme und der gebackenen Bisque noch ein nicht genanntes Erbsencoulis und sehr aromatische grüne Spitzen einer Erbsenpflanze auf dem Teller. Alleine diese Komplexität so harmonisch zu vereinen war schon eine Meisterleistung!
Die Zahl 7 ist ja nicht nur eine magische Zahl der Menschheit, sondern auch die durch empirische Untersuchungen festgestellte Obergrenze des menschlichen Kurzzeitgedächtnisses. Das bedeutet, dass wir beim Genuss jeden Ganges nicht nur geschmacklich voll gefordert waren, sondern auch kognitiv überaus stark angeregt wurden, um die Vielzahl von Genüssen in ihrer Kombinationswirkung zu verarbeiten.
Die besondere Stärke Steinheuers als Meister der leisen Töne kam deutlich beim Saint Pierre-Filet mit Chicorée und geröstetem Pulpo zur Geltung: der an sich nicht besonders aromastarke Fisch wurde durch die leicht säuerlich-bittere Note des Chicorée und die Röstaromen des Pulpo wunderbar in seinem feinen Eigengeschmack kontrastiert.
Die totale Ausgewogenheit des gesamten Menüs lässt sich vielleicht am einfachsten dadurch belegen, dass von den fünf "Hauptgängen" in einer geheimen Abstimmung tatsächlich jeder einzelne von je einer der fünf anwesenden Gourmets als persönlicher Favorit gewählt wurde!
Im Vergleich zu einem Besuch bei Hans-Stefan Steinheuer vor ca. 3 Jahren muss ihm eine ganz klar erkennbare Steigerung seiner Kochkunst attestiert werden. Nicht nur die Komplexität der verwendeten Aromen hat zugenommen, auch neue Elemente der kochtechnischen Zubereitung finden Verwendung: so wurden in verschiedenen Gängen "Verpackungstechniken" angewendet, wie man sie aus der sogenannten molekularen Küche kennt, am deutlichsten vielleicht in der luftigen, schaumigen Meringue mit geeistem Schmorapfelsud (köstlich!) und im Prédessert mit der Punsch-Praline.
An Weinen begleitete uns ein phantastischer 2001er Scharzhofer Riesling von Egon Müller sowie anschließend ein sehr guter 2004er Recher Herrenberg von Stodden an der Ahr, der allerdings einem vor kurzem verkosteten 2005er deutlich nachstand. Zum Dessert gab's dann noch eine Auslese von Kracher.
Die kleinen Schwächen sollen auch nicht verschwiegen werden:
- die kleinen Appetizer wiesen leider schon Trocknungsmerkmale vom langen Stehen in der Küche auf, insbesondere die Nierenstückchen
- die Trüffelscheibchen in den drei unterschiedlichen Zubereitungen des Robbiola-Käses stammten mit ziemlicher Sicherheit nicht von frischem Trüffel, so fad und geschmacksschwach wie sie nicht gegen den kräftigen Käse ankamen
- der Service wirkte in der ersten Schicht nach der langen Weihnachtspause noch etwas fahrig und unkoordiniert, was u.a. im häufigen Fallenlassen von Bestecken und dem slapstickreifen unkoordinierten Heben der Cloches zum Ausdruck kam
Insgesamt jedoch war die Stimmung hervorragend, nicht nur an unserem Tisch, sondern im gesamten Restaurant, dessen Tische alle besetzt waren (vielleicht waren die Tische alle besetzt, weil bei der Reservierung die Kreditkartennummer abgefragt worden war?).
Es war ein wunderschönes Festtagserlebnis, für das man sich nicht genug bedanken kann!
als Komplement zu Sphéricos Thread über private Weihnachtsmenüs eröffne ich dieses Thema zu Weihnachts- und Silvester-Menüs 2009 in der Sterne- Gastronomie.
Vielleicht bekommen wir zusammen einen kleinen Querschnitt zustande, wie Sterneköche aktuell ein Festtagsmenü interpretieren.
Ich starte selber mit Steinheuers Weihnachtsmenü I vom 2. Weihnachtsfeiertag:
Kleine Appetizer zum Apéritif:
Jahrgangssardine mit Sardellencrème und Staudensellerie
Topinambur mit Kaninchenniere und Senföl
Cotta mit Herzmuschelsud und Knoblauchkresse
*
Amuse gueule:
Schweinerei mit Grünkohl, Rahmsauerkraut und Pürée
( Bauch, Schulter, krosse Blutwurst)
***
Gebratener Kaisergranat mit Taschenkrebstartar, Orangengelée,
Fingerlimes und gebackener Bisque
*
Vol-au-vent mit Sot l´y laisse, Froschschenkel, grünem Spargel und Enoki-Pilzen
*
Saint Pierre-Filet mit Chicorée mit geröstetem Pulpo
*
Feines vom Laacher See Aal und Hecht im Kürbis-Karottensud
*
Entrecôte vom Rhön-Ochsen und Rippe im Duccaaromaöl gegart
*
Robbiola Tris mit schwarzem Trüffel
*
Pré-Dessert: Punschpraline mit Clementinen und Kardamomcrème
*
Meringue mit geeistem Schmorapfelsud, Christstollensoufflée und Eis von kandierten Winterfrüchten
***
Patisseries: Pralinen mit Cognac, Brandy, Whisky
Alles in allem ein tolles Menü von enormer Tiefe und Komplexität der einzelnen Gänge ohne nennenswerte Schwächen an schön eingedeckten weihnachtlichen Tischen!
Fast jeder Gang des 7-Gänge-Menüs (zum Preis von € 159) bestand wiederum aus 7 unterscheidbaren Bestandteilen, die ihrerseits natürlich in der Zubereitung mit weiteren Zutaten in Kontakt gewesen waren.
So befanden sich z.B. beim ersten Gang zusätzlich zum gebratenen Kaisergranat, dem Taschenkrebstartar, dem Orangengelee, der Fingerlimescreme und der gebackenen Bisque noch ein nicht genanntes Erbsencoulis und sehr aromatische grüne Spitzen einer Erbsenpflanze auf dem Teller. Alleine diese Komplexität so harmonisch zu vereinen war schon eine Meisterleistung!
Die Zahl 7 ist ja nicht nur eine magische Zahl der Menschheit, sondern auch die durch empirische Untersuchungen festgestellte Obergrenze des menschlichen Kurzzeitgedächtnisses. Das bedeutet, dass wir beim Genuss jeden Ganges nicht nur geschmacklich voll gefordert waren, sondern auch kognitiv überaus stark angeregt wurden, um die Vielzahl von Genüssen in ihrer Kombinationswirkung zu verarbeiten.
Die besondere Stärke Steinheuers als Meister der leisen Töne kam deutlich beim Saint Pierre-Filet mit Chicorée und geröstetem Pulpo zur Geltung: der an sich nicht besonders aromastarke Fisch wurde durch die leicht säuerlich-bittere Note des Chicorée und die Röstaromen des Pulpo wunderbar in seinem feinen Eigengeschmack kontrastiert.
Die totale Ausgewogenheit des gesamten Menüs lässt sich vielleicht am einfachsten dadurch belegen, dass von den fünf "Hauptgängen" in einer geheimen Abstimmung tatsächlich jeder einzelne von je einer der fünf anwesenden Gourmets als persönlicher Favorit gewählt wurde!
Im Vergleich zu einem Besuch bei Hans-Stefan Steinheuer vor ca. 3 Jahren muss ihm eine ganz klar erkennbare Steigerung seiner Kochkunst attestiert werden. Nicht nur die Komplexität der verwendeten Aromen hat zugenommen, auch neue Elemente der kochtechnischen Zubereitung finden Verwendung: so wurden in verschiedenen Gängen "Verpackungstechniken" angewendet, wie man sie aus der sogenannten molekularen Küche kennt, am deutlichsten vielleicht in der luftigen, schaumigen Meringue mit geeistem Schmorapfelsud (köstlich!) und im Prédessert mit der Punsch-Praline.
An Weinen begleitete uns ein phantastischer 2001er Scharzhofer Riesling von Egon Müller sowie anschließend ein sehr guter 2004er Recher Herrenberg von Stodden an der Ahr, der allerdings einem vor kurzem verkosteten 2005er deutlich nachstand. Zum Dessert gab's dann noch eine Auslese von Kracher.
Die kleinen Schwächen sollen auch nicht verschwiegen werden:
- die kleinen Appetizer wiesen leider schon Trocknungsmerkmale vom langen Stehen in der Küche auf, insbesondere die Nierenstückchen
- die Trüffelscheibchen in den drei unterschiedlichen Zubereitungen des Robbiola-Käses stammten mit ziemlicher Sicherheit nicht von frischem Trüffel, so fad und geschmacksschwach wie sie nicht gegen den kräftigen Käse ankamen
- der Service wirkte in der ersten Schicht nach der langen Weihnachtspause noch etwas fahrig und unkoordiniert, was u.a. im häufigen Fallenlassen von Bestecken und dem slapstickreifen unkoordinierten Heben der Cloches zum Ausdruck kam
Insgesamt jedoch war die Stimmung hervorragend, nicht nur an unserem Tisch, sondern im gesamten Restaurant, dessen Tische alle besetzt waren (vielleicht waren die Tische alle besetzt, weil bei der Reservierung die Kreditkartennummer abgefragt worden war?).
Es war ein wunderschönes Festtagserlebnis, für das man sich nicht genug bedanken kann!
Kommentar