Boathouse Hamburg (geschlossen)

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  • Schink
    Gourmet aus Leidenschaft
    • 10.06.2009
    • 480

    Boathouse Hamburg (geschlossen)

    Das neue Restaurant von Thomas Macyszyn. Ein tolles Konzept, einmal ein casual Bereich und dann den Chef`s Table mit einem fine dining Konzept. Beide Speisekarten sind ansprechend und auch die Gerichte des casual Bereich sahen super lecker aus. Am Chef`s Table ein tolles Menü, die Gerichte auf wenige Komponenten reduziert, tolle Grundprodukte und geschmacklich überzeugend.
    1. Auster, Räucher-Vinaigrette, Beurre Blanc: wunderbar frische Auster
    2. Kabeljau Ceviche, Quinoa: dünn geschnittenes Kabeljaufilet mit leicht zitronig scharfer Note und nussigen Akzenten durch den Quinoa
    3. Sardine, Tomate, Rosinen-Gremolata: super Kombination, die Sardine lag auf einer eckig zugeschnittenen Brotscheibe, dazu ein Sud aus Tomate, die Säure der Tomate wurde durch die leichte Süsse der Rosinen sehr gut kompensiert
    4. Lachs, Kohle-Kartoffel, Sauerkraut: über dem Lachsfilet die gekohlten Kartoffeln, die durch diese Zubereitungsart rauchige Aromen dazu steuerte, interessant und hervorragend
    5. Avocado, Rucola, Taschenkrebs: ein wunderbar leckerer fein geschmackiger, cremiger Gang
    6. Tortelloni, Pfifferlinge, Kokos: einfach toll
    7. Black Cod, Parmesan, Artischocke: meditteran
    8. Schokolade, Rotkohl, Kaki: ein tolles herbstliches Dessert, Rotkohl und Schokolade harmonierten perfekt, die Kaki sorgte für fruchtige Akzente
    9. Zwetschge, Pistazie, Butterbrösel: dieses Dessert war noch besser, die Pistazie als Eis, einfach lecker
    Ein tolles Konzept, ein tolles Restaurant, ein tolles Menü, eine tolle Bereicherung für Hamburg.
    Zuletzt geändert von Schink; 10.10.2016, 09:09. Grund: Korrektur
  • HeikeMünchen
    Leidenschaftlicher Gourmet mit Profession
    Gourmet-Club Mitglied
    • 08.11.2013
    • 683

    #2
    Liebe Schink,

    ganz herzlichen Dank für den Bericht über ein brandneues Restaurant. Der Besuch hat sich ja sehr gelohnt. Selber hatte ich auch überlegt, am Tag nach The Table da hin zu gehen. Dann war ich aber ein bisschen gourmetmüde und bin einer Empfehlung von Jürgen 3D zum Chinesen gefolgt, das hat sich auch sehr gelohnt... Nun bin ich trotzdem etwas neidisch ...
    Zuletzt geändert von HeikeMünchen; 10.10.2016, 21:55.

    Kommentar

    • thomashaj
      Leidenschaftlicher Gourmet mit Profession
      Gourmet-Club Mitglied
      • 22.02.2016
      • 2191

      #3
      Zwischen dem zweiten und dritten Gang sind wir mit unseren, bis dahin noch unbekannten, Tischnachbarn am Chef's Table im lebhaften Gespräch. Zugegeben - etwas unfreiwillig, denn in einem Anflug größtmöglichen Ungeschicks habe ich das Sektglas meiner Nachbarin umgestoßen und neben diversen Scherben für eine weiträumige Überschwemmung gesorgt.

      Es ist davon auszugehen, dass die Idee des Chef's Table in Thomas Macyszyns "Boathouse", schon war, dass die Gäste miteinander ins Gespräch kommen, wenngleich wohl nicht unter diesen, zumindest für mich hochnotpeinlichen, Umständen. Aber ziemlich schnell hat sich die Aufregung gelegt, die betroffenen Gäste sind nicht erkennbar nachtragend und mit dem nächsten Gang ist man ohnehin wieder im kollektiven Genuss vereint.

      Wir sind im noblen Hamburger Stadtteil Eppendorf, wo Thomas Macyszyn im September 2016 sein eigenes Restaurant eröffnet hat. Davor hatten wir ihn zuletzt in Rüsselsheim erlebt, wo er sich bis 2015 im Restaurant "Navette" des Columbia-Hotels einen Namen gemacht hatte, einen Stern erkochte und vom "Gusto" als Koch des Jahres ausgezeichnet wurde - bis sich die Columbia-Kette von allen Gourmetrestaurants trennte. Nun war das vor allem als Businesshotel genutzte Haus in der nicht sonderlich attraktiven Opel-Stadt ohnehin eine seltsam deplatziert wirkende Bühne für die sehr elaborierte Küche Macyszyns und die schon damals notwendige Pendelei zwischen Hamburg und dem Rhein-Main-Gebiet für ihn vermutlich eher beschwerlich. Umso schöner, wenn auch nicht weniger riskant, dass es nun also Hamburg für das neue Projekt geworden ist. Schließlich ist hier an guten Restaurants nicht wirklich Mangel und das hanseatische Publikum vermutlich auch nicht immer leicht zu begeistern.

      Das Konzept ist einfach und doch auch wieder nicht. Fisch und Meeresfrüchte bestimmen hier das Programm. Daneben gibt es noch zwei, drei Fleischgänge. Auf der normalen Karte sind die Gerichte zum Teilen gedacht und sowohl à la carte als auch als Sharing Menü zu bestellen. Am Chef's Table, der für etwa 8 Personen quasi einen Logenplatz mit Blick in die offene Küche erlaubt, wird ein festes, überwiegend abweichendes Menü serviert.

      Zum Apéritif - wir gönnen uns ein Glas Krug Champagner, den es hier glasweise zu vergleichsweise erschwinglichem Kurs gibt - wird der erste Gang serviert, eine pochierte Auster stattlicher Größe mit Beurre Blanc Eis und einer Vinaigrette mit prägnantem, aber dennoch ganz fein austariertem Räucheraroma. Ein starker Auftakt!


      Auster pochiert / Räuchervinaigrette / Beurre Blanc-Eis

      Mit der Ceviche von der bretonischen Makrele wird der Stil deutlich, der sich wie ein roter Faden auch durch das weitere Menü ziehen wird: wenige Zutaten, Fokus auf dem Hauptdarsteller und eine markante flüssige Begleitung. Die Makrele ist von sehr guter Qualität, die Vinaigrette wird bestimmt durch die Süße der schwarzen Walnuss. Als Schärfekick etwas frisch geriebener Meerrettich - mehr nicht. Klingt einfach? Ist es aber nur vermeintlich, denn vor allem die Vinaigrette beschäftigt mich lange. Ich meine, etwas wie Waldmeister oder Sauerampfer herauszuschmecken und liege damit falsch. Aber auch, wenn ich es nicht herausbekomme: diese Vinaigrette ist überraschend, ungewöhnlich und sehr passend.


      Ceviche / Meerrettich / Schwarze Walnuss

      Ähnlich reduziert kommt der Hamachi, der ganz mit seiner Qualität glänzen soll. Nur leicht lauwarm wird er flankiert von wenigen fruchtigen Tupfen von Litchi und der fettigen Reichhaltigkeit einer sehr eleganten Nussbutter.


      Hamachi / Litchi / Nussbutter

      Mit dem nächsten Gang wird es verspielt. Die Avocado ist in hauchdünnen Scheiben kunstvoll zu einer Art Tasche geformt, die einem Dim Sum ähnelt und die mit einem frischen Salat vom Taschenkrebs gefüllt ist. Am Tisch angegossen wird ein Rucolasud. Die Kombination aus fettiger Avocado und frischem Krebsfleisch funktioniert gut. Erneut ist es der Sud, der dem Gericht den entscheidenden Twist verleiht.


      Avocado Dim Sum / Taschenkrebs / Rucola

      Deftig wird es bei der getauchten Jakobsmuschel von beeindruckender Größe, die scharf angebraten wird und auf einem Grünkohlpüree thront. Dazu wurde der Grünkohl norddeutsch klassisch zubereitet und dann zu einem Püree verarbeitet. Das führt dazu, dass ein klassisches Geschmacksbild, das man eher mit Bregenwurst, Kassler und Speck verbindet, in einen neuen, eleganteren Kontext gesetzt wird und dadurch eine interessante Spannung aufbaut.


      Jakobsmuschel / Grünkohl / Hollandaise

      Es folgt krosse Hühnerhaut, die genug Stabilität mitbringt, um quasi als Sandwichunterlage für zart gebratenen Pulpo und eine lauwarme Paprikasalsa zu dienen. Etwas Salzzitrone sorgt für dezente Säurespitzen. Mir gefällt die Kombination sehr gut, weil ich zum einen Hühnerhaut, als auch Pulpo sehr gerne mag. Lediglich die sogenannte Eatibility lässt ein wenig zu wünschen übrig, denn man muss schon die relativ großen Pulpostücke im ganzen abbeißen, sonst läuft man Gefahr, dass einem einzelne Bestandteile entgegenfallen. Und nach dem Sektglasunfall möchte ich nicht auch noch durch schlechte Essmanieren unangenehm auffallen...


      Pulpo / Hühnerhaut / Paprika

      Im nächsten Gang ist erneut die flüssige Begleitung das prägendste Element. Die Sauerkrautjus ist geschmackintensiv und hochkonzentriert, für mich eng an der Salzgrenze. Mein Mann empfindet das anders, ist aber ähnlich angetan von der Jus. Dazu gibt es Aal, der in Sojasauce mariniert war sowie das ausgekratzte Fleisch von verkohlten Kartoffeln. Beides hat hart gegen die Jus zu kämpfen. Die Grundidee des Gerichtes gefällt mir, aber bei Veränderung der Proportionen könnte der Aal besser bestehen. Eine frische Komponente würde zudem das sehr Dominante des Jus und die Kompaktheit von Fisch und Kartoffel etwas abpuffern - und könnte das Gericht vielleicht auch farblich etwas aufpeppen.


      Aal / Kohlekartoffel / Sauerkrautjus

      Beim finalen Fischgang, dem Black Cod in leichter Yuzu-Soja-Sauce und mit einigen marinierten Kohlrabischeiben wird es wieder deutlich leichter in der Gesamtaromatik. Hier ist der Fisch, auf den Punkt gegart, wieder der eindeutige Hauptdarsteller. Die Größe des ausgezeichneten Fischstückes hätte allerdings durchaus ein wenig mehr Gemüse als Beilage vertragen.


      Black Cod / Yuzu / Kohlrabi


      Den Abschluss des Menüs bildet ein Dessert, das eine Kaffir-Limetten-Creme mit einem Kokos-Küchlein und Passionsfruchteis kombiniert. Das ist lecker, wenn auch etwas brav.


      Kaffir-Limette / Kokos / Passionsfrucht

      Und als finales Dessert folgt noch ein Rhabarber Vermouth Sour mit einem Buttermilch-Espuma. Das ist säuerlich und erfrischend. Auf den Cracker aus karamellisierter Kondensmilch hätte ich allerdings verzichtet. Er hinterlässt ein eher klebriges Mundgefühl.


      Rhabarber Vermouth Sour / Buttermilch / Dulce de Leche

      Diese Kleinigkeit trübt aber natürlich nicht den Gesamteindruck eines spannenden Menüs. Nur Fisch funktioniert ausgezeichnet. Ich habe nichts vermisst und die Gerichte waren abwechslungsreich und teilweise sehr überraschend, vor allem durch die oft sehr prägnanten Jus.

      Stilistisch hat sich Thomas Macyszyn deutlich von den ausdekorierten Tellern seiner "Navette"-Zeit entfernt. Die Konzentration auf wenige Komponenten geht dabei allerdings nicht einher mit einer einfacheren Zubereitung. Die Gerichte schmecken bei aller optischen Simplizität häufig vielschichtig und komplex. Einhellig war die Meinung am Tisch allerdings, dass der Gemüseanteil durchaus etwas höher hätte sein können.

      Konzeptionell erinnert mich das Boathouse ein wenig an Tim Mälzers Off Club, wo im Hauptbereich auch leicht zugängliche Sharing-Gerichte serviert werden und im Madame X eine sehr produktfokussierte, raffiniertere Küche, die auch optisch ähnlich minimalistisch anmutet. Diese Ähnlichkeit ist, selbst wenn nicht beabsichtigt, nichts schlechtes. Mir hat es seinerzeit in beiden Bereichen im Off Club ausgezeichnet gefallen.

      Alleine um ein vollständiges Bild von der Küche des Boathouse zu bekommen, werde ich das nächste Mal im eigentlichen Restaurant reservieren. Vielleicht dann ja im Sommer auf der geplanten Terrasse mit Blick auf den Isebekkai. Und vielleicht bin ich dann ja auch so verwegen, sogar vom angeschlossenen Bootsverleih Gebrauch zu machen, den Thomas Macyszyn ebenfalls mitbetreibt.

      Zu wünschen ist ihm, dass sich das Abenteuer der Selbständigkeit für ihn auszahlt. Das Sharing-Konzept stimmt und sollte auch dauerhaft viele Gäste sichern, denn die Qualität ist überdurchschnittlich. Die Weinkalkulation ist allerdings relativ sportlich. Wenn man sich nicht nur auf die betuchte Eppendorfer Klientel verlassen will, sollte überlegt werden, den Bereich der Flaschenweine zwischen 30 und 40 Euro etwas stärker auszubauen.

      Unser Abend am Chef's Table hat, trotz des von mir zu Beginn verursachten Malheurs, viel Spaß gemacht. Dazu beigetragen hat der charmante Service, aber auch die netten Mitgäste, mit denen sich interessante Gespräche ergeben haben. Dass zu vorgerückter Stunde auch noch Birgit Wester, die ehemalige Restaurantchefin des "Navette", ins Boathouse kam und sich auch nach zwei Jahren noch an uns erinnerte, schlug dann eine schöne Brücke vom Seinerzeit ins Jetzt. Und um das Morgen mache ich mir nach diesem Besuch keine Gedanken.

      Bericht und sämtliche Bilder auch auf: http://tischnotizen.de/boathouse-hamburg/
      Angehängte Dateien
      Zuletzt geändert von QWERTZ; 25.05.2017, 15:20. Grund: Irgendwas findet sich doch anschließend immer...

      Kommentar

      • Sphérico
        Leidenschaftlicher Gourmet mit Profession
        • 04.12.2006
        • 1858

        #4
        Vielen Dank, lieber thomashaj, schöner Bericht !
        Wir sind Mitte Juli ein Wochenende in Hamburg. Da ich letztjährig bei Fehling war, ist nun Samstag Rüffer dran. Für Freitag schwanke ich für eine legerere Adresse noch zwischen Boathouse und Se7enOceans (nicht zu verwechseln mit Hausers Seven Seas, das dann wohl 2018).

        Kommentar

        • thomashaj
          Leidenschaftlicher Gourmet mit Profession
          Gourmet-Club Mitglied
          • 22.02.2016
          • 2191

          #5
          Lieber Sphérico!
          Im Se7en Oceans war ich noch nicht, kann daher nichts dazu sagen. Aber wenn es im Juli ist, kann ich mir vorstellen, dass ein Essen im Boathouse auch deshalb Spaß macht, weil man dann sehr schön auf der Terrasse mit Blick auf den Kanal sitzen kann. Leger ist es aber auf jeden Fall drinnen wie draußen!

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          • QWERTZ
            Moderator
            • 05.09.2008
            • 5089

            #6


            Zusammen mit meinen Eltern habe ich am Karfreitag am Chef‘sTable im Boathouse gespeist.
            Die Akustik im Restaurant ist seit der Eröffnung deutlich angenehmer, Thomas Macyszyn hat nämlich zu Tüten gerollte Filzplatten unter die Decke gehängt. Ansonsten ist das Ambiente unverändert sachlich geblieben. Der optische Mittelpunkt ist die offene Küche mit den blau-weißen Kacheln an der Wand, auf die man vom Chef’s Table aus einen guten Blick hat – allerdings nur im Blick. In Sprechweite zu den Köchen sind zwei Barplätze. Das Restaurant ist an diesem Abend vielleicht zu einem Drittel gefüllt, so dass die Atmosphäre insgesamt recht entspannt ist.
            In weiten Teilen ähnelt das Menü dem von thomashaj.
            Das Menü beginnt mit einer Brotauswahl, wobei mir ein Focaccia-ähnliches Brot am besten gefällt. Dazu gibt es eine Butter, die mit Olivenöl anreichert ist und daher einen merklichen olivenöl-scharfen Geschmack hat.


            Los geht’s dann mit AUSTER POCHIERT | RÄUCHERVINAIGRETTE |BEURRE BLANCEIS. Die Auster selbst ist von ausgezeichneter Qualität und ist ziemlich ausgewogen zwischen iodiger Frische und Nussigkeit. Die Räucheraromen habe ich anders als thomashaj eher als dezent empfunden. Vor allem der frische Geschmack und das Temperaturspiel mit dem Eis bestimmt für mich die Kombination mit der Auster. Durch die Kälte des Eises wirkt das Gericht noch frischer, als es von der Aromatik her ist. Das ist sehr gut gelungen.


            Bei der CEVICHE |MEERRETTICH | SCHWARZE WALNUSS muss ich mich erst einen Moment orientieren. Die Makrele ist geflämmt. Wenn ich sie mit zu wenig von dem Ceviche-Fond esse wirkt sie mir im dadurch Abgang eine Spur bitter. Mit einer größeren Menge des eher fruchtig-sauren Ceviche-Fond verschwindet dieser Eindruck sofort und es öffnet sich ein schöner Bogen von Aromen . Der Meerrettich ist bei uns nur dezent scharf und ist im Hintergrund dabei. Damit integriert er sich in den Fond, während sich die Nusssplitter eher auf die Seite der geflämmten Fischhaut schlagen. Das Gericht hat eine gewisse Kraft, wirkt aber durch den Fond leicht, frisch und komplex.


            HAMACHI | LITCHI |NUSSBUTTER
            muss man eher als Sashimi mit weiteren Aromen als Ergänzung sehen. Der Bauch des Hamachi ist von ganz hervorragender Qualität und hat eine tolle Textur. Die Kombination mit der Litchi ist ein fruchter Einsprengsel. Dazu liegt noch etwas eingelegter Rettich auf dem Fisch. Die Nussbutter ist nur ganz dezent mit einem Eigenschmeck wahrnehmbar. Wenn man es auf die Harmonie der Zutaten abgesehen hätte, müsste etwas mehr Litchi und Rettich auf dem Teller sein, aber hier geht es klar darum, das Produkt zu präsentieren und strahlen zu lassen. Das gelingt zu 100 Prozent.


            AVAOCADO DIM SUM | TASCHENKREBS | BÄRLAUCH ist schon ein Hingucker. In der spitz zulaufenden Rolle aus hauchdünnen und aromatisch nussigen Avocadoscheiben steckt etwas Taschenkrebs. Während der vorherige Gang klar das Produkt in den Mittelpunkt gestellt hat, geht es hier um diese Kombination, denn der Krebs ist nicht prägend für den Gang. Vor allem verbindet sich der feine nussige Avocado-Geschmack mit der vegetabilen Schärfe des Fonds. Wenn ich es richtige in Erinnerung habe, ist dieser kühl, während die Avocado leicht gewärmt ist. Dadurch passen die Intensitäten der beiden Komponenten optimal zusammen und entsteht eine schöne runde, kräutrig-nussige Harmonie.


            PULPO | HÜHNERHAUT |PAPRIKA geht in eine ähnliche Richtung. Auf einer Serviette wird die cross ausgebackene Hühnerhaut serviert. Auf dieser liegen vier Scheiben vom Pulpo und die würzige Parpikasalsa. Obendrauf liegen ein paar Schnitzel der Schale einer Salzzitrone. Die Hühnerhaut bestimmt mit Ihrer Intensität und Salzigkeit das Gericht. Dazu passt der fruchtig wirkende Paprika. Feine Säureakzente setzt die Salzzitrone. Der Pulpo ordnet sich als solcher diesem intensiven, mediterranen Aromenspiel unter. Man merkt nun, dass die Gänge zunehmend aromenorientierter und kräftiger werden. Grundsätzlich geht das aus, aber im Detail empfinde ich die Kombination aus Salzzitrone und der Salsa als nicht ganz optimal ausgespielt. Beide zusammen empfinde ich als ähnlich intensiv. Vielleicht wäre es schöner, wenn die Salsa etwas milder gewürzt wäre, da dann die Zitrone einen spannenderen Effekt haben könnte.


            AAL | MORCHEL | ERBSE war im Grund der Klassiker aus Morcheln mit Erbsen und einer kräftigen Sherrysauce. Das passt natürlich perfekt. Der Aal ist noch mit etwas Räucheraal belegt, um mehr Kraft zu zeigen. Vor allem dann passt das Gericht gut zusammen. Die Sauce ist sehr kräftig. Mir ist sie eine Spru zu karamellig, meine Eltern finden sie großartig.


            Mit BLACK COD | YUZO | KOHLRABI als Hauptgang wird es nun wieder aromatisch filigran. Das liegt vor allem an der leichten Sauce. Der Black Cod ist sanft gegart und hat eine tolle Konsistenz. Durch den Kohlrabi gibt es einen feien Schärfe-Effekt. Mir gefällt das sehr gut.


            KAFFIR LIMETTE|KOKOS |PASSIONSFRUCHT ist ein angenehmes Dessert, von dem am besten alle Bestandteile auf einem Löffel landen – ich habe dann einen Hauch von Exotik auf der Zunge.


            RHABARBER VERMOUTH SOUR |BUTTERMILCH |WALDMEISTER soll die Petit Fours ersetzen. In der Tat erfrischt der Saft. Durch die Buttermilch hat das Getränk noch eine etwas cremigere Textur. Das passt, aber der Waldmeister ist kaum wahrnehmbar. Außerdem sind noch ein paar knusprige, trockene Blätter auf milchiger Basis aufgestreut. Wie Thomashaj schon schrieb, sind diese nicht so angenehm, da sie etwas klebrig sind.


            Thomas Maycyszyns Boathouse ist in Hamburg ziemlich positiv aufgenommen worden. In allen Publikationen ist es positiv besprochen worden. Für die Gastronomieszene in der Stadt ist es sicher eine Bereicherung, sowohl am Chef’s Table im Vergleich zu den Einsternern in der Stadt, als auch mit dem Shareing-Menü im Vergleich zu den ambitionierten Restaurants ohne Stern.

            Alle Gerichte des Menüs sind relativ einfach konstruiert: ein Fisch/Seafood-Produkt, eine aromatische Sauce und ein oder zwei kleine weitere Elemente bilden das „Strickmuster“. Dadurch sind die Teller handwerklich weniger aufwendig, als man es in einem Sternerestaurant erwarten dürfte. Davon wollte Thomas Macyszyn ja sich auch erklärtermaßen verabschieden. In Bezug auf die Produktqualität und den Geschmack hält er aber voll an dem Anspruch fest - und löst ihn auch ein. Trotz der handwerklichen Reduktion sind die Gerichte vor allem aromatisch sehr gelungen, was zumeist an den Saucen und Suden liegt. Mir gefallen die filigraneren etwas besser, aber das ist Geschmackssache. Die Menüdramaturgie ist gelungen, es fängt iodig-fein an, wird dann immer kräftiger, um dann zum Höhepunkt wieder feiner zu werden. Meine Eltern und ich waren sehr zufrieden.
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            Zuletzt geändert von QWERTZ; 22.04.2017, 15:06.

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            • QWERTZ
              Moderator
              • 05.09.2008
              • 5089

              #7
              Ein kleines Update aus dem Boathouse:
              Vergangenen Sonntag war ich mit zwei kulinarischen Freunden im Boathouse am Chefs Table.
              Das Menü beginnt, wie gewohnt, mit einer Auster. Dieses Mal mit Zaziki und grünem Apfel-Granité. Vielleicht ist meine Muschel etwas kühler als die anderen, ich bin jedenfalls der Meinung, dass das frische Granité mit seiner Kühle etwa zu viel Muschelgeschmack weggekühlt, meine Begleiter teilen die Meinung nicht. Überraschenderweise passt die von Zaziki inspirierte Creme sehr gut zur leicht pochierten Muschel.


              Dann folgt als erster Gang eine rohe oder minimal gebeizte Makrele mit einer sehr dunklen, kräftigen Sauce, die ein wenig an Soja erinnert. Dazu ein paar Späne mit leicht nussigem Geschmack. Die Kombination ist lecker, aber etwas rustikal. Mir fehlt der Pfiff, etwas Eleganz –ein Tick etwas feine Säure oder Schärfe würde wahrscheinlich schon reichen.


              Ein Schwertmuschel-Ceviche zeigt, dann genau das: ein grundsätzlich bodenständiges Geschmacksbild mit einem tollen Fisch und einem Schuss Finesse . Dafür sind in diesem Fall kleine Gurkenstückchen zuständig.


              Das anspruchsvollste Gericht des Abends ist ein Hamachi-Bauch mit einer dünnen Avocado-Schicht. Pfifferlingen und Wassermelonenwürfeln. Die Textur des Hamachi-Bauchs ist großartig und er verbindet sich gut mit der Cremigkeit der Avocado. Die Pfifferlinge sind dezent erdig. Der Saft der aromatischen Melone, wenn man sie zerkaut, vermindert die Erdigkeit wieder und lenkt die Kombi minimal in Richtung Fruchtigkeit. Der Sud dazu ist rund und tiefgründig.


              Wolfsbarsch mit säuerlichem Spitzkraut ist eine Wohlfkühlkombination, die vor allem vom Spiel der üppigen Creme und den säuerlichen Effekten des Spitzkohls lebt. Leider kommt da der Eigenschmack Wolfsbarschs nicht dagegen an – d.h. es hätte hier auch ein einfacherer Fisch genauso gut verwendet werden können. Auf dem Barsch liegt aber eine Scheibe Aal, die sehr aromatisch ist. Meiner Meinung nach würde das Gericht mit einer üppigeren Aal-Portion nochmal an Ausdruckskraft gewinnen.


              Steinbeißer mit Nüssen und Rettich-Scheibchen geht Richtung Umami, hält aber durch den Frische-Effekt des Rettichs eine feine Balance.


              Das Dessert, Erdbeeren mit weißer Schokolade, einer Joghurt- und einer üppigen Kaffeecreme ist einfach lecker.


              Und das salzige Karamell mit Yuzu und weiteren säuerlichen Aromen gefällt mir aufgrund des Kontrasts aus Frische und Süße.


              Mit diesem Menü bestätigt Thomas Macyszyn den Eindruck aus dem April: er schafft mit wenigen Mitteln stimmige und bemerkenswerte Kombinationen auf die Teller zu bringen. Ob nun Jellyfish oder Boathouse die spannendere Adresse für Freunde kreativer Fischgerichte ist, ist reine Geschmackssache. Ich sehe das Boathouse rein kulinarisch eine Flossenlänge voraus. Die Atmosphäre und die schöne Weinkarte lassen das Jellyfish aber wieder aufholen.
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              Zuletzt geändert von QWERTZ; 29.07.2017, 19:56.

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